Der erste Animal Liberation Workshop dieses Jahr, der von Österreich aus organisiert wurde, fand von 4. – 6. Mai in Estland statt. Im Rahmen dieser Animal Liberation Workshops werden neue AktivistInnen einer Region mit den Ideen der Tierrechtsbewegung und ihren Strategien und bisherigen Erfahrungen vertraut gemacht, um lokale AktivistInnen und InteressentInnen in die Lage zu versetzen, selbst aktiv zu werden.
Der ALW fand in einem Jugendzentrum in Tallin, der Hauptstadt von Estland statt. Mehr als 50 AktivistInnen, hauptsächlich aus Estland und Finnland, sowie einem aus Deutschland und natürlich aus Österreich, nahmen teil. Bereits am Freitag trafen die meisten TeilnehmerInnen ein und man konnte noch bis spätabends Tierrechtsvideos schauen. Am Samstag begannen die Workshops mit einem Überblick über die Geschichte der Tierrechtsbewegung und einer Einleitung in ihre Grundproblematik. Nichtmenschliche Tiere werden in unserer Gesellschaft als Sachen gesehen und entsprechend direkt, brutal und ohne Schutz den kapitalistischen Prinzipien des freien Marktes ausgeliefert. Deshalb sind vor allem in der Haltung sogenannter „Nutztiere“, also in Tierfabriken, die Bedingungen durch ein einziges Prinzip vollständig bestimmt: die Profitmaximierung. Bisher konnte noch kein einziges Tierschutzgesetz an diesem Umstand auch nur irgendetwas ändern.
Danach wurde eine bunte Mischung von Fotos verschiedener Aktionen und Demonstrationen gezeigt, um Ideen zu liefern, wie man für Tierrechte aktiv sein kann. Dabei wurde offensichtlich, dass die Bewegung in den letzten Jahrzehnten eine große Kreativität entwickelt hat, um das Problem der Tierausbeutung zu thematisieren und gesellschaftspolitischen Druck auszuüben.
Estische und finnische AktivistInnen berichteten von ihren bisherigen Kampagnen in den jeweiligen Ländern, und darüber, was bisher erreicht werden konnte. In Estland ist die Bewegung noch sehr jung und es gab erst wenige Demonstrationen. Zusätzlich ist die Demokratie scheinbar noch zu wenig gefestigt, sodass Polizei und Behörde keine Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zulassen. Deshalb gab es bei diesem ALW letztendlich auch keine gemeinsame Demonstration. Straßenunruhen der russischen Minderheit und entsprechend drakonische Polizeimaßnahmen spielten für die Entscheidung keine Demo abzuhalten natürlich auch eine Rolle.
Aus Finnland wurden große Erfolge in der Pelzkampagne kolportiert. Immerhin ist in den letzten 10 Jahren die Anzahl der Pelzfarmen auf die Hälfte gesunken und viele verschiedene Firmen haben den Verkauf von Pelz eingestellt. Allerdings gibt es kaum bürgerlich gemäßigte Tierschutzvereine, weshalb es der Polizei viel leichter fällt, die Bewegung zu unterdrücken. So wurden 7 AktivistInnen durch ein Gerichtsurteil ein ganzes Jahr lang daran gehindert, vor dem Modehaus Halonen, gegen das eine Pelzkampagne läuft, zu demonstrieren. Beim folgenden Workshop über Polizeirepression wurden weitere erschütternde Beispiele aus Finnland bekannt. So verurteilte ein Gericht AktivistInnen zu 20.000 Euro Schadensersatz, weil sie völlig legale Demokampagnen gegen TierausbeuterInnen geführt hatten. Begründung: Störung des Hausfriedens und Verletzung der Ehre der TierausbeuterInnen (die Bezeichnung: Tierquäler). Diese Verurteilung erfolgte aufgrund völlig legal angemeldeter Demos, die sogar von anwesenden PolizistInnen in keinster Weise beanstandet worden waren. Allerdings sind die Urteile nicht rechtskräftig, die Berufungsverhandlung steht noch aus.
Alle TeilnehmerInnen, die es sich leisten konnten, bezahlten nur 3 Euro für alle anfallenden Kosten zusammen, also für alle veganen Mahlzeiten und für die Miete des Jugendzentrums. Das hervorragende Essen wurde gemeinsam eingenommen. Danach gab es am Samstag Abend noch Videovorführungen von Tierrechtsfilmen auf Großleinwand.
Am Sonntag gingen die Arbeitskreise unvermindert intensiv weiter. Die Themen waren Kampagnenstrategien, Recherchen bei Tierausbeutungsbetrieben und Gerichtsverfahren, wobei ein wesentliches Thema dabei der Sachwalterschaftsprozess in Österreich für den Personenstatus eines Schimpansen war. Allerdings musste schon betont werden, dass die Gerichtserfolge für Tierrechte eher bescheiden sind, und die staatliche Repression auch auf Gerichtsebene immer gravierender wird.
Der ALW ging mit einem Workshop über Veganismus zuende. Anwesende LangzeitveganerInnen – es waren auch 2 lebenslang vegane Kinder dabei – konnten alle Fragen zur Gesundheit von Veganismus beantworten und ein kurzer Vortrag fasste die Gründe für eine tierfreie Lebensweise zusammen. Alles in allem war der ALW ein großer Erfolg. Auch wenn gerade bei Kampagnenstrategien heikle und zum Teil sehr umstrittene Themen angesprochen wurden, blieb die Atmosphäre sehr konstruktiv und die Gemeinsamkeit wurde weit über alles Trennende gestellt. Die TeilnehmerInnen waren sogar so begeistert von diesem ALW, dass weitere Termine für ähnliche Veranstaltungen gleich vorort arrangiert wurden.
Der ALW hatte sogar auch ein sehr positives Nachspiel. Offenbar durch das Gesagte motiviert und durch die Information bestens vorbereitet, wurden gleich in den folgenden Tagen estische Pelzfarmen besucht und gefilmt, um die Pelzkampagne in Estland einzuleiten. Andere Länder, wie z.B. Kroatien, haben gezeigt, wie schnell eine junge Bewegung große Erfolge feiern kann. Die Bewegung in Estland kann jetzt durch die Erfahrung anderer Länder lernen und ist am besten Weg, sich zu konsolidieren und effektiv zu werden.