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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (08.07.2008)

StGB §§ 278 ff: Staat greift Zivilgesellschaft an

Wie Staatsanwaltschaft und Polizei versuchen aus § 278a Kapital zu schlagen, um politisch Aktive verfolgen zu können

Vor unser aller Augen spielt sich im Augenblick ein grausames Experiment ab. Auf Kosten von 10 TierschutzaktivistInnen, lotet der Staat gerade aus, inwiefern er das Strafgesetzbuch gegen Personen verwenden kann, die sich außerhalb des Parlaments politisch engagieren. Die sogenannten Vereinigungsdelikte (§§ 278 ff) werden von Staatsanwaltschaft und Polizei nun erstmals herangezogen, um sie auf zivilgesellschaftliche Strukturen anzuwenden.

Die derzeit aktuelle Argumentationslinie der Staatsanwaltschaft soll hier vorgestellt werden.

Die §§ 278 ff dienen der Verfolgung von Personen die keine im herkömmlichen Sinn strafbaren Handlungen gesetzt haben

Durch die Serie der 278er Paragraphen im österreichischen Strafgesetzbuch wurde die Möglichkeit geschaffen, Personen zu verfolgen, die selbst keine strafbaren Handlungen setzen. Unter Strafe gestellt, wird nämlich die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, was normalerweise keine strafbare Handlung darstellt.

Diese Mitgliedschaft ergibt sich daraus, dass man auf irgendeine Weise eine sogenannte kriminelle Vereinigung fördert. Diese Förderung der Vereinigung kann aus vollkommen sozial-adäquate Handlungsweisen bestehen. Z.B. lässt man jemanden bei sich übernachten, erteilt jemandem einen Ratschlag, kauft für jemanden ein, spendet Geld oder erzählt jemandem etwas, gibt also Informationen weiter.

Wie man schnell erkennt, können durch die Anwendung dieser Paragraphen vollkommen sozial-adäquate Handlungen schnell zu kriminellen Handlungen werden, die mit hoher Strafe bedroht sind. Nicht die Handlung selbst, sondern einzig und allein die Intention des Handelnden, entscheidet darüber, ob man sich strafbar macht oder nicht.

Ließ man einen Bekannten bei sich übernachten, weil man einfach freundlich sein wollte? Oder ging es darum ihm einen Stützpunkt für die Recherche von Informationen zu bieten, die einer kriminellen Verbindung zugute kommen? Durch einen Beobachter von Außen lässt sich nicht erkennen, ob die Handlung strafbar ist oder nicht. Schließlich hängt es nur von den inneren Absichten der Person ab, die nur sie selbst kennt. So wird deutlich, dass sich alle ÖsterreicherInnen auf dünnem Eis bewegen: Vollkommen harmlose Handlungen sind mit einer Strafdrohung von bis zu 10 Jahren (§ 278b) bedroht, sofern ein Richter geneigt ist, diese Handlung in den Zusammenhang mit einer kriminellen Verbindung zu setzen.

Der entscheidende Unterschied liegt also in der vom Gericht zu ermittelnden Intention: Warum habe ich die im Prinzip sozial-adäquate Handlung gesetzt? Was wollte ich damit bewirken? Genau diese Intention ist aber eigentlich für ein Gericht unergründbar. Es kann sich dabei immer nur auf indirekte Hinweise berufen und muss letztendlich zu einer unweigerlich subjektiv gefärbten Einschätzung kommen, die aber den alles entscheidenden Unterschied zwischen hoher Gefängnisstrafe und Freiheit ausmacht.

§ 278a: Der weit gefasste Organisationsbegriff

Im aktuellen Fall der TierschutzaktivistInnen ist die Staatsanwaltschaft gerade im Begriff auszutesten, wie weit sie den Vereinigungs- bzw. Organisationsbegriff dehnen kann. So argumentiert sie, dass auch autonom agierende Gruppen oder Einzelpersonen Teil einer Organisation im Sinne des § 278a sein können. Dafür sei es nicht einmal notwendig, dass sich diese autonom agierenden Gruppen oder Einzelpersonen untereinander kennen würden. Entscheidend sei nur, dass sie dieselben Ziele verfolgen und dieselbe Philosophie und dieselben Grundsätze teilen. (siehe Anhang A)

Aufs politische Spektrum übertragen bedeutet das, dass alle Gruppen und Einzelpersonen, die allein und unabhängig entscheiden was sie tun und was nicht, die selbstbestimmt agieren und freiwillig ihre Freizeit der Erreichung eines politischen Ziels widmen, gemeinsam einer Organisation zugerechnet werden können. Was auf den ersten Blick unproblematisch klingt, ist es nicht, denn durch das formale Subsummieren zu einer Organisation entsteht eine Kollektivhaftung.

Sollte also eine einzelne Gruppierung oder eine Einzelperson in dieser konstruierten Organisation z.B. auf ökonomische Sabotage ausgerichtet sein, so wird die gesamte konstruierte Organisation mit all ihren Mitgliedern zu einer kriminellen Organisation nach § 278a. Möglich wird das dadurch, dass es in § 278a heißt, dass es keinesfalls notwenig wäre, dass die Organisation ausschließlich auf das Ausüben von Straftaten ausgerichtet sein muss. Es genügt, wenn sie unter anderem auch darauf ausgerichtet ist, oder eben wie in diesem Fall nur eine Unterabteilung von vielen darauf ausgerichtet ist.

Dieser ganze Argumentationsaufbau ist im aktuellen Fall der TierschützerInnen vor allem auf die Kampagnen gegen pelzführende Bekleidungskonzerne gemünzt, wie sie in den letzten Jahren durchgeführt wurden.

Kampagnen gegen pelzführende Bekleidungskonzerne

Obwohl die Produktion von Pelzen in Österreich bereits seit 1998 aus ethischen Motiven verboten ist, wird nach wie vor Pelz in Österreich verkauft. Obwohl ein nationales Produktionsverbot möglich und auch erreicht worden ist, ist ein nationales Handelsverbot praktisch undenkbar. Das vor allem deshalb, weil Österreich im Zuge der allgemeinen Globalisierung in größere Handelsübereinkommen eingebunden ist. Ein nationales Handelsverbot würde einen Bruch dieser Abkommen bedeuten und hätte Sanktionen zur Folge. Einerseits durch die EU, was schon demokratiepolitisch problematisch genug ist, da sich die EU aufgrund ihrer Struktur, dem Einfluss der BürgerInnen weitgehend entzieht. Andererseits aber durch die WTO, was endgültig ein demokratiepolitisches Debakel darstellt. Während die Konzerne über ihre Lobbys enormen Einfluss auf die Gestaltung der Welthandelsverträge haben, haben die BürgerInnen im Grunde überhaupt keinen Einfluss darauf.

Aus diesem demokratiepolitischen Defizit ergaben sich länderübergreifende Kampagnen die das Ziel verfolgten pelzführende Modehäuser derart unter Druck zu setzen, dass sie dazu bewegt werden können, Bekleidung mit Pelz aus dem Sortiment zu streichen. Da eine Gesetzesveränderung, also ein Handelsverbot, unmöglich ist, wurde das Kampagnenziel darauf ausgerichtet, die Konzerne in die Verantwortung zu nehmen, damit sie die gesellschaftlich anerkannten Werte übernehmen und ein Produkt, in diesem Fall Pelz, dessen Produktion bereits verboten ist, auch nicht mehr zum Verkauf anzubieten.

Diese Kampagnen brachten große Erfolge. Unternehmen wie C&A, Karstadt-Quelle, Zara, P&C und andere große Modehäuser beendeten den Pelzverkauf. Diese Kampagnen waren eine Neuerung: Sie waren nicht zentral von einer großen NGO organisiert und geführt, wie beispielsweise die Anti-Shell Kampagne von Greenpeace in den 1990er Jahren, sondern sie wurden von Einzelinitiativen, also von der Basis, getragen. Zur Verbreitung der Information diente vor allem das Internet. So konnten Berichte über Aktivitäten schnell ausgetauscht werden, Termine für Aktionstage verbreitet werden, Reaktionen der Unternehmen veröffentlicht werden, und so weiter.

Viele kleinere und größere Organisationen und Einzelpersonen wurden so motiviert ihren Teil zum gemeinsamen Ziel beizutragen. Es kam zu Aktivitäten in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Irland, Großbritannien, Österreich, Frankreich, Luxemburg, den USA und vielen anderen Ländern. Neben Einzelpersonen beteiligten sich auch größere NGOs an diesen Kampagnen, wie in Österreich die Vier Pfoten, Peta und der VGT.

Diese internationale Vernetzung von AktivistInnen und NGOs, die von der Staatsanwaltschaft nun zum Bedrohungsszenario erklärt wird, erfüllt eigentlich eine wesentliche Funktion, um in einer globalisierten Welt überhaupt einen relevanten Einfluss auf multinationale Konzerne entwickeln zu können. Oder glaubt wirklich jemand, dass durch Infotische vor einer einzigen Filiale eines riesigen Unternehmens genug Druck erzeugt werden könnte, um ein Überdenken der Geschäftspolitik bewirken zu können?

Ökonomische Sabotage gegen Bekleidungskonzerne

Im Rahmen dieser sich über Jahre hinziehenden Kampagnen kam es auch zu einigen Aktionen der ökonomischen Sabotage – auch in Österreich. So haben unbekannte Personen durch die Türschlitze in Filialen von Bekleidungsunternehmen übelriechende Buttersäure gespritzt. Auslagenscheiben gingen zu Bruch, Fassaden wurden mit Farbe bespritzt und Kraftfahrzeuge wurden beschädigt. Personen kamen dabei nie zu schaden. Das Ziel der Anschläge war offenbar den betroffenen Konzernen Unannehmlichkeiten zu bereiten und finanziellen Schaden zuzufügen. Stinkende Geschäftslokale machen auf KundInnen keinen guten Eindruck, zerbrochene Auslagen werden zwar von der Versicherung bezahlt, aber auch da muss der Austausch erst organisiert werden und bis dahin ist die Auslage nicht verwendbar.

Einige dieser Anschläge wurden unter dem Pseudonym ALF, also Animal Liberation Front, durchgeführt. Das geht sowohl aus Bekennungsschreiben als auch aus gesprayten Schriftzügen hervor, die bei den Tatorten hinterlassen wurden.

Hinter dem Kürzel ALF verbirgt sich so etwas wie ein Prinzip. Die Polizei schreibt dazu: „ALF ist eine Einstellung und keine strukturierte Organisation. […] ALF basiert auf dem Prinzip selbstständig und klandestin operierender autonomer Zellen.“ Und weiter: „Jeder Veganer oder Vegetarier, der unter dem Namen ALF eine Aktion machen will, kann das tun, solange die Aktion unter die ALF-Prinzipien fällt.“ Zu den ALF-Prinzipien zählt „das Ergreifen aller notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, damit weder Mensch noch Tier während der Aktionen Schaden nehmen.“ (Quelle Wikipedia)

ALF-Aktionen können aber, neben der Rettung einzelner Tiere aus tierquälerischer Haltung und neben öffentlichkeitswirksamer Aktionen um Missstände aufzuzeigen, auch auf ökonomische Sabotage ausgerichtet sein, also darauf, Unternehmen, die von der Ausbeutung von Tieren profitieren, ökonomischen Schaden zuzufügen.

Die Richtlinien der ALF (bzw. in der deutschen Übersetzung TBF Tierbefreiungsfront) finden sich z.B. auf wikipedia oder der Website der Tierbefreier eV (http://www.tierbefreier.de/alf/relaunch/about.html). Siehe Anhang B.

VGT = ALF ?

Die Staatsanwaltschaft steht auf dem Standpunkt, dass jede Person, die gemäß den Richtlinien der ALF aktiv wird, Mitglied einer kriminellen Organisation, und damit nach § 278a zu bestrafen ist.

Fakt ist, dass im Rahmen der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten für Tierschutz, laufend Aktivitäten stattfinden, die den Richtlinien der ALF entsprechen, die aber (bisher) als legitime Äußerungen im Rahmen des demokratiepolitischen Spektrums galten. Das soll sich nun offenbar ändern.

Hier einige Beispiele von Aktivitäten die der VGT bzw sein Umfeld ausführte, die den Richtlinien der ALF entsprechen.

Tierbefreiungen:

Direct Action:

In der Logik der Staatsanwaltschaft ist der VGT deshalb nun auch für alle anderen Aktionen zur Rechenschaft zu ziehen, die den Richtlinien der ALF entsprechen. Wie zuvor ausgeführt, zählen dazu auch einzelne Aktionen der ökonomischen Sabotage.

Die „kriminelle“ Zielsetzung des VGT

Von der Staatsanwaltschaft wird die kriminelle Zielsetzung des VGT, die ihn mit der ALF verbindet, darin gesehen, dass er das Ziel verfolge, der Tierindustrie ökonomischen Schaden zuzufügen. Die Tierindustrie solle in den Ruin getrieben werden. So wäre etwa die Hauptmotivation gesetzliche Verbesserungen herbeizuführen, die damit verbundene Schwächung und Schädigung der Tierindustrie.

Grundsätzlich ist es eigentlich offensichtlich und wenig überraschend, dass ein Verein, der sich „Verein Gegen Tierfabriken“ nennt, in einem gespannten Verhältnis zur Tierindustrie steht. Die Tierindustrie bzw. industrielle Tierhaltung, ist der Inbegriff des Degradierens von Tieren zu Produktionseinheiten. Sie ist Tierrechten genau diametral entgegen gesetzt. Fühlende Lebewesen werden beliebig und ohne Rücksicht auf ihre Interessen zum Zwecke der Profitmaximierung manipuliert. Angefangen von den Lebensbedingungen denen sie ausgesetzt werden, bis zum Eingriff in ihre Erbsubstanz mittels Zucht oder gentechnischer Veränderung.

Laut Statuten des VGT „setzt sich der Verein für eine Verringerung der Tierausbeutung mit dem Ziel der Abschaffung ein“. Die Abschaffung der Tierausbeutung ist dem Ende der Tierindustrie, also der tierquälerischen Tierproduktion, wohl gleichzusetzen. Dass diese Zielsetzung in Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen der Tierindustrie steht, ist eine Binsenweisheit.

Ähnliches gilt im Übrigen auch für Gentechnik-GegnerInnen. Deren Ziel der Ruin der Gentechnik-Industrie ist. Das Ziel von UmweltschützerInnen wird eine Einschränkung und damit Schädigung der Erdölindustrie sein, und das Ziel der AtomkraftgegnerInnen das Ende der Atomindustrie. Diese Liste ließe sich lange fortsetzen.

Bedenklich ist eigentlich nicht die Zielsetzung der engagierten BürgerInnen, sondern der Vorstoß der Staatsanwaltschaft legitime politische Ziele mit Strafe zu bedrohen.

Und zuletzt alles in einen Topf werfen

Fassen wir noch einmal zusammen:

  • Um nach § 278a bestraft zu werden, muss man keine herkömmlichen Straftaten begehen, wie z.B. Sachbeschädigungen. Es ist auch nicht notwendig, dass man derartiges geplant oder die Ausführung unterstützt hätte.
  • Die Staatsanwaltschaft fasst den Begriff der Verbindung bzw. Organisation so weit, dass alle Menschen dazuzurechnen sind, die die gleiche Philosophie vertreten und die gleichen Ziele verfolgen und zwar auch, wenn sie vollkommen unabhängig voneinander, selbstständig und freiwillig agieren.
  • Im Rahmen der Kampagne gegen pelzführende Modekonzerne wurde von manchen Gruppen und/oder Einzelpersonen Sachbeschädigungen durchgeführt. Wer diese Sachbeschädigungen durchgeführt hat, ist unbekannt.
  • Das Ziel jener Gruppen die Sachbeschädigungen durchführten und jener Gruppen die keine Sachbeschädigungen durchführten ist dasselbe, nämlich zu erreichen, dass Modekonzerne Bekleidung mit Pelz auslisten.
  • Die Philosophie jener Gruppen die Sachbeschädigungen durchführten und jener Gruppen die keine Sachbeschädigung durchführten, ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch ident, nämlich die Idee von Tierrechten und die Idee der Tierindustrie zu schaden und sie zu schwächen.

Angesichts dieser Fakten wird schnell verständlich warum nun Gruppen wie der VGT, deren Tätigkeiten bisher als legal und legitim angesehen wurden, plötzlich als Teil eines kriminellen Netzwerks bzw. einer kriminellen Organisation verfolgt werden können. Es ist dafür gar nicht notwendig, dass sie sich selbst kriminell betätigten. Es reicht im Sinne der §§ 278 ff vollkommen aus, wenn andere das tun, die von der Justiz einer gemeinsamen Vereinigung zugerechnet werden können, weil sie dasselbe Ziel verfolgen.

Entscheidend ist StGB § 278 Abs. 3:
„Als Mitglied beteiligt sich an einer […] Vereinigung, wer […] sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten oder auf andere Weise in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung […] fördert.

Den Akten sind jedenfalls eine Unzahl von Aktivitäten zu entnehmen, die einerseits für NGOs im Tierschutz üblich sind, und andererseits auch als Förderung der ominösen Vereinigung interpretiert werden können:

  • Die Organisation und der Besuch von Tierschutzveranstaltungen.
    Öffentlich angekündigte und beworbene Veranstaltungen, wie die sogenannten „Animal Liberation Workshops for Beginners“ (www.animal-liberation.at), die unter Beteiligung des VGT an den verschiedensten Orten, auch international (Slowenien, Schweiz, Österreich, Estland, Lettland) durchgeführt wurden, sind eines der zentralen „belastenden“ Fakten. Hier sollen neue Mitglieder für die Vereinigung angeworben worden sein. Und tatsächlich war es das Ziel dieser Workshops Menschen mit der Tierschutzbewegung in Kontakt zu bringen und ihnen Ideen zu geben, was sie selbst für den Tierschutz aktiv beitragen könnten.
  • Das Auffordern von Unternehmen den Pelzhandel zu beenden.
    Im Akt sind viele sogenannter „Drohemails“, die von Organisationen und Einzelpersonen an Bekleidungshäuser gerichtet wurden, zu finden. In diesen Emails werden die Modehäuser aufgefordert, Pelz aus dem Sortiment zu nehmen, weil sonst ihre tierfeindliche Haltung öffentlich gemacht werden würde. Ein Beweis dafür, dass die Geschäfte durch eine kriminelle Organisation unter Druck gesetzt werden.
  • Die Teilnahme an AktivistInnen-Treffen.
    Protokolle von AktivistInnen-Treffen belegen, dass arbeitsteilig und zielgerichtet vorgegangen wurde. Bei den Treffen wurde z.B. festgesetzt wer für das Verfassen von Flugblättern zuständig wäre, wer sich um das Material für die Infostände kümmern wird, wer die Demonstrationen anmeldet, etc. Diese Treffen werden als Beweis angeführt, dass eine unternehmensartige Struktur der kriminellen Organisation vorliegen würde.
  • Aktionen des zivilen Ungehorsams.
    Es finden sich auch typische Aktivitäten des zivilen Ungehorsams, wie er von NGOs in Anspruch genommen wird, im Akt. Diese Aktivitäten sind eigentlich – sofern sie nicht wie in diesem Fall in den Zusammenhang mit einer kriminellen Verbindung gesetzt werden - strafrechtlich irrelevant. So z.B. eine Ankettaktion vor einem Bekleidungsunternehmen, die Störung einer Pelzmodeschau, Go-Ins in Bekleidungsgeschäfte, Störungen von Jagden und so weiter.
  • NGO- Kampagnen.
    Von NGOs wie dem VGT oder den Vier Pfoten sind Ausdrucke von Websites mit Protestaufrufen im Akt, Kampagnenbeschreibungen, Protestkarten die verteilt wurden und vieles mehr.
  • Recherche von Informationen über Tierhaltungen.
    Um Tierquälereien öffentlich zu machen, anzeigen zu können oder eine gesellschaftliche Diskussion darüber anzuregen, ist es notwendig an Informationen, Fotos und Filme über Tierhaltungen heran zu kommen. Auch diese dafür notwendige Recherchetätigkeit findet Eingang in den Akt. Vielfach muss im Rahmen von Recherchen in die Tierhaltungsanlagen, im Allgemeinen ohne Zustimmung des Besitzers, hineingegangen werden. Diese Aktivitäten sind zwar eigentlich nicht kriminell, die Polizei stellt diese Recherchen, über die sie teilweise in den Telefonüberwachungen erfährt, aber als kriminelle Aktivitäten dar. In mindestens einem Fall wurde von der Behörde einem Schweinehalter, der in Folge einer derartigen Dokumentation vom VGT wegen Tierquälerei angezeigt wurde, empfohlen den VGT anzuzeigen. Der Schweinehalter selbst hat den nächtlichen Besuch überhaupt nicht bemerkt.

Legitime politische Aktivitäten sollen offenbar unter Strafe gestellt werden. Das Gericht kommentiert dazu, dass legale und illegale Aktivitäten parallel laufen und somit nicht zu trennen sind.

Dazu passt ins Bild, dass der Richter bei der Haftverhandlung am 7. Juli 2008 DDr. Balluch fragt, ob er plane weiterhin als Obmann des VGT zu fungieren. Als dieser bejahte, wurde das als Beweis gewertet, dass der Wille zur Tatbegehung weiterhin gegeben wäre, dass also die Tatbegehungsgefahr, die Vorraussetzung für die Untersuchungshaft ist, vorliegt.

Nachweis einzelner Straftaten ist nicht erforderlich

Angesichts des Paragraphen und des Argumentationskonzepts erstaunt es nicht mehr, dass der Nachweis einzelner Straftaten für eine Verurteilung entbehrlich ist. Unter Strafe gestellt ist ja nicht die Durchführung einer Straftat, sondern die Förderung bzw. Mitgliedschaft in einer Vereinigung.

Straftaten im Namen des Tierschutzes hat es offenbar gegeben. Der Zusammenhang mit den Angeklagten wird durch die legalen Aktivitäten hergestellt, die die Beschuldigten zur Verfolgung der gleichen Ziele gesetzt haben, wie jene die die Straftaten begangen haben.

Da der Vereinigung alle ungeklärten Straftaten seit 1997 angelastet werden, die die Polizei mit Tierschutz in Zusammenhang bringt, sollen nun alle Beschuldigten für diese Taten bestraft werden.

Auswirkung auf politische Arbeit

Sollte sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Argumentation durchsetzen, kann es in Zukunft auch für andere NGOs sowohl im Tierschutz als auch aus anderen politischen Bereichen, eng werden. Das gesamte Klima der Meinungsfreiheit, wie es bisher gelebt wurde, ist bedroht. Praktisch in allen politischen Bereichen wird es Personen geben, die dieselben Ziele verfolgen und dafür auch bereit sind Sachbeschädigungen (oder schlimmeres) zu begehen. Mitgefangen, mitgehangen ist die Devise der §§ 278 ff – einer neue Form der Sippenhaftung.

Dieser Vorstoß der Justiz ist ein Anschlag auf die Demokratie und jedenfalls viel gefährlicher als die vorgeworfenen Sachbeschädigungen, die den TierschützerInnen zur Last gelegt werden, jemals sein könnten. Würden die Landesämter für Verfassungsschutz ihre Aufgabe ernst nehmen, so müssten sie in diesem Fall gegen die unerquickliche Vereinigung von Polizei, Staatsanwaltschaft und RichterInnen ermitteln, die eine ernste Gefahr für eine freie pluralistische Gesellschaft darstellt.

 


Anhang A

Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft Wien zur Begründung der Untersuchungshaft vom 19. Juni 2008, Seite 3:

Die Willenseinigung zwischen den beteiligten Personen in Hinblick auf den Zusammenschluss und seine kriminelle Zielsetzung iS des § 278a StGB kann auch auf einem konkludenten Verhalten beruhen (Plöchl in WK² § 278a (2006) Rz 4). Jede Person, welche die Philosophie von ALF teilt und – wenngleich in geheimen autonomen Zellen – entsprechend den Richtlinien der ALF (siehe hiezu den Auszug aus www.tatblatt.net/140alf-grundätze.htm, AS 13f/ON 97) aktiv wird, ist Teil von ALF.


Anhang B

Wikipedia am 7. Juli 2008 über die Richtlinien der ALF

  • Die Befreiung von Tieren aus den Stätten, in denen sie gequält werden, z.B. Laboratorien, Tierfabriken, Pelzfarmen etc. Die Tiere müssen in ein gutes Zuhause übergeben werden, wo sie frei von Leiden bis zu ihrem natürlichen Ende leben dürfen.
  • Das Zufügen ökonomischer Schäden für all jene, die von der Not und der Ausbeutung der Tiere profitieren.
  • Das Aufzeigen des Horrors und der Gräueltaten, denen Tiere hinter verschlossen Türen ausgesetzt sind, mit Hilfe von gewaltfreien, direkten Aktionen und Befreiungen.
  • Das Ergreifen aller notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, damit weder Mensch noch Tier während der Aktionen Schaden nehmen.


Anhang C

StGB § 278a „Kriminelle Organisation“

§ 278a. Wer eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied beteiligt (§ 278 Abs. 3),

  1. die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist,
  2. die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang oder erheblichen Einfluß auf Politik oder Wirtschaft anstrebt und
  3. die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht,

ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. § 278 Abs. 4 gilt entsprechend.


StGB § 278 Abs. 3

Als Mitglied beteiligt sich an einer kriminellen Vereinigung, wer im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine strafbare Handlung begeht oder sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten oder auf andere Weise in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert.

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