Im Westen Österreichs legt die Tierrechtsbewegung
gewaltig zu
Im Jahr 2005 wurde das Konzept der Animal Liberation Workshops aus der Taufe gehoben. In 5 Städten Österreichs gab es damals derartige Veranstaltungen.
Der zweite heurige ALW in Österreich fand von 20.-21. Oktober 2007 im Hutterheim in Innsbruck statt. Der Veranstaltungsort war derselbe wie schon vor 2 Jahren beim ersten hiesigen ALW, weil er sich wirklich hervorragend dafür eignet. So gibt es dort nicht nur eine große Küche zur Selbstversorgung und einen riesigen Veranstaltungsraum mit Bühne, das Hutterheim ist auch nur eine kurze Gehdistanz vom Stadtzentrum entfernt, sodass der Demomarsch dorthin ohne Anfahrt abgehalten werden kann.
Zum heurigen ALW haben vor allem viele lokale Gruppen aufgerufen. Und diesem Aufruf wurde in überraschend großem Ausmaß gefolgt: 70 Personen nahmen insgesamt an den Workshops des ALW teil! Damit etabliert sich auch im Westen Österreichs eine starke Tierrechtsbewegung. Die TeilnehmerInnen waren trotz winterlicher Strassenverhältnisse aus dem gesamten Westen von Vorarlberg bis Salzburg angereist. Es gab sogar 3 Gäste aus dem angrenzenden Deutschland.
Für das leibliche Wohl sorgten am Samstag lokale AktivistInnen. Es gab Spagetti mit weißer und roter Soße, sowie eine Vielzahl von veganen Cremetorten und Mehlspeisen – gegen eine freie Spende. Am Sonntag bekochte die Gruppe „Food not bombs“ die TeilnehmerInnen mit Soja-Burgern und Salat, dessen Bestandteile vorher aus Mistkübeln bei Supermärkten geholt worden waren. Diese Gruppe kocht regelmäßig in öffentlichen Räumen kostenlos und vegan für PassantInnen, u.a. um gegen Kommerz und Wegwerfgesellschaft zu protestieren.
Am Samstag begannen die Workshops mit einer Vorstellungsrunde und der Diskussion zur Frage, ob heute die Menschen ihre politische Verantwortung an Vereine delegieren und nicht mehr – wie noch in den 1980er Jahren z.B. gegen den Kraftwerksbau von Hainburg – selbst zur Tat schreiten. Vielleicht sind heute auch die Existenzängste größer geworden, in jedem Fall waren sich aber die TeilnehmerInnen einig, dass die staatliche Überwachung unvergleichlich schlimmer geworden ist.
Eine 1961 geborene Frau betonte, dass ihre Kinder heute nicht mehr Vergleichbares anstellen könnten, wie sie damals, weil die Überwachung mit Videocameras auf der Strasse und in den U-Bahnen einfach immer lückenloser würde. Jede kleinste, harmloseste Übertretung habe gleich Sanktionen zur Folge, was letztendlich dazu führt, dass sich alle beobachtet fühlen und niemand mehr gegen die Unterdrückung anderer aufzustehen wagt. Einige Anwesende berichteten auch von Schwierigkeiten mit ihren ArbeitgeberInnen aufgrund von völlig legalen Tierrechtsaktivitäten.
Nach einer kurzen Einführung in die Tierrechtsphilosophie stellten sich die lokalen Tierrechtsgruppen „Menschen gegen Ausbeutung“ und „Tierschutz Aktiv Tirol“, sowie die Aktionstheatergruppe „Ein/Aus“, vor. Auch der Verein Gegen Tierfabriken hat eine regionale Aktivismusgruppe vorort. Dazu wurden eine Reihe von Kurzvideos hauptsächlich von VeganTV gezeigt, die die Aktivitäten der verschiedenen Gruppen illustrierten.
Nach dem anschließenden Mittagessen zogen die AktivistInnen bei durchwegs winterlichen Verhältnissen vom Hutterheim 4 Stunden lang kreuz und quer durch Innsbruck, um bei zahlreichen Tierausbeutungsgeschäften lautstark zu protestieren. Vor der Kleider Bauer Filiale in der Museumstrasse wurde sogar 20 Minuten lang demonstriert, und es gab auch eine Street performance der Theatergruppe Ein/Aus. Besonders die Geschäftsleitung der mit Pelzen überladenen Kaufräume der Firma Einwaller in der Fussgängerzone beim Goldenen Dachl schien sich über die Demonstration zu erregen. Offenbar ist sie noch nicht oft von so vielen Menschen konfrontiert worden, die mit von 8 Trommeln unterstützten Sprechchören ihrem Ärger über die Ignoranz gegenüber dem Pelztierleid Luft machten.
Samstags nach der Demo wurde noch ein Workshop über Aktionsformen für Tierrechte abgehalten. Dabei zeigte auch eine vegane Tierrechtsband aus Tirol ein neues Promotion Video, in dem Tierleidbilder mit Punk Musik überblendet waren, und ein Bildhauer Fotos von seinen Tierrechtsskulpturen – ebenfalls eine Aktionsform. Am Abend wurden noch ein finnischer und ein israelischer Film über Tierrechtsaktivismus gezeigt.
Sonntag Vormittag fanden offenbar viele der zahlreichen InteressentInnen nicht rechtzeitig aus dem Bett. Der Tag wurde deshalb unter zunächst relativ geringer Beteiligung mit einem Film in memoriam Jill Phipps, der Tierrechtsaktivistin, die am 1. Februar 1995 in England bei einer Tiertransportblockade von einem Transporter überrollt worden war, eröffnet. Danach folgte ein illustrierter Vortrag über Recherchen, gefolgt von der Präsentation einer Reihe von regionalen und bundesweiten Tierrechtskampagnen. Den TeilnehmerInnen der Workshops sollte so ein Überblick geboten werden, in welchen inhaltlichen Themenbereich sie sich im Rahmen der Tierrechtsbewegung einbringen könnten.
Im Laufe des Vormittags füllte sich der Vortragssaal wieder. Nach dem Mittagessen wurde noch ein Workshop über Veganismus abgehalten. Was für Gründe aus der Ethik, aber auch aus Umweltschutz, Menschenrechten und Politik, sprechen dafür, ohne Tierprodukte zu leben? Zuletzt gab es eine breite und sehr fundierte Diskussion über Bürgerrechte und Polizeirepression. Viele TeilnehmerInnen erzählten von ihren persönlichen Erlebnissen. Klar wurde jedenfalls, dass man Grundrechte nicht einfach besitzt, sondern immer weiter erkämpfen muss. Laufend werden unsere Rechte beschnitten und der Kampf um die Demokratie ist ein fortwährender Widerstand gegen staatliche Repression und Unterdrückung.
Dieser ALW, so die Ansicht der OrganisatorInnen, hat vielen Menschen das Selbstvertrauen aber auch das Basiswissen gegeben, sich nicht von Staat und Tierindustrie einschüchtern zu lassen, sondern für die Schwächsten in unserer Gesellschaft aufzustehen und Widerstand zu leisten.