Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (14.01.2007)
Wien, am 14.01.2007Jäger außer Rand und Band
Mittwoch angeschossene Frau schwerer verletzt als ursprünglich angenommen - ständige Unfälle und Amokläufe lassen Ruf nach Psychotest für Jäger lauter werden
Die 49-jährige Frau aus Seebarn, die Mittwochfrüh von einem Jäger im Zwentendorfer Auwald angeschossen wurde, ist schwerer verletzt als ursprünglich bekannt wurde. Das Projektil traf sie laut Auskunft der Ärzte in der Brust und trat im Gesäß aus. Ihr rechtes Bein ist gelähmt. Ob das ein bleibender Schaden ist, ist nicht bekannt. Lebensgefahr bestehe laut behandelnden Medizinern aber nicht mehr.
Beim Wildschweinjagen übersehen
Mittwochvormittag wurden auch weitere Details
zu dem Jagdunfall in Zwentendorf bekannt.
Der Jäger, der offenbar Wildschweine
schießen wollte, dürfte die Frau
nicht gesehen haben.
Sie schnitt mit einem Kollegen Holz und dürfte
sich gerade gebückt haben, als der Jäger
den Abzug betätigte und der Frau damit
eine Kugel durch den halben Körper jagte.
Gegenüber der Polizei beharrte der 26-jährige
Wiener darauf, er habe auf ein Wildschwein
geschossen, das angeblich in etwa 30 Metern
Entfernung vorbei gelaufen sei. Dann habe
er den Schrei der Forstarbeiterin gehört,
die von dem Projektil getroffen wurde. Der
26-Jährige jagte gemeinsam mit mehreren
Jägern.
„Unerklärlich"
Aus dem Landesjagdverband hieß es in
einer ersten Stellungnahme, es sei „völlig
unerklärlich“, wie so etwas passieren
könne.
Die oberste Regel des Jagens sei, dass auf
ein Ziel, das nicht zweifelsfrei erkennbar
sei, nicht geschossen werden darf. Dass diese
hehren Grundsätze scheinbar nicht allzu
viel Gehör in der österreichischen
Jägerschaft finden, beweist die Tatsache,
dass dieser Vorfall sich in eine lange Kette
ähnlicher Vorfälle einreiht.
Beispiele menschlicher (Todes)opfer der Jagd
- Präsenzdiener erschossen
Erst vor einigen Jahren wurde ein zwanzigjähriger Präsenzdiener im burgenländischen Pinkafeld von einem „routinierten“ Jäger, der auf Nachtjagd nach Wildschweinen war, in den Kopf geschossen. Der Jäger hatte in der Dunkelheit einfach in die Landschaft geschossen, doch statt dem vermeintlichen Wildschwein tötete er den Burschen, der sich mit Kameraden gerade in einer Militärübung befand. - Kugel schlug in fahrendes Auto
ein
Am 3. Dezember drang die Kugel aus dem Gewehr eines Jägers durch die Tür eines auf der Autobahn fahrenden Autos nahe Brandenburg, Deutschland, und verletzte die Frau auf dem Beifahrersitz schwer. - Pensionistin hatte Glück
im Unglück
Glimpflich verlief ein weiterer aufsehenerregender Vorfall Ende 2005: Während eine Pensionistin beim Frühstück saß, schlug neben ihr eine Kugel ein und das Fensterglas zersplitterte.
„Ich bin jetzt noch ganz fertig", erzählt Agnes Beber, wenn sie sich an die dramatischen Momente am erinnert: „Ich hab mir von unten die Zeitung geholt und mich zum Tisch gesetzt zum Frühstück. Plötzlich gab es einen lauten Kracher. Ich dachte mir nur: was kommt da jetzt rein?" Die geschockte Frau ging gleich nachschauen: „Überall lagen nur Scherben auf der Stiege herum."
„Die Frau hatte Glück, dass die Kugel aus relativ großer Entfernung von etwa einem Kilometer kam und das Fenster ein dreischichtiges Thermoglas war und dieses nicht vollständig durchschlagen wurde. Denn sie saß in der Schussrichtung, das hätte ganz schlimm ausgehen können", so ein ermittelnder Beamter.
Gewalt und Terror gegen die Normalbevölkerung
Auch willkürliche Aggressionen und regelrechter
Terror der Jägerschaft gegen die Normalbevölkerung
sorgen regelmäßig für Aufregung
und Schlagzeilen.
So hatte beispielsweise ein sogenannter „Aufsichtsjäger"
aus St. Stefan in Kärnten am 16. Juli
in St. Andrä eine Anrainerin mit dem
Schrotgewehr bedroht, weil diese sich über
dessen Schießen auf Krähen beschwert
hatte. Mit den Worten „Willst ah an
Schuss hab'n?" richtete der Mann das
Gewehr auf die Frau. Der 51 Jahre alte Ehemann
kam seiner Gattin zu Hilfe und wurde vom Jäger
ins Gesicht geschlagen.
Gewalt gegen Haustiere
Zu einem unfassbaren Vorfall kam
es Anfang Oktober in Tirol. Der auf einem
nahen Bauernhof lebende 13 jährige Hund
Prinz war selbständig auf die 2.366m
hoch gelegene Meilerhütte im Wettersteingebirge
in Tirol gestiegen. Die Hüttenwirtin,
der der Hund bekannt war, gab das Tier Wanderern
an der Leine mit, um ihn im Tal
beim Bauernhof abzugeben. Am Weg ins Tal entriss
der Revierjäger den Wanderern den Hund,
band ihn an einen Baum und erschoss ihn. Er
sei ein bekannter Wildererhund, gab der Jäger
auf Befragen den ermittelnden Kriminalbeamten
an. Der Hundehalter hingegen gab gegenüber
der Polizei zu Protokoll, sein 13 Jahre alter
Hund, der zudem an Epilepsie leide, sei nicht
mehr in der Lage, Gämsen oder
andere Tiere zu wildern, wie der Täter
unterstellt.
Jener Jäger wurde laut einer
Aussendung des Österreichischen
Tierschutzvereins nun zu drei Jahren
bedingt verurteilt. Die Verhandlung war kurz,
denn die Richterin verurteilte ihn ohne Umschweife.
Der Jäger hat sich drei Tage Bedenkzeit
erbeten. Bei der Polizei gab er zu Protokoll,
„ihm sei die Galle hochgestiegen,
er sei so zornig gewesen, weil er der Meinung
war, der Hund hätte früher bereits
gewildert”. Den erschossenen Hund
habe er mit Reisig bedeckt und liegengelassen,
damit sei der Hund für ihn ausreichend
entsorgt gewesen. Der ÖTV (erstattete
auch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft) wird
beim Tiroler Landesjagdverband den Entzug
der Jagdkarte verlangen, da er diese immer
noch hat.
Gewaltausbrüche und Familientragödien
Doch auch im privaten Umfeld kommt es mit
erschütternder Regelmäßigkeit
zu Tragödien und Katastrophen:
Erst am 6. Jänner hatte ein Jäger
in Schäffern, Bezirk Hartberg in der
Steiermark, seine Frau und seinen Sohn erschossen,
um sich anschließend selbst zu richten.
Im September 2006 rastete in St. Paul im Kärntner Lavanttal ein Jäger aus und erschoss seine 25-jährige Ehefrau. Die Mutter zweier kleiner Söhne war auf der Stelle tot.
Psychotest für Jäger muss
her!
Vorfälle wie diese, aber auch
die zuvor geschilderten mit weniger dramatischem
Ausgang, die speziell in der Jagdsaison praktisch
auf der Tagesordnung stehen, belegen einmal
mehr die dringende Notwendigkeit eines allgemein
verpflichtenden Psychotests bzw. Zuverlässigkeitstests
für Jäger/-innen, wie sie nach der
Tragödie von Schäffern mittlerweile
auch schon von gewichtigen Stimmen innerhalb
der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP
gefordert werden.
Während alle anderen Personen, die
nicht Inhaber einer Jagdkarte sind, bei erstmaliger
Ausstellung einer Waffenbesitzkarte oder eines
Waffenpasses ein Gutachten darüber beizubringen
haben, ob sie zur leichtfertigen Verwendung
von Waffen oder zu unvorsichtigem Umgang mit
Waffen neigen (insbesondere unter psychischer
Belastung), konnte das bei den für psychische
Labilitäten scheinbar besonders anfälligen
Jäger/-innen dank der schützenden
Hand einer übermächtigen Jagdlobby
bisher immer verhindert werden.
Die Verlässlichkeitsprüfung in ihrer
heute gängigen Form ist außerdem
weniger ein wirklicher Psychotest als eine
standardisierte Befragung in Form eines Multiple-choice-Tests.
Inhaber gültiger Jagdkarten, die ja eine
„Jagdprüfung“ hinter sich
haben, sind aber sogar davon bisher leider
ausgenommen. Ein erweiterter und verschärfter
Test ist zu entwickeln, dem sich dann speziell
die angehenden und praktizierenden Jäger/-innen
zu unterziehen haben sollten.
Zusätzlich fordert der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN ein rigoroses Aus-dem-Verkehr-Ziehen der Waffen von JägerInnen, die durch besondere Verantwortungslosigkeit, Skrupellosigleit und Brutalität auffällig geworden sind.