Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (02.08.1998)
Nachgedanken zum OM-Theater des H. Nitsch
Ja zur Freiheit der Kunst, aber Töten ist keine Kunst
Es ist nun wirklich erstaunlich, wie verzerrt über den Künstler Nitsch von der Mehrzahl der österr. Medien, allen voran vom ORF, berichtet wird. Denn nur weil die Mehrheit der Bevölkerung aus ethischen, religiösen und/oder Tierschutzgründen gegen dieses OM-Spektakel ist, müssen diese Personen beileibe noch keine Fundamentalisten, FPÖ-Anhänger oder gar Rechtsradikale sein. Die ganze Diskussion, ob es sich bei H. Nitschs abstoßendem Selbstinszenierungs-Spektakel um Kunst handelt oder nicht, ist eigentlich überflüssig, denn Töten ist keine Kunst (sonst wäre ja schließlich jeder Metzger ein „Künstler", wobei sich diese Berufsgruppe allerdings in der Regel an die gesetzlichen Vorschriften hält!).
Wir Tierschützer verwahren uns jedenfalls gegen Versuche, diese Auseinandersetzung als einen Kampf „links gegen rechts" darzustellen. Wir verstehen vielmehr unter „Toleranz", Leben – auch nichtmenschliches – in all seiner „Andersartigkeit" zu respektieren und keinesfalls zu zerstören. Die Verteidiger des Hermann Nitsch verstehen unter „Toleranz", die Tiermorde als vom Künstler gewünschte Teile seines Kunstwerkes zu akzeptieren und diese nicht zu hinterfragen. Der VGT spricht sich aber gegen den Mißbrauch und die Tötung von Tieren zu jedem – wie auch immer gearteten – Zweck aus. Auch die Freiheit der Kunst hat Grenzen, die dort zu ziehen sind, wo es um die Unversehrtheit und das Leben von Geschöpfen geht.
Es stimmt nicht, daß H. Nitsch - wie immer wieder behauptet wird - bei seinem 6-Tagespiel nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen hätte. Dies nur mit der verfassungsmäßig verbrieften Freiheit der Kunst zu entschuldigen, ist zu billig und unterstreicht bestenfalls unsere langjährige Forderung, auch dem Tierschutz endlich Verfassungsrang einzuräumen! (Wie ja auch im Tierschutz-Volksbegehren vor 2 Jahren von fast 500.000 Österreichern unterstützt). Ich kann eine ganze Latte von Paragraphen auflisten, gegen die während dieser 6 Tage verstoßen wurde, die wir auch bereits vor und während der Spiele angezeigt haben (§ 188: „Herabwürdigung religiöser Lehren", § 222: „Tierquälerei" bzw. § 282 StGB: „Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen"). Wir haben selbst beobachtet, wie die Stiere sowohl bei Transport, als auch bei Entladung und Schlachtung mißhandelt wurden.
Falsch ist natürlich auch, es hätte sich bei diesem entwürdigenden Spektakel um eine ganz normale „Hausschlachtung" gehandelt. Dafür müßten nämlich sämtliche verwertbaren Teile auch verwendet (verzehrt) werden, dies war beim Nitsch-Theater offenbar nie vorgesehen: Wer würde schon Leichenteile essen, auf denen herumgetrampelt und onaniert wurde und die noch den ganzen Tag bei über 30° in der Sonne gehangen sind. Die Teile wurden jedenfalls alle nachgewiesenerweise in die Tierkörperverwertung nach Tulln verfrachtet. Somit ist auf jeden Fall der Tatbestand der „mutwilligen Tötung" (§ 2 NÖ TS-Gesetz) erfüllt. Daß das ganze auch noch vom Amtstierarzt, Mag. Christoph Cenker, sowie von der zuständigen BH Gänserndorf abgesegnet wurde, wirft ein mehr als trauriges Bild auf meinen Berufsstand und die österreichischen Behörden.
Daß es uns „radikalen" Tierschützern lediglich um „medienwirksame Selbstdarstellung" gegangen wäre, wie z.B. im „Profil" behauptet wird, ist völlig absurd, dann hätten wir ja nach Abmarsch der meisten Medienvertreter am Montag vormittag das Handtuch werfen können. Wir vom VGT waren jedenfalls alle 6 Tage rund um die Uhr vor Ort, auch ohne Medien. Wer sich jedoch eindeutig medial zu inszenieren wußte, war der Herr Nitsch, mit seinem aufgeblähten Rechtsvertreter-, Bodygard- und Presseapparat. Leider hat ja v.a. er selbst von der medialen Präsenz profitiert.
Auch die Ansicht, daß Herr Nitsch mit seinem OM-Theater quasi machen könne was er wolle, da es auf Privatgrund und mit Privatgeld veranstaltet wurde, stimmt nicht. Erstens hatte er – leider nicht zuletzt durch die massiven Proteste der Tierschützer – eine nie dagewesene öffentliche Aufmerksamkeit; und zweitens genoß er zumindest durch die massive Präsenz der Exekutive, deren Einsatz zum Schutz des „Staatskünstlers" vor einer Handvoll friedlicher Tierschützer schätzungsweise 5 Millionen öS an Steuergeldern gekostet hat, eine indirekte Subventionierung.