Verein gegen Tierfabriken
Verein gegen Tierfabriken
Wien, 18.09.2025
Selbstversuch "Langstrecken-Tiertransport"
Von 3. bis 4. September 2025 wagte Tierschützerin Isabell ein Experiment der etwas anderen Art. Sie verbrachte 29 Stunden in einem aus Holz und in dem auf den Menschen umgewandelten Größenmaßen nachgebauten "Tiertransporter" - ohne Nahrung oder Wasser. Sie berichtet von dem, was sie dabei erlebt und gelernt hat.
Warum?
Diese Bedingungen sind die traurige Realität für unzählige Tiere, die auf Langstrecken-Transporten quer über den Globus gekarrt werden.
Für Rinder, Schafe und Ziegen gilt dabei EU-weit eine maximale Transportzeit von 29 Stunden. Erst danach müssen sie für mindestens 24 Stunden abgeladen und versorgt werden.
Anschließend können sie wieder 29 Stunden transportiert werden.
Dieser Ablauf kann theoretisch unendlich wiederholt werden.
Ich wollte am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, eine derart lange Zeit auf engem Raum zu verbringen, ohne dabei meinen Grundbedürfnissen nachgehen zu können.
In meiner Tätigkeit als Tiertransport-Campaignerin fahre ich regelmäßig Transportern hinterher. Oft handelt es sich dabei um Transporte von wenigen Wochen alten Kälbern oder von jungen, schwangeren Kühen (sogenannten Kalbinnen) von österreichischen Milchbetrieben in weit entfernte Länder wie Spanien oder die Türkei.
Um all das, was unsere sensiblen Mitgeschöpfe auf Langstrecken-Transporten durchmachen müssen, zumindest ansatzweise nachvollziehen zu können, begab ich mich also in einen kleinen Tiertransporter aus Holz vor dem Parlament in Wien.
Da ich im Alltag (leider) sehr wenig trinke, dachte ich, dass Durst für mich kein Thema werden wird. Mehr Sorgen bereitete mir der zunehmende Hunger. Nach den ersten paar Stunden hat sich mein Körper jedoch daran gewöhnt und das Hungergefühl unterdrückt. Anders war es mit dem Durst: Je mehr Zeit verging, desto schlimmer wurde er. Durch Kaugummi-Kauen hab ich mich ablenken und die zunehmende Austrocknung meines Mundraums hinauszögern können.
Rinder, Schafe und Ziegen haben natürlich keine Kaugummis. Stattdessen kauen oder lecken sie an Gitterstäben, Wänden, an der Stroheinstreu oder anderen Elementen, die sie finden können.
Die Nacht war sehr unbequem und laut, schlafen konnte ich kaum. Der Verkehrslärm riss mich immer wieder aus dem Schlaf. Der Boden des Tiertransporters war hart und er war zu kurz, als dass ich mich ganz ausstrecken konnte. Immerhin war ich alleine und musste mich nicht auch noch mit mir völlig fremden Individuen um jeden Quadratzentimeter streiten, so wie es für die Tiere oft der Fall ist. Auch musste ich nicht in meinen eigenen, gemischt mit fremden, Exkrementen schlafen. Die Tiere haben auch da gar keine andere Wahl.
Am zweiten Tag gegen Mittag wurde es immer heißer, da die Sonne genau auf den Transporter prallte. In Kombination mit dem Wasser-, Schlaf- und Nahrungsmangel ging es mir zunehmend schlechter, sodass ich gegen Ende der Aktion auch nicht mehr imstande, Gespräche mit Passant:innen zu führen.
Ich lag nur noch da und wartete, bis die 29 Stunden endlich vorbei waren.
Dankenswerterweise war Elia, eine pensionierte Ärztin, vor Ort, um regelmäßig meinen Gesundheitszustand zu überprüfen.
Als es endlich vorbei war und ich aufstehen wollte, teilte sie mir mit, dass meine Puls- und Blutdruck-Werte nicht im optimalen Bereich lägen und ich mich lieber nochmal hinlegen solle, um keinen Kreislaufkollaps zu bekommen.
Durch langsames Aufstehen und gemäßigte Flüssigkeitsaufnahme ging es aber schon nach kurzer Zeit wieder.
Am meisten belastet hat mich jedoch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Ich bin generell sehr sportlich und aktiv und bewege mich gerne an der frischen Luft.
Auch Rinder haben ein stark ausgeprägtes Bewegungsbedürfnis. Natürlicherweise würden Rinder über mehrere Stunden am Tag verteilt im Gehen grasen. Auf diese Weise legen sie viele Kilometer täglich zurück. All das ist am Tiertransporter natürlich nicht möglich (wohlgemerkt: in der Stall- und Anbindehaltung genauso wenig).
Wichtig ist, dass Tiertransporte für die davon betroffenen Lebewesen kein einmaliges „Experiment“ sind, das sie jederzeit abbrechen können. Sie wissen auch während des gesamten Transportvorganges nicht, wie lange sie in einer derart unerträglichen Situation gefangen sein werden.
Dazu kommt, dass sie mit vielen anderen Tieren, die sie nicht kennen und möglicherweise auch gar nicht sympathisch finden, im LKW zusammengedrängt stehen oder liegen müssen. Rinder, Schafe und Ziegen sind hochgradig soziale Wesen – im Tiertransporter haben sie keine Möglichkeit, einander aus dem Weg zu gehen.
Jedes Tier hat eine eigene Persönlichkeit. Sie können Freundschaften schließen, sich freuen, lieben, trauern, miteinander interagieren, Aufgaben lösen, sich an Ereignisse erinnern und vieles mehr. Umso trauriger ist es, dass sie von der Tierindustrie wie Produkte behandelt und ohne Skrupel quer durch die Welt verfrachtet werden, als wären sie ein Handelsprodukt, eine Sache ohne Bewusstsein, Empfindungsfähigkeit und Bedürfnisse.
Das Fazit
Viele Faktoren, unter denen Tiere auf Transporten leiden müssen, blieben mir bei dieser Aktion erspart: Zum Beispiel die Ungewissheit über die Dauer des Transportes und den Zielort, sowie das Schicksal, das sie dort erwartet, Schläge oder Elektroschocks beim Hinein- und Hinaustreiben, das erneute Ausharren im Tiertransporter für 29 Stunden nach der 24-Stunden Pause.
Außerdem war ich nicht mit fremden Individuen dicht aneinander gedrängt und musste auch nicht auf meinen eigenen und fremden Fäkalien verharren.
Zusätzlich hatte ich sehr viel Unterstützung von anderen Tierschützer:innen des VGT, die mir gut zusprachen und die ganze Zeit vor Ort waren, um auf mich zu schauen und Passant:innen zu informieren. Positiv waren auch die Gespräche mit und das Feedback von diesen Menschen.
Trotz allem waren selbst die paar wenigen Belastungen von Tiertransporten, die wir imitieren konnten, schlimm genug, dass ich diese Erfahrung kein zweites Mal durchmachen möchte.