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Schlachtalter vs. natürliche Lebenserwartung

Wien, 12.11.2020

Viele Menschen entscheiden sich dazu, kein Lamm- oder Kalbfleisch zu essen, weil sie keine Tierbabys essen wollen.

Die Wahrheit ist allerdings, dass praktisch alle sogenannten "Nutztiere" zum Zeitpunkt ihrer Tötung noch ganz am Anfang ihres Lebens stehen und eigentlich noch Kinder sind. Kein Tier, das für den direkten Konsum gezüchtet wird (sprich für Fleisch), lebt länger als zehn Prozent seiner natürlichen Lebenserwartung, bei den meisten Tierarten ist es sogar deutlich weniger.

Schlachtalter vs. natürliche Lebenserwartung

Praktisch alle "Nutztiere" werden in Schlachthöfen getötet. Der Rest stirbt an Krankheiten oder Verletzungen in den Haltungsbetrieben oder wird unmittelbar nach dem Schlupf getötet, wie das bei männlichen Kücken von Legehühnern der Fall ist.

Viele Menschen sind der Meinung, dass "Nutztiere" in Österreich ein "gutes Leben" hatten und ihre Tötung für den Konsum von Tierprodukten wie Fleisch deshalb gerechtfertigt ist. Doch nicht nur die Haltungsbedingungen sind für die allermeisten Tiere nicht artgerecht, auch die Lebensdauer ist weit weg von dem, was sich die Menschen eigentlich erwarten würden. Fakt ist: Für die Fleischproduktion werden Tierkinder getötet.

Geflügel:

Die meisten Tiere leben nur wenige Wochen. Männliche Kücken der Legehennenrasse werden sogar bereits am ersten Lebenstag getötet, weil sie für die Eier-Industrie wertlos sind. Sie können keine Eier legen, setzen aber auch nicht schnell genug Fleisch an, um als konventionelle Masthühner genutzt zu werden. Masthühner werden nach 6 bis 8 Wochen getötet. Legehühner müssen 13 bis 15 Monate Eier legen, bis sie geschlachtet werden. Dabei könnten Hühner bis zu 10 Jahre alt werden. Auch Enten leben nur 7 bis 8 Wochen, bei einer Lebenserwartung von 6 bis 8 Jahren. Gänse werden nach 15 bis 20 Wochen getötet, obwohl sie bis zu 15 Jahre alt werden könnten. Puten werden durchschnittlich nach 5 Monaten getötet, auch sie könnten bis zu 15 Jahre alt werden.
(Foto zeigt ein junges Masthuhn)

Rinder:

Rinder werden mit 3 bis 24 Wochen getötet, um Kalbfleisch zu erhalten, für Rindfleisch werden sie mit ca. 18 Monaten getötet. Am längsten leben Milchkühe, die erst nach durchschnittlich 6 Jahren getötet werden, wenn sie nicht mehr ausreichend Milch geben. Und das, obwohl diese Tiere 15 bis 20 Jahre alt werden könnten. Damit Kühe überhaupt Milch geben, müssen sie regelmäßig Kälber gebären. Selbst Betriebe, in denen Milchkühe länger leben dürfen, verkaufen die anfallenden Kälber in der Regel zur Mast oder direkt zur Schlachtung.
(Foto zeigt junge Mastrinder auf Vollspaltenboden)

Schweine:

Schweine leben nur 6 Monate der möglichen 10 bis 12 Jahre, bevor sie geschlachtet werden. Mutterschweine für die Zucht werden 3 bis 5 Jahre lang zur „Ferkelproduktion“ eingesetzt. In dieser Zeit werden sie immer wieder geschwängert und müssen eine Zeit lang in einem Kastenstand verbringen, wo sie sich praktisch gar nicht bewegen können, außer um sich hinzulegen oder aufzustehen.
(Foto zeigt ein Mutterschwein im Kastenstand mit Ferkeln)

Ziegen und Schafe:

In der Fleischproduktion dürfen Ziegen nur 12 bis 20 Wochen der natürlichen Lebenserwartung von 12 bis 14 Jahren erleben. Lämmer sind erst 5 bis 8 Monate alt, wenn sie getötet werden, obwohl auch Schafe 12 bis 14 Jahre leben könnten. Weibliche Tiere, die für die Zucht oder Milchproduktion genutzt werden, leben im Schnitt 5 Jahre, bis auch sie getötet werden.
(Foto zeigt junge Ziegen und Schafe in einem Mastbetrieb)

Krankheit und Leid

Viele Tiere wurden im Laufe der Domestizierung so weit gezüchtet, dass sie im Laufe ihres Lebens an Erkrankungen und gesundheitlichen Problemen leiden. Vor allem schnell wachsende Tiere für die Fleischproduktion wie Masthühner oder Puten leiden nach nur wenigen Wochen oder Monaten an Lahmheiten oder Schmerzen. Auch viele gerettete Legehennen leiden im höheren Alter an gesundheitlichen Problemen durch den hohen Legedruck. Viele gezüchtete Tiere brauchen bis zu ihrem natürlichen Lebensende, wie es z.B. in Lebenshöfen oder bei privaten Retter:innen erleben dürfen, medizinische Unterstützung. In der kommerziellen Landwirtschaft sind kranke Tiere aber meist zu kostspielig - deshalb werden kranke Tiere eher getötet, obwohl sie noch "genutzt" werden könnten. Tierschutz-Aufdeckungen zeigten außerdem, dass manche tiernutzenden Betriebe Kosten sparen, indem kranke Tiere nicht behandelt, sondern einfach sich selbst überlassen werden.

Insgesamt stirbt ein erheblicher Prozentsatz der Tiere noch vor der Schlachtung an den schlechten Haltungsbedingungen, an Qualzucht oder Krankheiten und Verletzungen - ihre Körper landen in der Tierkörperverwertung. Sie werden als "Ausfälle" bezeichnet und sind in der Landwirtschaft inkalkuliert.

Was heißt "natürliche Lebenserwartung"?

Auch wenn den meisten Menschen klar ist, was unter der "natürlichen Lebenswartung" eines Tieres zu verstehen ist, sollte der Begriff an dieser Stelle doch noch einmal genauer erklärt werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Die natürliche Lebenserwartung bezeichnet das Alter, das Tiere einer Art im Schnitt erreichen können, wenn sie nicht geschlachtet werden oder ihre Gesundheit nicht durch schlechte Haltung oder die Nutzung durch den Menschen beeinträchtigt wird (wodurch die Lebenserwartung stark reduziert werden kann). Diese Definition bezieht sich vor allem auf sogenannte "Nutztiere", die durch Zucht oder ihre Lebensumstände oft vom Menschen abhängig sind.

Das Aufzeigen des großen Unterschieds zwischen dem Schlachtalter und der natürlichen Lebenserwartung soll hingegen kein direkter Vergleich zwischen "Nutztieren" und Wildtierarten sein. Das Leben in Freiheit birgt gerade für sehr junge Wildtiere einige Gefahren, die Sterblichkeit ist hoch. Lebensraumverlust, Bejagung durch den Menschen, Verkehrsunfälle und etliche weitere Faktoren können Wildtiere bedrohen. Manche Vertreter:innen der Landwirtschaft1 versuchen, das junge Schlachtalter damit zu verteidigen, dass viele Wildtiere auch jung sterben. Doch diese Argumentation geht völlig an der Tierschutz-Kritik vorbei und rechtfertigt das Töten keineswegs.

Der entscheidende Unterschied ist, dass wir Menschen ein System geschaffen haben, in dem zig Milliarden (!) junger "Nutztiere" Jahr für Jahr geschlachtet werden, obwohl wir das überhaupt nicht so machen müssten. Auch wenn wir in das Leben von Wildtieren nicht unbedingt eingreifen sollten (oder können), haben wir es absolut in der Hand, was mit "Nutztieren" passiert. Es ist unsere Verantwortung. Wir Menschen haben sie domestiziert und gezüchtet. Also sind wir auch für ihr Leben verantwortlich.

Der Vergleich zwischen Schlachtalter und natürlicher Lebenserwartung soll aufzeigen, wie groß der Unterschied zwischen dem Leben eines Hausschweins auf einem Lebenshof ist, das bis zu seinem natürlichen Tod glücklich leben kann, und einem Hausschwein in einer Mastanlage für die Fleischproduktion ist. Er soll den Unterschied zwischen geretteten Hühnern zeigen, die gut versorgt werden, und jenen Hühnern, die für die Fleisch- oder Eierproduktion getötet werden.

(1 Sabine Leopold: Alter von Nutztieren – PETAs Mär von der natürlichen Lebenserwartung, agrarheute.com)

Alternativen

Es gibt heute für die allermeisten Menschen keine Notwendigkeit mehr, Tiere zu essen. Pflanzliche Alternativen haben den Einzug in den Supermarkt und die Gastronomie längst geschafft. Wer die vegane Ernährung einmal ausprobieren möchte, kann sich für den veganen Monat der Veganen Gesellschaft Österreich anmelden, um einen Monat lang Rezepte und Tipps per E-Mail zu bekommen.