Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (20.10.2006)
Fachtagung "Schädlingsbekämpfung und Tierschutz"
Methoden zur Schädlingsbekämpfung sind vom Tierschutzgesetz praktisch unbeeinflusst
Am 19. Oktober 2006 fand die von der Tierschutzombudsstelle Wien organisierte Fachtagung „Schädlingsbekämpfung und Tierschutz“ statt. Materialien zu den Beiträgen sollen demnächst auf der Website der Ombudsstelle www.tieranwalt.at zugänglich gemacht werden.
Insgesamt sprachen zehn Personen. Die meisten davon kamen mehr oder weniger direkt aus der Praxis der Schädlingsbekämpfung. Die einzige Rednerin die sich in ihrem Beitrag mit dem Schutz der "Schädlinge" beschäftigte, war Frau DDr. Regina Binder von der Informations- und Dokumentationsstelle für Tierschutz- & Veterinärrecht von der Veterinärmedizinische Universität Wien. Sie sprach über die Schädlingsbekämpfung aus Sicht des Tierschutzgesetzes.
Was sagt das Tierschutzgesetz?
Für das in §5 Tierschutzgesetz normierte Verbot der Tierquälerei gibt es eine Ausnahmebestimmung (§5(3)3 TSchG) für die „fachgerechte Schädlingsbekämpfung“. Bei dem in §6 normierten Tötungsverbot ist als Ausnahme für die Schädlingsbekämpfung vorgesehen, dass die Tötung nicht wie sonst vorgeschrieben durch einen Tierarzt erfolgen muss. Das Erfordernis eines "vernünftigen Grundes" für die Tötung muss auch im Rahmen der Schädlingsbekämpfung gegeben sein. Der "vernünftige Grund" ist allerdings wahrscheinlich deckungsgleich mit der Anforderung nach §5 Tierschutzgesetz zu betrachten. Die Maßnahme muss also "unerlässlich" sein und "fachgerecht" erfolgen.
Aus Perspektive des Tierschutzes erscheinen daher zwei Fragen wesentlich:
- Welche Tiere können als Schädlinge angesehen werden? Für diese gilt ja dann das Verbot der Tierquälerei nicht, sofern diese Tiere Qualen im Rahmen der „Schädlingsbekämpfung“ ausgesetzt werden.
- Was ist genau unter „fachgerechter Schädlingsbekämpfung“ zu verstehen? Werden dadurch extrem tierquälerische oder „stümperhafte“ Methoden der Schädlingsbekämpfung vom Gesetz her ausgeschlossen? Und wenn ja, dann welche?
Frau DDr Binder regte zur Behebung dieser Rechtsunsicherheit an, im Tierschutzgesetz eine Verordnung vorzusehen, die speziell die Schädlingsbekämpfung regelt.
Dort könnte objektiv definiert werden, welche Tierarten unter welchen Bedingungen als Schädlinge betrachtet werden könnten. Umgangssprachlich wird der Begriff Schädling ja sehr subjektiv verwendet. Ein Jäger sieht z.B. in einem stöbernden Hund einmal einen „Nützling“ der als Jagdhund eine erwünschte Handlung ausführt und einmal einen „Schädling“ der wildert und ihm seine Beute streitig macht. Ein Specht kann von einer Person als Bereicherung des Lebensraums erlebt werden, der die nützliche Funktion erfüllt Bäume gesund zu halten und von einer anderen Person als Schädling der die eigene Hausfassade zerstört. Ebenso mit einem Marder der ein Autokabel anknabbert.
Frau DDr. Binder schlägt vor die Tierarten, die unter bestimmten Bedingungen als Schädlinge im Sinne des Tierschutzgesetzes gelten können, auf bestimmte Nagetier- und Insektenarten einzugrenzen. Ferner müssten objektive Tatbestände erfüllt sein, wie etwa die reale Gefahr der Krankheitsverbreitung, um ein Tier zum Schädling zu erklären.
Auch der Begriff der „fachgerechten Schädlingsbekämpfung“ sollte genauer ausgeführt werden. Schon heute gibt es aber nach Ansicht von DDr. Binder Methoden der Schädlingsbekämpfung, die nicht als fachgerecht zu betrachten sind. Dazu gehören beispielsweise Klebefallen für Wirbeltiere. Mit diesen Fallen werden beispielsweise Mäuse und Ratten durch Klebstoff an einer Stelle festgehalten. Ähnlich wie bei Treteisen kommt es zu extremer Panik und Verzweiflung der Tiere bei der sie sich auch Gliedmaßen abbeißen oder ganze Haut und Fleischstücke herausreißen um entkommen zu können. Ein anderes Beispiel wäre die Begasung mit SO2 (Schwefeldioxyd), die zu einem langsamen qualvollen Tod führt. Ob ein Gericht tatsächlich diese Methoden als nicht fachgerecht und damit nach dem Tierschutzgesetz verboten betrachten würde, könnte erst ein Präzedenzfall klären.
Einfacher und zielführender wäre es daher freilich in einer Verordnung zum Tierschutzgesetz derartiges von vorneherein klarzustellen. Dort könnte auch festlegen werden, dass die Maßnahmen gegenüber Schädlingen in einer gewissen Prioritätsfolge vorgenommen werden müssen. So wäre immer prophylaktischen Methoden der Vorzug zu geben, bei denen z.B. den potenziellen "Schädlingen" von vorneherein der Eingang und somit Zuzug in einen zu schützenden Bereich physisch verwehrt wird, z.B. durch Gitter, geschlossene Türen, Klappen die die Toilette gegen das Kanalsystem abschließen, etc. Erst an zweiter Stelle kämen Methoden zur Abwehr und Vergrämung zum Einsatz, bei denen versucht würde die Tiere zur Abwanderung zu bringen, z.B. durch Geruchsstoffe oder Ultraschallgeräte die Lärm verursachen den Menschen nicht hören können, etc. Zuletzt könnte die Verordnung vorschreiben, dass erst wenn diese Mittel ausgeschöpft sind an dritter Stelle die Bekämpfungsmethoden, die auf die Vernichtung der Tiere abzielen, wie Fallen, Gift, etc. zum Zug kämen.
Für die Einteilung der Bekämpfungsmethoden in mehr oder weniger tierschutzgerechte stellte Frau DDr. Binder eine wissenschaftliche Arbeit vor, die ein Ranking der Methoden von "human" bis „fragwürdig“ bis „inhuman“ vornahm. Derartige wissenschaftliche Untersuchungen könnten herangezogen werden, um bestimmte Methoden aus Tierschutzgründen zu verbieten.
Fachgerechte Tierquälerei
Aber auch "fachgerechte" Methoden sind tierschutzrelevant. Die Vergrämung von Tauben beispielsweise mit Stacheln kann zu ernsten Verletzungen der Tauben aber auch anderer Tiere führen. Ein Magistratsbeamter berichtete im Rahmen der Tagung, dass er eine Reihe von aufgespießten Fledermäusen gefunden hat, weil diese bei den letzten Zentimetern im Landeanflug vollkommen blind und ohne Echoortung fliegen würden. Wenn diese Stacheln daher bei ihren Einflugschneisen in ihre "Höhlen" angebracht werden, verletzen sie sich schwer oder spießen sie sich überhaupt daran auf.
Wie neue Studien gezeigt haben ist auch die Tötung mit CO2 sehr qualvoll. Auf EU-Ebene wird daher derzeit im Rahmen der Revision der Tierversuchs-Richtlinie diskutiert, ob die Tötung mit CO2 nur mehr für betäubte Tiere zulässig sein soll. Bei der Schädlingsbekämpfung ist die CO2 Tötung allerdings die erste Wahl, z.B. werden so in Lebendfallen gefangene Mäuse getötet. Diese werden in einen Kübel geworfen und mit CO2 vergast.
Auch die Vergiftung von Ratten und Mäusen stellt ein enormes Tierschutzproblem dar. Die handelsüblichen Gifte (wie z.B. Cumarinderivate, die unter verschiedenen Bezeichnungen, mittlerweile in der dritten Generation auf dem Markt sind) wirken sehr verzögert und langsam, damit die Ratten nicht erkennen wann und wo sie das Gift aufgenommen haben und somit andere Ratten nicht gewarnt sind. Der sehr schmerzhafte Todeskampf kann nach einer Studie in einzelfällen bis zu 11 Tagen dauern. Im Durchschnitt dauert er 3 Tage!!!
Gifte zur Schädlingsbekämpfung sind einfach so im Handel zu haben
Mehrfach wurde auf den unglaublichen Umstand hingewiesen, dass die verschiedensten Gifte und grausamen Gerätschaften zur Schädlingsbekämpfung einfach im Handel für jedermann zu beziehen sind. Vielfach sogar in Drogeriemärkten. Die Platzierung mitten im Regal unter harmlosen anderen Artikeln suggeriert den KonsumentInnen die unproblematische Verwendung solcher Mittel, obwohl ihr Einsatz mit extremen Leid für die betroffenen Tiere verbunden ist und Fehler bei der Handhabung auch zur Gefahr für Mensch und Umwelt werden.
Schädlingsbekämpfung, Jagdgesetz und Artenschutz
Mehrfach wurde erwähnt, dass die einzigen Gesetze die eine reale Beschränkung der Schädlingsbekämpfung für einzelne Tierarten mit sich bringen, das Jagdgesetz und die Artenschutzverordnung ist. Alle jagdbaren Tiere dürfen von SchädlingsbekämpferInnen nicht getötet werden, weil das dem jeweiligen Jäger oder der jeweiligen Jägerin vorbehalten ist. Aus diesem Grund dürfen beispielsweise Kaninchenbauten nicht begast werden und (von SchädlingsbekämpferInnen) keine Fallen für Marder aufgestellt werden. Für diese Tierarten bleibt den SchädlingsbekämpferInnen nur die Vergrämung und Abwehr. Nach der Wiener Artenschutzverordnung sind es in Wien die Hamster die nicht verfolgt werden dürften. Da Hamster- und Rattenbauten von außen täuschend ähnlich sind, soll es aber immer wieder vorkommen, dass Hamsterbauten mit Rattengift bestückt werden und die Hamsterkolonie vernichtet wird.
Extra Verordnungen zur Schädlingsbekämpfung gibt es in Wien für Ratten (Rattenverordnung), Schaben (Schabenverordnung), Pharaoameisen (Pharaoameisenverordnung) und Eichenprozessionsspinner (Eichenprozesionsspinnerverordnung). Ansonsten gilt auch eine allgemeine Reinhalteverordnung und die Bekämpfung vor allem von Mäusen, Kopfläusen und Motten ist in Gebäuden vorherrschend.
Die Schädlingsbekämpfung ist ein Handwerk, das in einer 3-jährigen Lehre erlernt wird. Nach Ablegung der fachlichen und theoretischen Ausbildung und Meisterprüfung, kann man einen eigenen Betrieb eröffnen. Von Gesetzes wegen liegt ein Schwerpunkt auf der Regelung des Umgangs mit giftigen und sehr giftigen Stoffen.
Vernebelung der Auen
Relativ breiter Raum wurde der Schilderung der Schädlingsbekämpfung in der Gastronomie und im lebensmittelverarbeitenden Gewerbe gewidmet. Ferner der Bekämpfung von "Schädlingen" im Gartenbau (Nebelungsaktionen) und in der Forstwirtschaft. Auch die Auen werden offenbar immer wieder eingenebelt, damit es weniger Gelsen gibt.