Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (12.12.2006)
Wien, 12.12.2006
Alarmierende Entwicklungen rund um's Wild
Alarmierende Entwicklungen rund um‘s Wild
Wie in anderen Regionen Österreichs auch sind vor allem in Niederösterreich Feldhasen stark im Schwinden. Sogar die Jagdverbände haben bereits zugegeben, dass beim sogenannten „Niederwild“ (Hasen, Fasane, Rebhühner usw.) ein schlechtes Jahr zu verzeichnen ist und in den entsprechenden Populationen beunruhigende Rückgänge zu beobachten sind.
Bei den Hasen gibt es einen Rückgang
von bis zu 50 Prozent, bei den Fasanen um
25 Prozent
In vielen Jagdgebieten wurde „Niederwild“
aus diesem Grund gar nicht gejagt: „Ab
50 bis 100 Hasen pro Hektar kann man jagen
gehen, wir haben, wenn es gut geht, zehn Hasen
auf einem Hektar, da wäre es unverantwortlich,
dann noch zu jagen", so der Präsident
einer niederösterreichischen „Jagdgilde“.
Zurückzuführen ist der Rückgang
beim Niederwild aus wildökologischer
Sicht in erster Linie darauf, dass heuer kein
Mäusejahr war. Wenn es für Füchse
und Raubvögel keine Mäuse gibt,
müssen sie sich von anderen Tieren ernähren,
dann machen Raubtiere vermehrt Jagd auf Hasen
und anderes Kleinwild. Aber auch die unverantwortliche
Bejagung der Hasenpopulationen durch menschliche
Jäger hat zu der bedenklichen Entwicklung
beigetragen.
(Lesen Sie dazu auch die VGT News
Meldung mit dem Titel „Treibjagd
auf Fasane und Hasen gestört"!)
Wildschweinbestände ohne Bejagung
stabil
Anders bei den Wildschweinen: diese sind im
Raum Niederösterreich in ihrer Anzahl
weitgehend stabil geblieben, und das, obwohl
heuer wesentlich weniger Wildschweine getötet
wurden als in den letzten Jahren. Wildschweinnachwuchs
gibt es zwar genug, erlegt wurden heuer aber
wesentlich weniger Schweine als die Jahre
zuvor. Der Bezirksjägermeister der Region
Neulengbach bestätigt, dass im Vergleich
zum Vorjahr nur ein Drittel der Wildschweine
erlegt wurde.
Wenig Schäden durch Wildschweine
Die Schäden durch Wildschweine sind heuer
fast völlig ausgeblieben. Beispielsweise
hat es im ganzen Bezirk Neulengbach kein Verfahren
wegen Schäden durch Wildschweine gegeben.
Ein Faktum, dass der von Jägern oft ins
Treffen geführten Behauptung zur Rechtfertigung
der Jagd massiv widerspricht, Wildschweine
würden ohne drastische Regulation durch
die Jagd ein ernsthaftes Problem für
landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche
Nutzflächen darstellen.
Könnte das eine neue Linie im Umgang
mit Wildtieren sein? Das derzeitig vorherrschende
Paradigma jedenfalls ist weit davon entfernt.
Dem entspricht auch ein Kommentar von der
deutschen Jagdzeitschrift und Jagdinternetplattform
„Die Pirsch“:
Auf die desaströsen Konsequenzen der
viel zu jagdfreundlichen deutschen Jagdgesetzgebung
und die Gewohnheiten mitteleuropäischer
JägerInnen macht ausgerechnet ein angesichts
seiner „Standesgenossen“ skeptisch
gewordener Waidmann aufmerksam und zeichnet
ein Sittenbild, wie es (abgesehen von wenigen
erfreulichen Ausnahmen wie im oben beschriebenen
Fall in Niederösterreich) auch auf österreichische
Verhältnisse zutrifft. Alarmiert vom
vorherrschenden Prinzip, alles abzuknallen,
was irgendwie nach Wildschwein aussieht schreibt
er:
„Bei allen jagdlichen Freuden, die
uns das Schwarzwild [die Wildschweine, Anm.
des VGT] beschert, sind wir leider nicht in
der Lage – und zwar republikweit –
so mit den Sauen umzugehen, dass man von sozialbiologisch
stabilen Beständen sprechen könnte.
Trotz Schwarzwildringen, Hegegemeinschaften
und Ähnlichem, die bedauernswerterweise
häufig nur auf dem Papier funktionieren,
kann wohl gegenwärtig kaum irgendwo der
Nachweis einer nachhaltigen Altersklassenhege
erbracht werden. Dazu gehören eine befriedigende
Anzahl an Leitbachentypen und reifen Keilern
(ab 5 Jahre). Wo bleibt die Verpflichtung
nach § 1 BJG zur Hegepflicht?
Unsere Schwarzwildbestände sind zwar
hoch, sozialbiologisch aber desorganisiert,
in ihrer Struktur eher „Kindergärten"!
Der Begriff „asozial" ist wohl
am treffendsten, denn die Sozialstrukturen
sind zerstört. Reife Keiler sind die
seltene Ausnahme, „Kinder gebären
Kinder" und die damit provozierte Verzwergung
der Bachen [=weibliche Wildschweine] schreitet
dramatisch fort.
Wir Jäger (!) haben dabei zudem einen
Schwarzwildbestand geschaffen, der höchst
anfällig ist […] Unser Verhalten
dieser letzten wehrhaften Wildart gegenüber
ist alles andere als ritterlich. Sie verdient
wahrlich Besseres. […]“
In seinem Kommentar gibt der Jäger offen zu, dass die Wildschweinjagd heute praktisch nur mehr auf halbwüchsige Tiere und sogar Frischlinge durchgeführt wird, weil die Jägerschaft alle erwachsenen Tiere großteils ausgerottet hat – die bei Schweinen sonst sehr ausgeprägten sozialen und familiären Strukturen sind auf diese Weise praktisch außer Kraft gesetzt. Ältere und erfahrene Tiere, die für das Fortkommen und die Entwicklung der Wildschweinsozietäten von großer Bedeutung sind, existieren so gut wie nicht mehr.
Bundesforste betreiben Massenabschüsse
Dennoch scheinen gerade auch die staatlichen
Behörden und Naturaufsichtsorgane von
den völlig veralteten, von keinerlei
modernen wildbiologischen Erkenntnissen angekränkelten
Auffassungen von Wald- und Wildtier-„Managment“
einfach nicht loszukommen: Wie die „Salzburger
Nachrichten" vor kurzem berichteten,
beklagen die halbstaatlichen „Österreichischen
Bundesforste“, dass die rund 8.000 Salzburger
Jäger ihre von den Bundesforsten vorgegebenen
Abschussquoten nicht einhalten. Die 17.000
„Stück" Rotwild sollen auf
12.000 reduziert werden. Im Jahr 2007 sollen
5.856, das sind um 800 Opfer mehr als 2006,
erschossen werden.
Wer sich weigert, dem wird behördlicherseits
der Revierentzug angedroht. Der Salzburger
„Landesjägermeister“ versprach darauf hin den Bundesforsten,
dass der Wildbestand bis 2009 wieder auf dem
„Soll-Stand“ sein werde –
Massenabschüsse von tausenden von Tieren
in den kommenden Jahren werden die Folge sein…