Verein gegen Tierfabriken
Verein gegen Tierfabriken
Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (Mai 2023)
Nachdem der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN erst im Mai 2023 den Leidensweg von vier österreichischen Kälbern nach Italien dokumentiert hat – zwei davon landeten sogar in einem Schlachthof in Süditalien – wurde nun ein weiterer Horror-Transport nach Italien aufgedeckt: Während einige Kälber in einer der größten Kälbermastfabriken Europas landeten, wurde ein anderer Teil bis an die italienisch-französische Grenze transportiert.
Der beschwerliche Weg der Kälber begann am 26.06.2023 in zwei Milchbetrieben im Bezirk Vöcklabruck (OÖ) und Salzburg-Umgebung (Sbg.). Diese verkauften sie auf einem Kälbermarkt im Bezirk Vöcklabruck an einen Tiroler Viehhändler. Der wiederum verfrachtete die beiden zunächst zu seinem mehr als 230 Kilometer entfernten Handelsstall im Bezirk Schwaz in Tirol und anschließend in einen Wartestall in der norditalienischen Provinz Treviso. Für die Kälber bedeutete dies mindestens fünf Stunden weitere Fahrzeit und damit enormen Stress.
Für einen Teil der Kälber, darunter der am 05.05. in Salzburg geborene Ralf, ging es am übernächsten Tag, dem 28.06., weiter bis zu einer Masthalle in der Provinz Cuneo an der italienisch-französischen Grenze! Ralf musste also einen weiteren Transport von ca. 453 km ertragen – was etwa 7,5 Stunden Fahrtzeit entspricht – bevor er nach insgesamt mehr als 2 Tagen endlich das für ihn vorgesehene Ziel erreichte.
Ein anderer Teil der Kälber, darunter der am 03.05. in Oberösterreich geborene Tommi, wurde ebenso wie Ralf zwei Tage später, also am 28.06., weitertransportiert. Vom Wartestall in der Provinz Treviso aus wurden die Kälber in eine nahegelegene Kälbermastfabrik gigantischen Ausmaßes gekarrt, wo sie der blanke Horror erwartete. Was Tommi und die anderen jungen Kälbchen dort – in einer der größten Kälbermastfabriken Europas – erwartete, entzieht sich allem, was sie zu einem auch nur annehmbaren, geschweige denn lebenswerten Leben benötigen. In zwölf riesigen Hallen fristen die Kälber auf artwidrigen, harten Vollspaltenböden, zum Teil mit Kot verschmiert, ein trostloses Dasein bis sie schließlich ihr Schlachtgewicht erreicht haben und auf den letzten Teil ihres qualvollen Lebensweges geschickt werden: zu einem Schlachthof.
Das Leid österreichischer Kälber auf Langstreckentransporten in andere EU-Mitgliedsstaaten wurde schon vielfach dokumentiert. Unter gewöhnlichen Bedingungen nehmen Kälber bis zu 10l Flüssignahrung pro Tag zu sich. Doch während der Langstreckentransporte werden sie oft unzählige Stunden lang nicht gefüttert und leiden unter ungeheurem Hunger und großem Stress. Hinzu kommt noch, dass die Haltungsbedingungen in ausländischen Kälbermastfabriken meist unter dem in Österreich geltenden gesetzlichen Mindeststandard liegen. Beispielsweise muss laut Anlage 2 Abs 3.1. der 1. Tierhaltungsverordnung1 für Kälber unter 150 kg eine „trockene, weiche und verformbare Liegefläche“ vorhanden sein. Wie das im Zuge der Recherche entstandene Bildmaterial zeigt, finden die österreichischen Kälber in den italienischen Betrieben keineswegs solche Bedingungen vor.
1 Verordnung über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden, Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen (1. Tierhaltungsverordnung), BGBl. II Nr. 485/2004 vom 17.12.2004 idf BGBl. II Nr. 296/2022
LANGSTRECKENTRANSPORTE ALS KURZSTRECKENTRANSPORTE DEKLARIERT
Diese Aufdeckung lenkt zudem abermals den Fokus auf den schon seit langem kritisierten Umstand, dass sich die gängige Praxis der Langstreckentransporte oft jenseits der Schwelle zur Illegalität abspielt. Wie die dem VGT vorliegenden TRACES-Daten1 zeigen, wurde als Versandort der Firmensitz des Viehhändlers in Weer angegeben, wohingegen der tatsächliche Versandort das oberösterreichische Regau war. Art. 2 lit. r der europäischen Tiertransportverordnung (TTVO)2 definiert den Versandort als den „Ort, an dem ein Tier erstmals auf ein Transportmittel verladen wird, vorausgesetzt, es war vor seinem Versand während mindestens 48 Stunden an diesem Ort untergebracht.“ Gemäß Art. 2 lit. r können auch Sammelstellen als Versandorte gelten, wenn „i) die zwischen dem ersten Verladeort und der Sammelstelle zurückgelegte Entfernung weniger als 100 km beträgt oder ii) die Tiere während mindestens sechs Stunden vor ihrem Versand von der Sammelstelle mit ausreichend Einstreu und Frischwasser unangebunden untergebracht waren“. Die Entfernung zwischen Regau und dem Firmensitz des Viehhändlers beträgt jedoch mehr als 200 km und die Kälber befanden sich weniger als 6 Stunden lang bei der Sammelstelle des Viehhändlers in Tirol. Rechtlich muss daher als tatsächlicher Versandort die Tierzuchthalle in Regau gelten, zu der die Kälber am Vormittag von ihren nahegelegenen Heimatbetrieben zur Versteigerung gebracht wurden, bevor sie nach Weer und von dort weiter nach Italien transportiert wurden.
Zudem entspricht auch der im TRACES-Transportdokument angegebene Zielort des Transports nicht der Realität. Angegeben ist dort als sogenannter Bestimmungsort ein Wartestall in Nordost-Italien in der Provinz Treviso. Als Bestimmungsort gilt ein Ort laut Artikel 2 lit. s der TTVO jedoch nur, sofern ein Tier dort von einem Transportmittel entladen und während mindestens 48 Stunden vor seiner Weiterbeförderung untergebracht oder an diesem Ort geschlachtet wird. Keine der beiden Bedingungen waren im gegebenen Fall erfüllt, denn Ralf und Tommi wurden bereits nach weniger als 48 Stunden in unterschiedliche Masthallen weitertransportiert. Gemäß Art. 2 lit. j ist eine lange Beförderung – also ein Langstreckentransport – als Transport definiert, der länger als 8 Stunden dauert. Den Angaben im TRACES-Transportpapier entsprechend handelte es sich folglich um einen Kurzstreckentransport, denn von Weer aus ist der Wartestall in der Provinz Treviso in weniger als 8 Stunden erreichbar, selbst für einen Tiertransporter. Tatsächlich wurde im TRACES-Transportdokument jedoch nicht einmal die eigentlich verpflichtende Angabe der geschätzten Beförderungsdauer gemacht. Zusammen mit den anderen Angaben soll sie der Behörde im Vorhinein ermöglichen, die Rechtmäßigkeit des geplanten Transports zu beurteilen. Faktisch hat es sich bei den Transporten von Ralf und Tommi also um Langstreckentransporte gehandelt, für die strengere Auflagen als für Kurzstreckentransporte gelten und deren tatsächliche Versand- und Bestimmungsorte nicht den Angaben im TRACES-Transportdokument entsprachen. Ralfs und Tommis Transporte waren daher illegal.
Die aufgedeckten Missstände sind nur eines von unzähligen Beispielen, denn völlig achtlos werden jedes Jahr Zehntausende von Milchkälbern aus rein wirtschaftlichen Beweggründen auf langen, qualvollen Transporten aus Österreich exportiert und Haltungsbedingungen ausgesetzt, die nicht einmal den österreichischen gesetzlichen Mindestanforderungen genügen. Dies offenbart die Gehaltlosigkeit der Bekenntnisse Österreichs zur Vorreiterrolle im Tierschutz und widerspricht klar dem Tierschutz als österreichischer Staatszielbestimmung.
Hilf uns, durch deine Stimme Druck auf die Politik auszuüben, um das Leid der Kälber durch die grauenvollen Langstrecken-transporte endlich zu stoppen!
1 TRACES (Trade Control and Expert System) ist ein 2004 von der Europäischen Union eingeführtes Datenbanksystem zur Erfassung des Tierverkehrs innerhalb der EU sowie aus der EU und in die EU.
2 Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97
Diese Petition richtet sich an die österreichische Bundesregierung.