Verein gegen Tierfabriken
Verein gegen Tierfabriken
Wien, 22. Mai 2025
Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (22.05.2025)
Haltungskennzeichnung jetzt: NGO-Allianz stellt Positionspapier vor
Während Landwirtschaftsvertreter:innen derzeit mit dem Handel eine freiwillige Tierhaltungskennzeichnung verhandeln, fordern NGOs eine verpflichtende Kennzeichnung und präsentieren wesentliche Kriterien einer solchen in einem gemeinsamen Positionspapier.
Österreichische Tier-, Umwelt- und Konsument:innenschutzorganisationen positionieren sich heute mit der Präsentation eines Positionspapiers für eine starke Haltungskennzeichnung. Die unterzeichnenden Organisationen, darunter der Verein Gegen Tierfabriken, Tierschutz Austria, die Tierschutzombudsstelle Wien, Foodwatch, die Gesellschaft !Zukunft Tierwohl!, der Verband ProTier, Vier Pfoten und Greenpeace, sehen in einer verbindlichen Haltungskennzeichnung ein zentrales Werkzeug für echte Wahlfreiheit und verbesserten Tierschutz.
Auslöser für den Vorstoß ist die kürzlich beschlossene neue Vollspaltenboden-Regelung, die bei Tierschutzorganisationen auf breite Ablehnung stößt. Denn damit wird eine abgewandelte Version des Vollspaltenbodens der neue Standard werden. Schweine müssen weiterhin auf Betonböden mit scharfkantigen Spalten und ohne weiche Stroheinstreu leben. Das Leid der Tiere bleibt bestehen. Solche untragbaren Zustände in den Haltungssystemen müssen auf Produkten klar und unmissverständlich sichtbar gemacht werden. Die Organisationen identifizieren im Positionspapier wesentliche Kriterien für eine unmissverständliche und sinnvolle Haltungskennzeichnung.
Ampelsystem statt Herkunftsillusion
Das Positionspapier schlägt ein fünfstufiges farbiges Ampelsystem vor, das für Verbraucher:innen auf einen Blick verständlich ist. Nur so besteht genügend Transparenz, um eine bewusste Entscheidung der Konsument:innen für höhere Standards zu ermöglichen. Studien belegen, dass aussagekräftige, visuelle Orientierungssysteme das Konsumverhalten nachhaltig beeinflussen können. Trotzdem stellt sich eine der großen Handelsketten gegen das vorgeschlagene farbliche System. Für die NGOs ist das ein fatales Signal.
Entscheidend für die Einteilung der Produkte in die jeweilige Stufe können nur die tatsächlich bestehenden Haltungsbedingungen sein, nicht das Herkunftsland. Produkte, die unter der Anwendung von tierschutzwidrigen Praktiken entstehen, sind ausnahmslos der schlechtesten Stufe zuzuordnen. Dazu zählen etwa die Haltung auf Vollspaltenboden, die ganzjährige oder temporäre Anbindehaltung sowie die betäubungslose Kastration und das Kupieren des Schwanzes bei Schweinen.
Verbesserungsbedarf bei der Tierhaltung auch in der Bioproduktion
Auch wenn die biologische Landwirtschaft in vielen Bereichen bessere Bedingungen für Tiere bietet als die konventionelle, ist ein Bio-Siegel allein noch kein Garant für die bestmögliche Tierhaltung. Beispielsweise ist die temporäre Anbindehaltung von Milchkühen auch im Bio-Sektor noch möglich. Auch gibt es in der EU-Bioverordnung keine gesonderten Richtlinien zur Schlachtung. Die höchste Stufe der Haltungskennzeichnung darf daher nicht automatisch Bio-Produkten vorbehalten sein. Auch in der besten Stufe müssen konsequent Haltungskriterien erfüllt werden, die deutliche Verbesserungen gegenüber den darunter liegenden Stufen darstellen. Bio-Produkte, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind in niedrigeren Stufen einzuordnen. Initiativen, die den Tieren bessere Bedingungen über Bio-Richtlinien hinaus bieten, müssen durch die Haltungskennzeichnung hervorgehoben werden können.
Laufende Verbesserungen müssen inbegriffen sein
Mit einer sinnvollen Umsetzung der Haltungskennzeichnung eröffnet sich eine bedeutende Chance, das Niveau der Tierhaltung in Österreich über die kommenden Jahre nachhaltig anzuheben. Jede Stufe sollte klar definierte Kriterien repräsentieren. Diese dürfen aber nicht in Stein gemeißelt sein, sondern müssen auf laufende Verbesserungen abzielen. Mit der Einführung der Haltungskennzeichnung fordern die unterzeichnenden Organisationen gleichzeitig die Festlegung ambitionierter Ziele für erste Fortschritte innerhalb der einzelnen Stufen. Um die kontinuierliche Weiterentwicklung der Kennzeichnung dauerhaft zu gewährleisten, muss die Verwaltung und Weiterentwicklung jedenfalls einer transparent besetzten und arbeitenden Organisation unter Einbeziehung verschiedener Stakeholder:innen unterliegen, die neutral und unabhängig agiert. Die AMA-Marketing oder andere Standard-Betreiber:innen sieht die Tierschutz-Allianz nicht in dieser Rolle, da sie selbst Gütesiegel ausstellen und daher befangen sind.
Qualzucht als wichtiges Kriterium
Landwirtschaftlich genutzte Tiere werden seit Jahrzehnten auf außerordentliche “Leistung” gezüchtet. Ohne ausreichend Rücksichtnahme auf die Gesundheit der Tiere werden durch gezielte Selektion unnatürliche physische Merkmale hervorgerufen. Diese Zuchtpraktiken verursachen schwerste gesundheitliche Probleme. Obwohl Qualzucht per Tierschutzgesetz verboten ist, sind qualgezüchtete „Nutztier“-Rassen derart im System verankert, dass ein sofortiger Ausschluss nicht in allen Bereichen möglich ist. Für die Haltungskennzeichnung fordern die unterzeichnenden Organisationen daher einen konkreten Plan zur schrittweisen Umstellung auf nachweislich weniger belastete „Nutztier“-Rassen. Dort, wo solche bereits verfügbar sind, müssen sie als Kriterium für den Aufstieg in höhere Stufen herangezogen werden. Verbesserte Haltungssysteme sind essenziell, doch krank gezüchtete Tiere leiden auch in diesen. Die Weiterentwicklung der Haltung muss daher Hand in Hand mit der Abschaffung der Qualzucht gehen.
Alle Lebensphasen und Produktgruppen einbeziehen
Die NGOs fordern, dass die Kennzeichnung alle Lebensphasen des Tieres – also Aufzucht, Haltung, Transport und Schlachtung – umfasst. Auch verarbeitete Produkte wie Joghurt, Wurst oder Fertiggerichte sollen einbezogen werden. Die geplante Kennzeichnung darf sich nicht ausschließlich auf Frischfleisch beschränken. Zudem plädieren die Organisationen dafür, die Kennzeichnung zeitnah auf die Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung auszuweiten, denn dort haben Konsument:innen besonders wenig Einblick in die Herkunft und Haltung der Tiere.