Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (23.10.2009)
Wien, am 23.10.2009Richtungsweisendes Urteil in Deutschland gegen Tierquälerei im Rahmen von Kunstaktion
Tierschutz in der Verfassung würde Tieren auch hierzulande mehr Recht in vergleichbaren Situationen verschaffen
Ein Berliner Künstler-Trio hat 2006 in Berlin im Rahmen eines Gewalt- und Ekelspektakels vor Publikum zwei Kaninchen hingerichtet. Sie brachen den Tieren das Genick, hackten anschließend die Köpfe ab und beschmierten sich mit dem Blut.
Es waren Szenen wie in einem Horrorfilm.. Die Aktion war der Auftakt einer Ausstellung. Schon am Eingang der Ausstellung in einem Hinterhof warnte der Veranstalter: „Die Galerie haftet nicht für Schäden an Körper, Seele und Kleidung.“
An die 40 Zuschauer sahen zu, wie die Tiere öffentlichkeitswirksam eiskalt getötet wurden. Die Muse des Künstlers in Gestalt einer Assistentin brach den wehrlosen Kaninchen das Genick und hackte mit einem Fleischerbeil die Köpfe ab. Die Schädel der Tiere wurden in Formaldehyd eingelegt und so konserviert.
„Ein Tier muss getötet werden, damit man es essen kann.“
Anschließend wurde im Rahmen eines sogenannten „Kunstessens“ das Fleisch der getöteten Hasen in der Galerie verspeist. Für 20 Euro „pro Kopf“ konnten 12 Gäste an dem makaberen „Leichenschmaus“ teilnehmen.
Der Schöpfer der Kunstaktion wollte der Menschheit wie dem Publikum die tief schürfende Erkenntnis vermitteln, „dass sie vom Raubtier Homo Sapiens abstammen.“ Und weiters klärt er auf: „Ein Tier muss getötet werden, damit man es essen kann. Viele Menschen haben das vergessen, weil sie abgepacktes Supermarktfleisch kaufen.“, will der Aktionskünstler den Menschen zu mehr Weltverständnis verhelfen, ohne jedoch dabei mit ernsthafter Kritik näher auf die Massenfleischproduktion einzugehen.
Doch nicht nur TierschützerInnen, auch KunstkennerInnen zeigten sich schockiert angesichts des ebenso oberflächlichen wie brutalen Spektakels. „Das waren heftige Gefühle“, so etwa ein Zuschauer, und fügt hinzu: „So was muss ich nicht noch mal sehen.“
Anzeige durch KritikerInnen
Tierschutzvereine zeigten in der Folge den Künstler und seine GehilfInnen an.
In der ersten Verhandlung im dann folgenden Prozess wurden die drei Beschuldigten zu bemerkenswerten Geldstrafen verurteilt. Die Beschuldigten gingen in Berufung.
Heute - nach über drei Jahren - ist auch die Berufungsverhandlung abgeschlossen, das Strafausmaß wurde dabei zwar erheblich reduziert, dürfte aber für die Beschäftigten immer noch spürbar sein. Das Urteil ist jetzt rechtskräftig.
Umstrittene „Kalbsembryonenverkostung“
Im Jänner 2009 fand in Wien eine vergleichbar kunstsinnige Horrorverkostung noch gesteigerten Zuschnitts, was den „Phantasiereichtum“ betrifft, statt: Für „Gourmets“ auf der Suche nach dem ganz besonderen absurden Kick wurde zu einer "Kalbsembryonenverkostung" geladen.
Zur Gewinnung der noch mitten im fötalen Stadium im Mutterleib befindlichen „Kalbsembryonen“ sollten diese - angeblich „unter strengster Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen" - in der 22.bis 25. Trächtigkeitswoche „unter fachärztlicher Kontrolle per Kaiserschnitt gewonnen" werden.
Und weiter: „Sobald der Embryo an der Luft ist, wird er schnellstmöglich mittels Herzstich getötet. Der Eingriff selbst ist für das Muttertier so leicht verträglich, daß es nach einer relativ kurzen Erholungsphase, also nach etwa 2 Wochen bereits wieder besamt werden kann ...".
Doch tatsächlich musste die Mutterkuh nach einem Einspruch der Behörde letztlich dann auch getötet werden, da man den sinnlos-strapaziösen Kaiserschnitt ausschließlich zum Zweck einer derartigen „Gourmet Show“ nicht zulassen wollte.
„Kreative Rezeptideen“ mit Kalbsembryonen
Der verantwortliche Künstler rief in seiner Aussendung auch noch dazu auf, „kreative Rezeptideen" zu schicken, die dann am Tag des Spektakels „realisiert" werden sollten, wobei die besten drei Rezepte mit je 100,- Euro honoriert würden. Der Eintrittspreis für dieses bizarre „Event" sollte ursprünglich übrigens 45,- Euro betragen. Doch dann wurde der Veranstalter vom Veterinäramt zu einer Änderung gezwungen: Man verbot ihm, das Mahl öffentlich für die 45 Euro pro Gast abzuhalten – schließlich musste es „privat“ stattfinden. Doch die Auflage, die Aktion in Privaträumen durchführen zu müssen, umging der Aktionist mit Gucklöchern, die von Interessierten wie GegnerInnen der Aktion auch lebhaft genutzt wurden.
Den medialen wie monetären Profit bei dem fragwürdigen Kunstspektakel gedachte man dabei offensichtlich mit dem öffentlichen Aufsehen zu machen, den die gezielte Schock-Provokation zweifellos hervorrufen würde.
„Extrem weiches und zartes Embryonenfleisch“ als Geschmackserlebnis und Kunsterfahrung
Neben einem von ihm georteten „ästhetischen Aspekt“ der Aktion betonte T. auch einen „gourmethaften“. Das Geschmackserlebnis des „extrem weichen und zarten Embryonenfleisches“ sei Teil der Erfahrung, die im Kunstwerk vermittelt werden soll, so der Künstler tiefsinnig.
Da das Tierschutzgesetz aus nahe liegenden Gründen abwegige Vorgehensweisen wie diese nicht als Delikte auflistet (weshalb auch keine Sanktionen vorgesehen sind), waren weitere Einschränkungen der fragwürdigen Show nicht möglich. Das ein Einschreiten des Gesetzgebers nicht möglich war, hat aber auch noch einen anderen, tiefer liegenden Grund.
Absurde Tierquälereien im Namen der Kunst
Immer wieder kommt es im Rahmen von Kunstaktionen ohne ethische Erdung und zeitgemäße Wertmaßstäbe zu Aufsehen erregenden Fällen von Tierquälerei.
Im Rahmen der Ausstellung „Zerstörte Welten und die Utopie der Rekonstruktion“ vor ein paar Jahren wurden Goldfische in Mixern gehalten – die BesucherInnen konnten über Leben oder Tod der Tiere entscheiden, indem sie die Geräte einschalteten oder auch nicht.
Im mittelamerikanischen Nicaragua wiederum ließ ein Künstler in einer Galerie einen angebundenen, lebenden Hund als Kunstobjekt verhungern. Diese unwahrscheinlich tierverachtende Tierquälerei sollte nach Europa exportiert werden – zunächst sollte die Aktion in Spanien wiederholt und dann auch in anderen Ländern dem staunenden Publikum präsentiert werden.
Dringende Notwendigkeit der Aufwertung des Tierschutzes
Die einzige Möglichkeit, sadistische und nekrophile Gewaltphantasien im Namen der Kunst wie die geschilderten vor der Verwirklichung zu bewahren ist die Aufwertung des Tierschutzes in der gesetzlichen, verfassungsmäßigen Grundstruktur unserer Gesellschaft. Eine zentrale Rolle hierbei spielt die Verfassung eines Staates, wo die Grundwertigkeiten und rechtlichen Prioritäten festgelegt werden.
Seit vielen Jahren bemühen sich zahlreiche Tierschutzorganisationen, den Tierschutz in der Bundesverfassung zu verankern, bisher allerdings vergeblich – mit der Ausnahme des Bundeslandes Salzburg, wo er aber eben nur landesregional verwirklicht werden konnte.
Tierschutz als Rechtsgut benachteiligt
Während die Kunst – vollkommen zu recht – auch in Österreich längst Verfassungsrang genießt und damit bei Interessenkonflikten mit anderen Bereichen in der Abwägung einen Bonus bzw. ein höheres Gewicht genießt, ist der Tierschutz, anders als in Deutschland, hierzulande nach wie vor nicht zum Staatziel erhoben worden.
Solange nur die Freiheit der Kunst (oder etwa auch der Wissenschaft, der Religion oder der Erwerbsausübung), nicht aber das Leben und Wohlbefinden der Tiere verfassungsrechtlich geschützt sind, kann dem Quälen und Töten von Tieren im Namen einer regellosen und wertefreien Kunst respektive im Rahmen von ethikfernen, im Hinblick auf Tierschutz und Tierrechte willkürliche Kunstaktionen kein effektiver Riegel vorgeschoben werden. Aus diesem Grund können wegen der derzeitigen Gesetzes- und Verfassungslage Kunstaktionen wie die besagten in Österreich von keiner Behörde wirkungsvoll untersagt und somit auch nicht verboten werden.
Tierschutz in die Verfassung!
Erst mit einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Tierschutzes würde eine gleichwertige rechtliche Ausgangssituation bei der juristischen und gerichtlichen Abwägung unterschiedlicher Interessen bei Rechtsstreitigkeiten oder auch Genehmigungsverfahren geschaffen. Tierschutz im Verfassungsrang würde zwar keine ganz große Umwälzung in der rechtlichen Stellung der Tiere bedeuten, wohl aber würde diese Aufwertung mit sich bringen, dass bei allen legislativen Entscheidungen und Gerichtsurteilen auf den Verfassungsrang des Tierschutzes Bezug zu nehmen wäre.
Ein richtungsweisendes Urteil wie das in Deutschland wäre damit auch bei uns vorstellbar.