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Tierschutz: Anspruch – Verantwortung – Realität

Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (23.05.2011)

Wien, 23.05.2011

2. Tagung der Plattform Österreichische TierärztInnen für Tierschutz (ÖTT)

2. Tagung der Plattform Österreichische TierärztInnen für Tierschutz (ÖTT)

Am 4. Mai 2011 fand an der Veterinärmedizinischen Universität die 2. Tagung der TierärztInnen für Tierschutz statt, an der ca. 150 Menschen teilnahmen. Es gab insgesamt 4 Blöcke mit folgenden Themen:

Grundlagen

Im ersten Vortrag von Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer wurde das Leitbild der ÖTT vorgestellt

Als Zielsetzung für die ÖTT gilt die Stärkung des ethischen Selbstverständnisses der Tierärzteschaft. Die ÖTT möchte Fortschritte im Tierschutz durch Wissenstransfer, durch die Förderung der inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit und durch die Erstellung eines ethischen Leitbildes, das den TierärztInnen in der Praxis bei der Entscheidungsfindung im Sinne des Tierschutzes helfen soll, erreichen. Winkelmayer meinte: „Im sensiblen Bereich des Tierschutzes gilt es für TierärztInnen mit beruflicher Expertise sowohl emotionalen Ansinnen zu begegnen, als auch dem übermächtigen Druck ökonomischer Forderungen stand zu halten.“

Im zweiten Vortrag sprach Dr. Jan Langbein vom Institut für Nutztierbiologie in Leibnitz über kognitive Fähigkeiten von Nutztieren und kognitive Umweltanreicherung – Implikationen für Haltung und Wohlbefinden

Langbein meint, dass Fragen nach kognitiven Fähigkeiten und affekt- emotionalen Zuständen immer stärker in den Fokus der angewandten Nutztierethologie gerückt sind. Die Anpassungsfähigkeit von Tieren hängt von deren kognitiven Fähigkeiten ab. Eine wesentliche Komponente von kognitiven Prozessen ist das Lernen. Ergebnisse aus der Lernforschung haben konkrete Bedeutung für Tierhaltung und Tierschutz, denn der Mensch hat die zentrale Verantwortung über die in seiner Obhut lebenden Tiere. Durch die starke Automatisierung in der Landwirtschaft muss man auch bedacht darauf nehmen, ob Tiere mit den modernen Anlagen (Melkmaschinen, automatische Fütterungssysteme,…) umgehen können. Das Wissen über kognitive Fähigkeiten der Tiere stellt somit die Basis für das Tiermanagement dar. Weiters kann durch „cognitives enrichment“ in den Stallungen die Langeweile eingegrenzt werden. Die Lernapparaturen werden in die normale Haltungsumwelt eingebaut, sind somit täglich 24 Stunden vorhanden und die Tiere können frei entscheiden, wann sie diese Lernversuche durchführen wollen. Dies führt auch zu weniger Deprivation. Im Anschluss wurden zwei neue Lernuntersuchungen an Zwergziegen und Schweinen besprochen.

Das behinderte Heimtier – Therapie oder Euthanasie

Der erste Vortrag im 2. Block war von DDr. Regina Binder: Wackelkatzen und Hunde auf Rädern – tierärztliche Behandlungspflicht und Euthanasie aus tierschutzrechtlicher Sicht

Die Euthanasie, also die Möglichkeit kranke oder verletzte Tiere zu töten, um somit deren Leid und Schmerzen zu verkürzen ist ein sogenanntes Vorrecht, das Tieren in unserer Gesellschaft zukommt. Jedoch ist gerade in diesem Bereich auch die große Gefahr des Missbrauchs, nämlich dass unerwünschte Tiere einfach eingeschläfert werden. Im Tierschutzgesetz ist geregelt, dass ein Tier nur dann getötet werden darf, wenn es einen „vernünftigen Grund“ gibt. Ein vernünftiger Grund besteht in allen Fällen, wo Rechtsvorschriften das Töten von Tieren zulassen (z.B.: Schlachten von Nutztieren), bei Heim- oder Wildtiere muss im Einzelfall geklärt werden, ob ein vernünftiger Grund vorliegt oder nicht, wobei das Tierwohl gegen die berechtigten menschlichen Interessen abzuwägen ist. Das Töten von „überzähligen“ oder unerwünschten Jungtieren ist nicht erlaubt, in Zoos muss die Zuchtplanung so erfolgen, dass die Unterbringung der Jungtiere geregelt ist. Jungtiere rein für ökonomische Gründe in Zoos zu halten, als sogenannte Publikumsmagneten und dann zu töten, ist verboten.

Bei kranken, verletzten oder behinderten Heimtieren ist der vernünftige Grund dann gegeben, wenn eine Therapie dem Tierhalter nicht zumutbar ist. Der „vernünftige Grund“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sich an den herrschenden sozialethischen Überzeugungen orientiert und daher als „Schanierbegriff“ zwischen Ethik und Recht bezeichnet wurde, meint Binder.

Beim nächsten Vortrag von Frau Dr. M. Müller wurde über Hunde und Katzen mit Handicaps gesprochen, über die Möglichkeiten der Steigerung der Lebensqualität durch physiotherapeutische Maßnahmen wie Massage, Elektrotherapie, Stoßwellentherapie, aktive und passive Bewegungstherapie.

Tierschutzforschung

Dr. Susanne Waiblinger sprach über Einflussfaktoren auf Verletzungen und Sozialverhalten von behornten und hornlosen Ziegen.

Sie beschäftigte sich auch mit der Frage ob die Enthornung zu rechtfertigen ist.

Das routinemäßige Enthornen von Ziegen war nach der Erlassung des Bundestierschutzgesetztes verboten, wurde jedoch mit einer Novellierung der 1. Tierhaltungsverordnung im Jahr 2006 wieder mit einer Übergangsregelung erlaubt. Mit einer neuerlichen geplanten Novellierung soll diese Übergangsfrist weiter verlängert werden.
Die Studie von Waiblinger zeigt ganz deutlich, dass das Enthornen von Ziegen ein sehr problematischer Eingriff ist, da die Kitze eine verhältnismäßig dünne Schädeldecke haben und es durch den Eingriff leicht zu Schädel- und Hirnhautschädigungen kommen kann. Der Eingriff ohne Schmerzausschaltung ist mit erheblichen Schmerzen und Stress verbunden. Wird ein Schmerzmittel verwendet, so sind die Tiere dennoch beeinträchtigt, da die Wundheilung oft mehrere Wochen in Anspruch nimmt.

Hörner spielen bei den Ziegen eine wichtige Rolle im Sozialverhalten und werden auch zur Körperpflege eingesetzt. Es zeigte sich, dass es in hornlosen Gruppen zu mehr Auseinandersetzungen kommt als in behornten Gruppen, da scheinbar die Ziegen mit Hörnern Individualdistanzen eher einhalten als hornlose Tiere. Ein oft genanntes Problem bei Gruppen mit behornten Tieren sind Verletzungen am Euter, jedoch sind die eigentlichen Risikofaktoren die Betreuung, der Stallbau und falsches Management, wie z. B.: schlechte Grundfutterqualität, häufigeres Umgruppieren und eine größere Zahl von Melkern. Waiblinger kritisiert zusätzlich sehr stark das viel zu geringe Platzangebot, dass Ziegen in der 1. Tierhaltungsverordnung zugesprochen wird.

Der zweite Redebeitrag in dem Block Tierschutzforschung war: Pferde im Tourismus – ein Tierschutzproblem am Beispiel der Kutschfahrten von Prof. Dr. Josef Troxler

Er sagte, dass jährlich ca. 2,1 Mrd. € mit Pferden im Tourismus und in der Freizeit erwirtschaftet werden, wobei 0,8 Mrd. € dem Tourismus zuzurechnen sind. Eine Studie über Hitzestressmessungen bei Fiakerpferde soll zeigen, dass die Hitzebelastung sehr minimal ist, wobei Troxler im Maßnahmenkatalog zur Verbesserung des Tierschutzes von Fiakerpferden sehr wohl auch über den Sonnenschutz spricht, der für das Wohlbefinden der Pferde beiträgt. In diesem Katalog werden auch weitere Verbesserungsvorschläge gebracht wie: die artgerechte Fütterung, Tränken und Abkühlen mit Wasser, Kontroll- und Betreuungsperson für Standplätze, Geschirre und Schweifanbinden. Troxler meinte, dass es sogar Tierschutzorganisationen gibt, deren Anliegen ein absolutes Fiakerverbot ist.

Tierärztlicher Tierschutz

Univ. Doz. Dr. Armin Deutz spricht in seinem Vortrag über Tierschutz im Umgang mit Wildtieren und zählt dabei mehrere Beispiele in der Mensch- Wildtier- Beziehung auf, die tierschutzrelevant sind

Bei der Haltung von Wildtieren in menschlicher Obhut meinte er, dass es viele Problembereiche gibt, wie das Nichteinhalten der Mindestanforderungen bei der Haltung, die Meldepflicht der Tiere, Schmuggeltiere oder Wildfänge. Das Schlachten von Farmwild dürfen laut Tierschutz- Schlachtverordnung nur sachkundige Personen machen und JägerInnen sind nicht automatisch diesem Personenkreis zuzuordnen. So sind z.B.: Kriterien einer Betäubung, das Verhalten von Farmwild in kleinen Gehegen nicht Inhalt von Jagdkursen. Deutz meint, dass der Tierschutz bei der Jagd beim Jagdhund beginnt, über das Nachsuchen bis hin zum eigentlichen Umgang mit dem bejagbaren Wild und den „Jagdkonkurrenten“ (Beutegreifer) geht. Deutz kritisiert auch, dass viele Menschen den Berg als „Sportgerät“ sehen und keine Rücksicht auf die „Mitbewohner“ nehmen. So belegen Langzeitstudien, dass das ständige Sichern, Flüchten und „in Deckung bleiben“ eine schlechtere Kondition der Tiere mit sich zieht. Zum Schluss spricht Deutz über die Probleme der „Verhausschweinung“ von Wildtieren und der „Verwilderung“ von Haustieren, so gibt es Rinder in Extensivhaltung, die größere Fluchtdistanzen aufweisen als futterzahmes Rotwild.

Im letzten Redebeitrag spricht Frau Dr. Schöning über Tierschutzaspekte in der Verhaltenstherapie von auffälligen Hunden

Schöning definiert Problemverhalten, Unarten und Verhaltensprobleme. Für sie bedeutet Verhaltenstherapie die Anwendung von wissenschaftlich bewährten Behandlungsansätzen und den Einsatz von verhaltentherapeutischen Prinzipien auf der Basis von Grundlagenforschung. Bei der Verhaltenstherapie müssen Tierschutzaspekte bedacht werden, denn diese Aspekte spielen unter Umständen nicht nur bei der Problementstehung eine Rolle, sondern auch während der Anamnese und der Therapie.

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