Grundstücke ohne Jagd
EGMR: Zwangsbejagung aller Grundstücke gegen den Willen der BesitzerInnen verstößt gegen die Menschenrechtskonvention
Am 26. Februar 2012 entschied die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass das deutsche Jagdrecht und die darin vorgesehene Zwangsbejagung aller Grundstücke auch gegen den Willen der BesitzerInnen gegen Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls der Menschenrechtskonvention verstoßen. Es wurde festgestellt, dass GrundstückseigentümerInnen das Recht haben müssen, aus ethischen Gründen die Jagd auf ihrem Eigentum zu untersagen. Dabei hat der EGMR im Wesentlichen auch alle jene Aspekte berücksichtigt, die in Österreich für eine Verfassungsmäßigkeit der Zwangsbejagung in den hiesigen Jagdgesetzen vorgebracht werden könnten, insbesondere die Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht und öffentlichen Interessen. Das österreichische Jagdrecht ist in diesen Belangen dem deutschen sehr ähnlich.
Deshalb brachte ein Waldeigentümer in Spittal an der Drau, Kärnten am 27. Oktober 2014 einen Antrag bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft ein, dass ihm auf Basis dieser Entscheidung des EGMR eine Jagdfreistellung seines Grundstücks zustünde. Dieser Antrag wurde aber mangels Basis im Kärntner Jagdgesetz, das keine Jagdfreistellung vorsieht, in den ersten beiden Instanzen abgelehnt. Am 10. Dezember 2015 entschied der Österreichische Verfassungsgerichtshof dazu, dass nun das Kärntner Jagdgesetz und mit ihm die Jagdgesetze aller anderen Bundesländer auf Kompatibilität mit der Menschenrechtskonvention überprüft werden müssen. Dieses Verfahren läuft gerade und es ist zu erwarten, dass sämtliche Jagdgesetze diesbezüglich zu ändern sein müssen. In Zukunft wird also den EigentümerInnen von Grundstücken in irgendeiner Form freigestellt werden müssen, ob sie ihren Grund bejagen lassen oder nicht. Für die momentane Form der Jagd in Österreich, mit Zwangsverpachtung in Form von Revieren an JägerInnen, könnte das durchaus problematisch werden.
Mittlerweile haben sehr viele GrundeigentümerInnen in praktisch allen Bundesländern entsprechende Anträge auf Jagdfreistellung eingebracht. Diese Bewegung entwickelt sich zur Lawine. Sie ist eine Reaktion auf die Arroganz gewisser Teile der Jägerschaft, einfach ohne Rücksicht auf Ökologie und Tierschutz durch massive Fütterungen Überpopulationen zu erzeugen und damit Mensch, Tier und Umwelt übermäßig zu belasten. Die Jagdfreistellungen sind jetzt ein Hebel, Reformen im Jagdgesetz zu erreichen, die über das Verbot der Jagd auf Zuchttiere hinausgehen und auch Fütterungen, Überpopulation und Trophäenhege umfassen.