Vierter internationaler ALW des VGT von 20.-21. Oktober in Luzern
In der Schweiz ist die Tierrechtsbewegung seit einigen Jahren ein bisschen ins Stocken geraten. Die Schweiz hat international vorbildliche Tierschutzgesetze und viele interessierte AktivistInnen, aber es scheint an OrganisatorInnen, an aktiven Vereinen und an zielgerichteten Kampagnen, also einer einheitlichen Bewegung, zu mangeln. So bat man den VGT, der in Österreich die Tierrechtsbewegung seit vielen Jahren vereinsübergreifend zusammenhält und motiviert, einen Animal Liberation Workshop in Luzern im Zentrum der Schweiz abzuhalten. Das Cafe Parterre in Luzern stellte sich als Veranstaltungsort zur Verfügung. Samstag und Sonntag gab es jeweils ein veganes Mittag- und Abendessen für alle TeilnehmerInnen. Vortragssprache war englisch, da auch viele AktivistInnen aus der italienisch- und der französischsprachigen Schweiz teilnehmen wollten.
Die AZOT, die Aktion Zirkus ohne Tiere, hat sich kürzlich in der Schweiz gegründet und eine bundesweite Kampagne gegen den von der Öffentlichkeit so hochgejubelten Schweizer Zirkus Knie – mit zahllosen Tieren inklusive 8 zirkuseigenen ElefantInnen – begonnen. In Österreich gab es von 1996 – 2002 eine ähnliche Kampagne, die mit einem Wildtierverbot für alle Zirkusse endete. So bot sich also ein wichtiges Thema als Aufhänger des Animal Liberation Workshops an, auch wenn die AZOT betont, gegen alle Tiere im Zirkus, also nicht nur Wildtiere, zu sein. Bisher hat die AZOT heuer 2 große Demos gegen den Zirkus Knie organisiert.
Der ALW war mit fast 80 TeilnehmerInnen sehr gut besucht, der größte der internationalen ALWs bisher. Die für den ALW organisierte Demo gegen den Zirkus Knie, am Samstag Vormittag quer durch die Stadt Luzern bis zum Zirkuszelt, zog über 300 TeilnehmerInnen an. Eine stattliche Zahl mit entsprechender Lautstärke und öffentlicher Wirkung. Dazwischen gabs einen Lautsprecherwagen mit großen Boxen, aus denen Technomusik dröhnte. Zusätzlich wurden immer wieder Texte für Tierrechte und gegen Zirkustierquälerei vorgetragen und zwar auf deutsch, italienisch und französisch. Eigentlich wollte der Zirkus seine Elefanten quer durch die Stadt treiben, und es waren einige Aktionen von Seiten der TierrechtlerInnen gegen diese Aktivität geplant, aber der Zirkus zog in letzter Sekunde sein Vorhaben zurück. Stattdessen schickte der Zirkus einen Spion zum ALW, der allerdings von AktivistInnen enttarnt und vertrieben wurde, nachdem er laute Drohungen ausgestoßen hatte. Der Demozug gegen den Zirkus fand dennoch statt.
Leider spielt die Polizei in der Schweiz besonders verrückt und tritt bei Demos dieser (eigentlich kleinen) Größenordnung voll bewaffnet mit Helm, Schild, Tränengas und Gummigeschoß-Gewehr (!) auf. So auch bei unserer Zirkusdemo. Völlig unnötigerweise wurden die TeilnehmerInnen eingeschüchtert und herumgestoßen. Natürlich ließ sich niemand provozieren und die Veranstaltung blieb friedlich. Stattdessen wurde die sogenannte Clown-Armee aktiv, als Clowns agierende AktivistInnen, die das Macho-Auftreten der Polizei ins Lächerliche zogen. Aber auch diesen Personen gegenüber war die Polizei ausnehmend unfreundlich und gewalttätig. Demokratie scheint in mancher Hinsicht in der Schweiz ein Fremdwort zu sein, wurde auf Anfrage doch mitgeteilt, dass die Polizei immer in dieser martialischen Art ausrückt und die Abhaltung einer Demo einer Genehmigung bedarf, die mehr als 100 Euro kostet! Hier müssten sich Tierrechts- und MenschenrechtsaktivistInnen zusammen finden und sich gemeinsam einen Freiraum für Demonstrations- und Meinungsfreiheit erkämpfen, der nicht nur für die Reichen reserviert ist.
Nach der Demo wurde der ALW intensiv weitergeführt. Schwerpunktthemen am Samstag waren Tierrechtsphilosophie, Demonstrations- und Aktionsformen, Bürgerrechte und Kampagnenerfahrungen. Verschiedene TeilnehmerInnen aus allen Teilen der Schweiz berichteten von ihren Demos. Es wurde auch von den Rechten gegenüber der Polizei und von der allgegenwärtigen Polizeirepression berichtet. Im Vergleich zu Österreich scheint die Schweiz sowohl Demo- und Meinungsfreiheit, als auch generelle Bürgerrechte viel mehr einzuschränken. Ein Aktivist, der nur Graffiti gegen Tierversuche an die Hauswand eines Labors gemalt hatte, musste 4 Monate lang in Untersuchungshaft sitzen. Auflagen, dass keine Flugblätter verteilt werden dürfen oder dass keine Plakate gezeigt werden dürfen, die Leute vom Einkauf abhalten könnten, sind bei Tierrechtsdemos die Norm.
Abends sprach der englische Tierrechtsaktivist Keith Mann über die Geschichte der radikalen Tierrechtsbewegung und der Film „Behind the Mask“ wurde gezeigt. Auf seine Anregung hin wurden Postkarten an alle Tierrechts-AktivistInnen, die momentan weltweit im Gefängnis sitzen, verschickt.
Am Sonntag ging es um Kampagnenstrategien, Recherchen, offene Befreiungen, die Gründung von Tierrechtsgruppen und den VGT-Prozess für die Anerkennung des Schimpansen Hiasl als Person. Danach besuchten einige TierrechtlerInnen gemeinsam einen in Entstehung befindlichen Gnadenhof in Luzern und das Zentrum für Meditation und Tierschutz auf einem Berg über dem Vierwaldstättersee. Der ALW war, wie alle bisher, ein sehr positives Erlebnis und alle TeilnehmerInnen gingen hoch motiviert ihrer Wege.