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Wien, am 18.09.2024

Interview mit Prof. Dr. Kurt Kotrschal zum Umgang mit Wölfen in Österreich

Eine stabile Wolfspopulation in Österreich wird vielerorts leidenschaftlich diskutiert. Wolfsexperte Dr. Kurt Kotrschal klärt über Missverständnisse und Möglichkeiten für ein funktionierendes Zusammenleben auf.

Weshalb bedarf es in Österreich einer Jagdreform? Wo sehen Sie die Hauptprobleme?

Es bedarf einer Jagdreform in Österreich, um von den tier- und artenschutzwidrigen alten Gepflogenheiten der Freizeit- und Hobbyjagd in Richtung eines wissensbasierten, zeitgemäßen Wildtiermanagements umzustellen. Die Beharrungskräfte werden aber groß sein, weil Österreich im Grunde von einem Filz aus Jagd, Wirtschaft und Politik regiert wird. Das führt dazu, dass traditionellerweise vieles im Widerspruch zur Rechtslage und in Missachtung des Rechtsstaates unter der Hand geregelt wird, so auch der Umgang mit Wildtieren; das ist natürlich nicht zu akzeptieren, da lebende Wildtiere niemandem, also allen gehören. Der Umgang mit ihnen ist also eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit und keine exklusive Domäne der Jagd. Das Volksbegehren ist daher auch ein wichtiger Beitrag zur Demokratisierung Österreichs, ohne die langfristig kein nachhaltiger Natur- und Artenschutz möglich ist.

Wie stellt sich der Erhaltungszustand des Wolfes hinsichtlich Population, Verbreitungsgebiet, verfügbarer Lebensräume und Zukunftsaussichten in Österreich dar?

Von einem Guten Erhaltungszustand im Sinne der FFH-Regeln kann bei im Jahre 2023 96 festgestellten Wölfen und 6 Rudel nicht die Rede sein. Die Zahlen variieren stark, wegen der offenbar erheblichen illegalen Abschüsse. Tatsächlich sollte Österreich mindestens etwa 60 Rudel haben, geeigneten Lebensraum gibt es zur Genüge, Nahrung in Form von Schalenwild auch. Man wird einsehen müssen, dass es zu nichts führt, zuwandernde Wölfe halblegal (EU-rechtswidrige Verordnungen der Landesregierungen) oder illegal abzuschießen, weil immer mehr Wölfe aus den starken Populationen an unseren Grenzen zuwandern. Es braucht zur Befriedung vielmehr Rudelbildung und guten Herdenschutz.

In welchen Punkten verletzt Österreich, Wölfe betreffend, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie?

Mit dem starken illegalen Abschuss, wie auch etwa im restlichen deutschsprachigen Alpenraum (auch Bayern der Fall), sowie mit den Verordnungen der Bundesländer zur Erleichterung des Wolfsabschusses, die im Verstoß gegen die Kriterien der FFH-Richtlinie auf Verdacht erfolgen. Dass die Jäger:innen die solchermaßen legal erlegten Wölfe behalten dürfen, schlägt dem Fass den Boden aus, das läuft auf Gratis-Trophäenjagd hinaus. Österreich steht diesbezüglich unter Beobachtung durch die Europäische Kommission. Ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Aarhus-Konvention (Zugang der Zivilgesellschaft zum Recht, insbesondere was Umwelt betrifft) wurde eingeleitet.

Wie besorgniserregend schätzen Sie die gezielte Änderung des Schutzstatus des Wolfs im Rahmen der Berner Konvention ein?

Nicht besonders. Es handelt sich um ein Wahlgeschenk Ursula von der Leyens an ihr konservatives Klientel, das allerdings alleine aufgrund der nötigen politischen Schritte dazu kaum umgesetzt werden wird. Ändert auch nichts am Schutzstatus für Österreich, da auch nach Herabsetzung Wölfe nur nach Erreichen eines günstigen Erhaltungszustands bejagt werden dürfen; von dem sind wir aber noch meilenweit entfernt.

Welche Umstände stehen dem Gewinn von fachgerechten und unabhängigen Monitoring-Daten zum Wolf im Weg?

Die Jagd beansprucht darauf das Monopol – was eindeutig unvereinbar ist. Zudem sträuben sich große Grundbesitzer:innen (in Österreich haben die feudalen Strukturen überlebt) und es gibt auch keine unabhängigen universitären Institute. Die beiden Wildbiologien (BOKU und vetmeduni Wien) die wir haben sind beide mit der Jagdwirtschaft verbunden, daher nicht unabhängig. Es bräuchte eine entsprechende Aufstockung, auch der universitären Forschung.

Wie schätzen Sie die Qualität des derzeitigen Wolfsmonitorings ein?

Das aktuelle Monitoring ist besser als nichts, aber von mäßiger Qualität, da faktisch alle Infos entweder von Jäger:innen kommen oder von DNA-Analysen nach Rissbegutachtungen. Professionelles Monitoring, auch mit Unterstützung von Freiwilligen, wie in Deutschland, gibt es hierzulande nicht. Allein aus diesem Grund ist Wildtiermanagement in Österreich flächendeckend EU-rechtswidrig.

Wie stehen Sie zum Abschuss von sogenannten Problemwölfen?

Das ist eine Frage der Definition (siehe FFH-Richtlinie), es ist jedenfalls nicht zielführend, dass Landesregierungen, Bezirksbehörden oder sogar Jagdorgane diese Definition nach Belieben vornehmen.

Welche Umstände stehen dem ausreichenden Herdenschutz in Österreich in der Praxis im Weg und welche Maßnahmen sind für ein konfliktarmes Zusammenleben mit dem Wolf wichtig?

Wird von Landwirt:innen, v.a. von deren Standesvertretung abgelehnt, weswegen auch die EU-Fördermittel nicht angezapft werden. Mit dem Vorgaukeln, man würde das Problem mit Abschuss lösen, lässt man die Bauern und Bäurinnen im Regen stehen. Für ein konfliktarmes Zusammenleben braucht es Rudelbildung, bei gleichzeitigem hochwertigen Herdenschutz.

Gesicherte Schafe schützen also auch den Wolf – Welche Anlaufstellen gibt es für Landwirt:innen?

Eine Anlaufstelle ist beispielsweise das Österreichzentrum Bär-Wolf-Luchs in Gumpenstein.

Welche Umgangsweise empfehlen Sie mit neugierigen Jungwölfen und durchziehenden Wölfen, die in Städten gesichtet werden?

Gar keine, einfach ignorieren. Das ist kein Hinweis auf einen Verlust der Scheu vor dem Menschen und auch nicht gefährlich.

Wie trägt der Wolf zu einer natürlichen Entfaltung des Waldes bei?

Wölfe halten Wildbestände gesünder, als menschliche Jäger:innen das können, sie begünstigen Biodiversität. Sie sind sogar in Maßen fähig, Rehe und Hirsche so zu regulieren, dass der Verbiss an Naturverjüngung zurückgeht und die Kosten für die Waldbewirtschafter sinken, wie eine neue, große Studie aus dem Nordosten Deutschlands zeigt (Schumann, 2022).

Wie stellt sich die Koexistenz von Wölfen mit anderen Beutegreifern dar?

Beutegreifer gehen einander aus dem Weg. Innerhalb der Kaniden (Wolf, Goldschakal, Rotfuchs) herrscht Gildenaggression, was bedeutet, dass Füchse Schakale und Wölfe meiden und die Schakale die Wölfe. Gelegentlich töten Wölfe Füchse oder Schakale und auch Fischotter. Wölfe halten damit Ökosysteme einigermaßen in Balance und begünstigen so menschliches Wirtschaften.

Was verbindet Sie mit Wölfen? Gibt es einen Wolf, zu dem Sie eine besondere Beziehung haben?

Wissenschaftliches und emotionales Interesse – immerhin habe ich über 30 Wölfe aufgezogen und lange mit ihnen als Partner:innen auf Augenhöhe gearbeitet. Ich kenne daher ihr fast menschenähnliches soziales Wesen, ihren Willen zur Zusammenarbeit, dem wir letztlich ja auch die Hunde zu verdanken haben. Ohne wirklich triftigen Grund (nach FFH-Richtlinie) auf Wölfe zu schießen empfinde ich als beinahe ebenso schlimm, wie auf Menschen zu schießen.

Welchen Prozess erhoffen Sie sich vom Volksbegehen für ein einheitliches Bundesjagdgesetz?

Ich erhoffe mir ein zunehmendes Interesse an Natur und Ökologie und ein stärkeres Bewusstsein, dass für Wildtiere nicht nur die Jagd zuständig ist. Ich halte den durch das Volksbegehren angestoßenen Diskussionsprozess für überaus wichtig, auch im Sinne der nötigen weiteren Demokratisierung Österreichs, ohne die auch in Zukunft Natur- und Artenschutz schwierig bleiben wird.

Vielen Dank für das Interview!

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