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Das Tiertransport-Schiff Spiridon II startete am 19. September in Uruguay. (Foto: Animal Welfare Foundation / Animal Save Movement Türkiye)
Symbolbild: Die Zustände in Tiertransport-Schiffen können für die Tiere sehr schnell lebensbedrohlich werden. (Foto: Animal Welfare Foundation / Animal Save Movement Türkiye)

Weltweiter Skandal um Tiertransport-Geisterschiff – VGT und The Marker vor Ort in Gibraltar

Der schockierende Fall des Tiertransport-Schiffes Spiridon II schlägt derzeit hohe Wellen. Das über 50 Jahre alte Schiff sollte knapp 3.000 Rinder - etwa die Hälfte davon schwanger - von Uruguay in die Türkei transportieren. Die Entladung der Tiere im türkischen Hafen Bandırma wurde jedoch von den Behörden verweigert. Wochenlang waren die Tiere gezwungen, vor der Küste am Transporter auszuharren. Aktuell ist die Spiridon II wieder auf dem Weg zurück nach Uruguay. Seit fast drei Tagen ist sie jedoch vom Radar verschwunden. Man muss davon ausgehen, dass das Ortungssystem des Schiffs absichtlich ausgeschaltet wurde.

Was bisher geschah

Am 19. September 2025 startete die Spiridon II im Hafen von Montevideo den Transport von fast 3.000 Rindern aus Uruguay, etwa die Hälfte von ihnen schwanger, in die Türkei. Nach ihrer Ankunft im Hafen Bandırma über einen Monat danach, wurde das Abladen der Tiere von türkischen Behörden untersagt. Fehlende Chips und Ohrmarken sowie Probleme mit den Dokumenten von ungefähr 500 Rindern führten dazu, dass diese und auch alle anderen in der Türkei nicht an Land gehen durften. Mehrere Wochen saßen die Tiere und die Crew vor der Küste fest. Aufgrund des steigenden Drucks der Medien und der Öffentlichkeit durfte das Schiff am 9. November kurz anlegen, um zumindest Futter für die Tiere aufzuladen, diese durften jedoch weiterhin nicht an Land gehen.1

Laut Schiffsradar-Apps, welche es durch AIS-Daten (Automatisches Identifikationssystem) möglich machen, die Position von Schiffen zu verfolgen, befindet sich die Spiridon II seit 14. November wieder auf dem Weg zurück nach Uruguay. Dort soll sie angeblich Mitte Dezember ankommen.

Die Spiridon II im türkischen Hafen von Bandırma. (Foto: Animal Welfare Foundation / Animal Save Movement Türkiye)
VGT-Campaignerin Isabell Eckl bleibt mit dem Rechercheteam von The Marker an dem Fall dran.

Seit Tagen vom Radar verschwunden

Allerdings sendet die Spiridon II, seit fast drei Tagen (Stand 21. November, 14 Uhr) kein Signal mehr, was es unmöglich macht, ihre Position zu bestimmen und ihren Weg vorherzusagen.2 Es ist anzunehmen, dass das Signal absichtlich abgeschaltet wurde, um die Lokalisierung des Schiffes durch Tierschutzorganisationen unmöglich zu machen. Wir gehen zudem davon aus, dass die Besatzung illegal Tierkadaver und Gülle im Mittelmeer entsorgte, während der Standort des Schiffs unbekannt war. VGT-Campaignerin Isabell Eckl: „Aus unserer Sicht ist das ein skandalöses Vorgehen – das Leid der Tiere soll vor den Augen der kritischen Öffentlichkeit versteckt werden! Außerdem gefährdet die Spiridon II als sogenanntes „Geisterschiff“ die Sicherheit von anderen Schiffen und verstößt damit gegen internationales Seerecht.“

Die Zustände an Bord

Nach monatelanger Seefahrt sind die Zustände auf der Spiridon II naturgemäß katastrophal. Offiziellen Angaben der türkischen Behörden zufolge waren Anfang November bei der Inspektion des Schiffes bereits mehrere Dutzend Rinder verstorben. 140 Kalbinnen hatten bereits Kälber geboren, 90 davon waren „unauffindbar“. Wie viele der Rinder noch am Leben sind, ist unklar. Von der Animal Welfare Foundation, die sich intensiv mit der Spiridon II beschäftigt, wissen wir, dass sich kein:e Tierarzt:ärztin mehr an Bord befinden, da der Tierarzt oder die Tierärztin, der:die das Schiff von Uruguay in die Türkei begleitet hat, dieses in der Türkei verließ.

Die Situation dürfte sich inzwischen dramatisch verschlechtert haben. Es ist davon auszugehen, dass die hygienischen Bedingungen verheerend sind, die Tiere stehen seit Monaten in ihren eigenen Exkrementen. Hitze, Platzmangel, Futter- und Wasserknappheit fordern ebenfalls ihren Tribut. Die Überlebenschancen der Kälber, die unter diesen Bedingungen geboren werden, gehen gegen null. Der VGT und andere Tierschutzorganisationen bezweifeln, dass überhaupt Rinder diese Tortur überleben werden.3

Verstrickung einer österreichischen Export-Firma

Recherchen der investigativen Plattform The Marker legen zudem nahe, dass eine österreichische Export-Firma in die Geschehnisse rund um die Spiridon II verstrickt sein könnte. Das österreichische Unternehmen, welches an der Verladung der Rinder in Uruguay beteiligt gewesen sein dürfte, exportiert unter anderem auch österreichische Rinder per Schiff nach Algerien.4

VGT gemeinsam mit The Marker vor Ort in Gibraltar

Tiertransport-Campaignerin Isabell Eckl vom VGT ist derzeit gemeinsam mit Journalist:innen von The Marker nahe der Straße von Gibraltar, um die Spiridon II vor ihrer Durchfahrt vom Mittelmeer in den Atlantik abzupassen und das Tierleid zu dokumentieren.

Updates

21. November, 18:30 | Die Spiridon II hat seit Freitag, 21. November um kurz nach 18 Uhr unserer Zeit wieder Signal. Seit dem wissen wir, dass sie sich vor dem libyschen Hafen Bengasi befindet und dort ankert. Wir gehen davon aus, dass jemand das Schiffsortungssystem einschalten musste, um sich dem Hafen annähern zu dürfen. 
Leider liegen uns noch keine Informationen zum Zustand der auf der Spiridon II gefangenen Rinder vor. Warum das Schiff vor Libyen ankert und ob und wann sie in den Hafen einfahren werden, ist derzeit auch noch unklar.

22. November, 14:00 | Das Schiff hat soeben am Hafen von Bengasi in Libyen angedockt. Der Zustand der Tiere ist weiterhin unbekannt.

24. November | Laut der Animal Welfare Foundation wurde mindestens ein Teil der Rinder am Hafen von Bengasi abgeladen (die Animal Welfare Foundation berichtet von 2700 Tieren). Der Gesundheitszustand der noch lebenden Rinder bleibt weiterhin unbekannt. Auf einem Satellitenbild vom Vortag (23. November 2025, 09:39 UTC), das uns The Marker gezeigt hat, sieht man zwölf Tiertransporter vor der Spiridon II parken. Einer davon steht mit dem Heck in Richtung Schiff ausgerichtet. Daneben sieht man Vorrichtungen, die als provisorische Absperrung dienen könnten, damit die Tiere gezwungen sind, direkt auf den LKW zu gehen, und sie nicht flüchten können. Außerdem parken zumindest vier PKWs in unmittelbarer Nähe zur Andockstelle. 
Um 10:48 (Ortszeit, UTC+2) verlässt die Spiridon II den libyschen Hafen. Laut der Schiffverfolgungsplattform MarineTraffic fährt sie zum ägyptischen Hafen Alexandria, wo sie am Donnerstag, dem 27. November, um 19:00 (UTC+2) ankommen soll. Das könnte darauf hindeuten, dass sich nach wie vor Tiere auf dem Schiff befinden. Dagegen spricht, dass auf dem Satellitenbild kein Heu an Bord zu sehen ist. Etwa drei Stunden nach dem Verlassen des Hafens verschwindet das Tiertransportschiff wieder vom Radar und fährt abermals als Geisterschiff weiter.

26./27. November | Das Schiff ändert seinen Zielhafen von Alexandria auf Beirut. Dort soll es am 27.11. um 12 Uhr Ortszeit ankommen.


Wir bleiben dran und aktualisieren diesen Artikel laufend.

Protest in Wien

Der VGT demonstrierte am 26. November in Wien gegen qualvolle Tiertransporte auf hoher See. Die Aktivist:innen gedachten der getöteten Rinder der Spiridon II und fordern ein Ende von Drittlandexporten, insbesondere per Schiff. Der VGT sammelt weiterhin Unterschriften für dieses wichtige Anliegen. Hier geht es zur Petition!

Timeline

20. September 2025

Abfahrt der Spiridon II aus Montevideo (Uruguay) mit 2.901 Rindern an Bord, etwa die Hälfte davon schwanger.

22./23. Oktober 2025

Ankunft in Bandırma (Türkei). Türkische Behörden verweigern die Einfuhr wegen schwerer Dokumentationsmängel. Das Schiff wird festgesetzt.

31. Oktober 2025

Verlegung vom Hafen an einen Ankerplatz vor der türkischen Küste.

8. November 2025

Kurzzeitige Rückkehr in den Hafen zur Nachladung von Futter – Tiere bleiben an Bord.

9. November 2025

Rückfahrt zum Ankerplatz – weiterhin keine Entladung der Tiere.

14. November 2025

Abfahrt Richtung Uruguay – angegebene Ankunftszeit ist der 14. Dezember

18. November 2025, 16:41 UTC

Letztes AIS-Signal der Spiridon II. Das Schiff ist seither nicht mehr ortbar.

21. November 2025, 17:12 UTC

Spiridon II taucht plötzlich vor libyschen Hafen Bengasi auf und ankert dort - Zustand der Tiere unbekannt

22. November 2025, 12:45 UTC

Spiridon II dockt am Hafen von Bengasi in Libyen an - der Zustand der Tiere ist weiterhin unbekannt

23. November 2025

Rinder werden (zumindest teilweise) in Bengasi abgeladen – ein Satellitenbild zeigt 12 Tiertransporter vor dem Schiff.

24. November 2025, 8:48 UTC

Schiff verlässt Hafen in Richtung Alexandria, Ägypten, und verschwindet wieder vom Radar; erwartete Ankunft am 27.11.2025 um 17:00 UTC.

26. November 2025

VGT demonstriert in Wien für die Rinder der Spiridon II

27. November 2025

Spiridon II ändert Zielhafen auf Beirut, Libanon; erwartete Ankunft am 27.11.2025 um 10:00 UTC