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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (06.01.2007)

Wien, am 06.01.2007

Neuer Angriff auf die Demonstrationsfreiheit

Grazer Straßenverwaltung verbietet Demonstrationen

Am 28. Dezember 2006 verlautbarte die Grazer Straßenverwaltung, dass sie alle Kundgebungen in Graz nicht genehmige. Davon betroffen sind die regelmäßig stattfindenden Kundgebungen gegen Pelz in der Sackstraße und der Murgasse und für Tierrechte am Grazer Hauptplatz. Dieser massive Eingriff in das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit, wird von der Grazer Straßenverwaltung mit „sachlich begründeten Einwänden“ gerechtfertigt, die nach telefonischer Auskunft des Magistratsbeamten im wesentlichen darin bestehen, dass sich manche PassantInnen durch die Demonstration gestört fühlen könnten.

Die Demonstrationsfreiheit ist ein Grundrecht, das durch das österreichische Staatsgrundgesetz Artikel 12 und die europäische Menschenrechtskonvention Artikel 11 geschützt ist. Wie auch der österreichische Verfassungsgerichtshof bestätigt, darf das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit nicht einem Bewilligungssystem durch die staatliche Obrigkeit unterworfen werden. Die TierrechtsaktivistInnen sind entschlossen für ihre Rechte zu kämpfen und die Demonstrationen weiterhin durchzuführen.

„Grundrechte von der Bewilligung der Behörde abhängig zu machen, widerspricht dem Geiste einer freien demokratischen Gesellschaft. Es wäre ja auch absurd von einem Grundrecht zu sprechen, wenn man für dessen Inanspruchnahme erst die Genehmigung der Behörde einzuholen hätte“, erläutert Harald Balluch, Geschäftsführer des VGT.

„Würde man von einem Grundrecht auf ein Familien- und Privatleben sprechen, wenn man erst den Staat um Erlaubnis fragen müsste ob und mit wem man zusammenleben darf? Könnte man sagen, dass es ein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gibt, wenn man erst eine behördliche Zustimmung einholen müsste, um einen politischen Standpunkt öffentlich kundtun zu dürfen? Eben definitiv nicht! Solche Systeme würde man mit Polizeistaat und Zensur in Verbindung bringen und nicht mit einer freien demokratischen Gesellschaft. Die Inanspruchnahme eines Grundrechtes, wie der Demonstrationsfreiheit, von einer Bewilligung der Behörde abhängig zu machen, ist ein klarer Bruch der Menschenrechte.“

Das derzeitige Vorgehen der Grazer Straßenverwaltung ist auf ein verwirrendes Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zurück zu führen. In diesem Urteil (GZ B1297/04) wird die Verfassungswidrigkeit eines Bewilligungssystems für politische Kundgebungen zwar bestätigt. Gleichzeitig spricht der Verfassungsgerichtshof aber auch davon, dass der §54 des steiermärkischen Landestraßenverwaltungsgesetzes (LStVG) auf politische Kundgebungen in der Steiermark anzuwenden sei. Genau dieser Paragraph fordert aber, dass die Bewilligung der Straßenverwaltung eingeholt werden müsse. Diesen offensichtlichen Widerspruch, dass das Gesetz einerseits die Einholung einer Bewilligung vorschreibt, aber andererseits kein Bewilligungssystem vorliegen darf, versucht der Verfassungsgerichtshof dadurch aufzulösen, dass er als verfassungsgemäße Interpretation des §54 LStVG die Straßenverwaltung dazu verpflichtet sieht, politischen Kundgebungen jedenfalls eine Bewilligung zu erteilen. Die Straßenverwaltung selbst sieht das aber offenbar ganz anders, wie man daran erkennen kann, dass sie den oben erwähnten politischen Kundgebungen die Bewilligung verweigert hat. Wahrscheinlich fragt sie sich, warum die Einholung einer Bewilligung gesetzlich vorgeschrieben sein sollte, wenn die Bewilligung dann ohnedies erteilt werden müsste?

Die Leidtragenden dieses juristischen Verwirrspiels sind jedenfalls die BürgerInnen, die mit einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit im Stich gelassen werden. Bis in dieser Sache neuerlich durch alle Instanzen bis zum Verfassungsgerichtshof berufen worden ist, vergehen voraussichtlich zwei Jahre. Darf es nun in diesen zwei Jahren in der Steiermark keine Demonstrationen mehr geben? Müssen sich BürgerInnen die auf ihrem Recht bestehen und trotzdem Demonstrationen durchführen dabei in eine „Unrechtssituation“ begeben und hohe Verwaltungsstrafen in Kauf nehmen?

VGT-Rechtsexperte Mag. Eberhart Theuer: „Dieses VfGH-Erkenntnis ist ein Beispiel dafür, wie verfassungskonforme Interpretation nicht erfolgen sollte. Am eindeutigen Wortlaut einer Bestimmung findet die verfassungskonforme Interpretation ihre Grenzen. Widerspricht eine Bestimmung ihrem klaren Wortlaut nach der Verfassung, hat der VfGH diese Bestimmung aufzuheben, statt sie auf einen gerade noch grundrechtskonformen Bedeutungsgehalt zurechtzubiegen. Andernfalls passiert genau das, was wir in Graz erleben: Behörden richten sich nach dem Wortlaut des Gesetzes und ignorieren die dazu ergangene Entscheidung des VfGH. Dadurch wird ein System geschaffen, das Grundrechtsverletzungen begünstigt. Aus diesem Grund steht diese Entscheidung des VfGH auch im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention.“

Auch über die Frist in der eine etwaige Bewilligung durch die Straßenverwaltung für eine Demonstration zu erteilen wäre, schweigt sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil aus. Muss die Bewilligung, wie für Demonstrationen im Versammlungsgesetz §2 vorgesehen, innerhalb von 24 Stunden erteilt werden, oder wie in §86 der Straßenverkehrsordnung (StVO 1961) innerhalb von 3 Tagen? Oder dürfen gar wie in einem üblichen Verwaltungsverfahren mehrere Monate dafür veranschlagt werden? Letzterer Fall käme ohnehin fast einem Demonstrationsverbot gleich. All diese Fragen haben große praktische Bedeutung für die außerparlamentarische politische Arbeit. Derzeit sind sie ungeklärt und die politisch Aktiven hängen in der Luft.

"Die Bedeutung der Demonstrationsfreiheit für die Demokratie wird extrem unterschätzt", meint Harald Balluch, Geschäftsführer des VGT. "Ein Blick auf die bestehenden Möglichkeiten die Öffentlichkeit zu erreichen, zeigt, dass diese praktisch ausschließlich Konzernen und politischen Parteien mit großem Einfluss und viel Geld offen stehen. Alle Wege in die Öffentlichkeit egal ob über Plakatflächen, Zeitungen, Fernsehen oder Radio sind in privater Hand und kommerzialisiert. Um sich ihrer bedienen zu können - etwa durch eine Fernseheinschaltung - muss man über große finanzielle Mittel verfügen. Aber auch die Berichterstattung in den Medien zeigt ein extremes Ungleichgewicht. So wird der Meinung der Mächtigen in diesem Land, wie etwa einer Regierungspartei, unendlich viel mehr Raum eingeräumt, als dem Normalbürger oder einer finanzschwachen Minderheit. Selbstverständlich entsteht dadurch ein extrem verzerrtes Bild der Wirklichkeit und die öffentliche Meinung wird von einigen wenigen aber mächtigen Interessensvertretungen diktiert."

"Als absolut  letzte Bastionen der echten Meinungsfreiheit ist nur mehr die Straße geblieben. Hier gibt es derzeit noch die Möglichkeit über Flugblätter und Demonstrationen frei und mit geringsten finanziellen Mitteln auf den Meinungsbildungsprozess der Gesellschaft einzuwirken. Hier lässt sich derzeit noch das Ungleichgewicht zu Macht und Großfinanz durch persönlichen idealistischen und ehrenamtlichen Einsatz wett machen. Natürlich ist diese Möglichkeit den Mächtigen ein Dorn im Auge und am liebsten hätten sie wohl auch hier eine Privatisierung der Straßennutzung. Dass also auch hier in Zukunft nur mehr Geld und Macht entscheiden, wer etwas zu sagen hat."

"Wenn uns der Staat die Demonstrationsfreiheit nimmt, wäre das ein harter Schlag für die Zivilgesellschaft. Die Entwicklungen der letzten Zeit sind alarmierende Signale in diese Richtung. Wir müssen alles daran setzen unsere Rechte zu verteidigen und eine weitere Entmachtung und Entmündigung der BürgerInnen zu verhindern!"

Beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist in dieser Sache bereits eine Beschwerde anhängig.

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