Verein gegen Tierfabriken
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Lebendiges Kochen von Krebstieren ohne vorherige Betäubung ist in Österreich verboten. In den Nobelküchen wird das Gesetz aber meist ignoriert
Wien, 15.12.2025
Hummer sind Zehnfußkrebse und als solche durch das komplette Tierschutzgesetz genauso geschützt, wie alle Wirbeltiere und Kopffüßer (z.B. der Oktopus). Sie sind in der Lage, Schmerz zu empfinden und leiden, wenn sie gequält werden. Laut Tierschutzgesetz § 5 Absatz 1 ist es verboten, ihnen ungerechtfertigt Schmerzen zuzufügen, doch genau das passiert, wenn sie lebendig in kochendes Wasser geworfen werden. § 32 Abs. 1 des TSchG sieht vor, dass die Tötung eines Tieres "[…] nur so erfolgen [darf ], dass jedes ungerechtfertigte Zufügen von Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwerer Angst vermieden wird." Doch wo kein Kläger, da kein Richter – eine Redwendung, die leider zu oft bei Tieren ins Treffen kommt.
Längst ist wissenschaftlich bestätigt, dass Zehnfußkrebse, zu denen Hummer, Garnelen und Krabben auch gehören, über ein hoch entwickeltes Nervensystem verfügen und darum auch ein ausgeprägtes Schmerzempfinden haben.1 Sie zeigen ein starkes Schmerzvermeideverhalten2 und wenn man sie in kochendes Wasser wirft, zeigen sie panikartige Stressreaktionen durch lautes Zischen, Fluchtversuche, oder sogar Autotomie (Selbstamputation).3 Das Video eines Flusskrebses, der durch Abtrennen der eigenen Schere versuchte, dem Kochtopf zu entkommen, erlangte vor einigen Jahre traurige Berühmtheit. Hummer verfügen über ein Bewusstsein4, haben komplexe kognitive Fähigkeiten wie Erinnerungsvermögen. Krebstiere benutzen Werkzeuge und kümmern sich um ihren Nachwuchs. Von der EFSA (Europ. Behörde für Lebensmittelsicherheit) werden sie in die Kategorie 1 eingestuft4– das bedeutet, dass sie eindeutig Schmerzen und Stress empfinden können.
Eigentlich ist es ganz einfach: in der Tierschutz-Schlachtverordnung steht in Anhang B, Punkt 8: "Krusten- und Schalentiere, außer Austern, dürfen nicht auf Eis aufbewahrt und nur in stark siedendem Wasser getötet werden. Das Wasser muss sie vollständig bedecken und nach ihrer Zugabe weitersieden. Abweichend davon dürfen Schalentiere in über 100 Grad Celsius heißem Dampf getötet werden. Krustentiere sind vor dem Töten zu betäuben." (Eine Betäubung soll verhindern, dass das Tier seinen eigenen Tod bei vollem Bewusstsein mitbekommt.) Zu den Krustentieren gehören Hummer, Garnelen, Krabben und verschiedene Krebsarten, z.B. Flusskrebse.
Der "Crustastun" ist derzeit das einzige bekannte und erhältliche Gerät zur tierschutzkonformen Betäubung von Krebstieren wie Hummern und Krabben.5 Das Betäuben mittels Messerschnitt ins Nervenzentrum ist in Österreich NICHT erlaubt (vgl. tieranwalt.at). Eine Betäubung durch Chilling (Abkühlen/Frieren) wurde in Studien als höchst ineffektiv beschrieben. Die Tiere wurden dadurch lediglich immobilisiert aber blieben schmerzempfindlich.6
Die meisten Köch:innen in Österreich kennen das Gesetz nicht, oder ignorieren es. Das musste der VGT schon oftmals dokumentieren und anzeigen. Aufgrund der zahlreichen Einzelfälle muss man davon ausgehen, dass die wenigsten Köch:innen und Privatpersonen Krebstiere fachgerecht betäuben, bevor sie sie ins kochende Wasser werfen. Auch Anzeigen zeigten oft keine Wirkung, sodass davon auszugehen ist, dass auch viele Amtstierärzt:innen derartige Fälle nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Informiertheit bearbeiten. In der Öffentlichkeit werden Krustentiere, ähnlich wie Fische, als Tiere "zweiter Klasse" betrachtet. "Das gehöre so" oder "das habe man schon immer so gemacht" sind Sätze, die aber angesichts des strengen Rechtsschutzes keine Gültigkeit haben. Schon das Einfangen und der weite Transport der lebenden Tiere sind aus Tierschutz-Sicht höchst bedenklich. Doch auch in der Zucht kommt es zu schwerster Tierquälerei. So wird weiblichen Garnelen bspw. häufig ein Auge am Stiel abgeschnitten, um die Hormonproduktion anzuregen und dadurch die Vermehrung zu beschleunigen (vgl. Augenstielablation).
Der VGT fordert dazu auf, in Restaurants, in denen Krebstiere auf der Speisekarte stehen, nachzufragen, wie diese betäubt werden und bei nicht gesetzeskonformer Antwort des Koches/der Köchin den Sachverhalt an die zuständige Behörde zu melden. Noch tierfreundlicher wäre natürlich, auf den Verzehr von fühlenden Lebewesen zu verzichten.
Decapod Crustaceans and Cephalopod Molluscs in EU Animal Welfare Legislation, Eurogroup for Animals, Brüssel 2021
Yue, Stephanie: The Welfare of Crustaceans at Slaughter, in: WBI Studies Repository, University of Guelph 2008