Das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz von Baden-Württemberg in Deutschland
Die VGT-Kampagne gegen die Jagd auf Zuchttiere hat Reformprozesse zu den Jagdgesetzen der Bundesländer ausgelöst. Gibt es vom Standpunkt des Tierschutzes aus ein sehr gutes Jagdgesetz in den Nachbarländern, das man sich als Vorbild nehmen könnte? In diesem Zusammenhang wird oft das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz in Baden-Württemberg in Deutschland genannt, das erst im Sommer 2015 in Kraft getreten ist. Im Zuge der Beschlussfassung zu diesem Gesetz gab es Demos von tausenden aufgebrachten JägerInnen, die zu viel Tierschutzeinfluss befürchteten. Grund genug, sich das Ganze einmal genauer anzuschauen.
Tierschutz im Jagdgesetz
Das neue Gesetz in Baden-Württemberg nennt sich „Jagd- und Wildtiermanagementgesetz“. Der Jagd wird also das Management von Wildtierpopulationen gegenüber gestellt, das z.B. diese den ökologischen Gegebenheiten anzupassen hat. Darüber hinaus wird der Tierschutz – im Gegensatz zu den österreichischen Jagdgesetzen – an mindestens 4 Stellen deutlich erwähnt:
§ 2 Zi 1: Dieses Gesetz trägt dazu bei, die Jagd als […] Nutzungsform […] unter Berücksichtigung […] insbesondere der Belange des Tier- und Naturschutzes […] zu erhalten und weiterzuentwickeln.
§ 2 Zi 6: Dieses Gesetz trägt dazu bei, die Belange des Tierschutzes aus der besonderen Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf in allen Bereichen der Jagd und des Wildtiermanagements, insbesondere den nach Tierschutzrecht gebotenen vernünftigen Grund für das Töten von Tieren, zu berücksichtigen.
§ 3 (5): Bei der Jagdausübung sind insbesondere die Anforderungen des Tierschutzes und die Grundsätze der Waidgerechtigkeit (§ 8 Abs 1) zu beachten.
§ 8 (1): Eine Jagdausübung ist nur waidgerecht, wenn sie allen rechtlichen Vorgaben sowie allen allgemein anerkannten, geschriebenen oder ungeschriebenen Regelungen und gesellschaftlichen Normen zur Ausübung der Jagd, insbesondere im Hinblick auf den Tierschutz […] sowie im Hinblick auf die Jagdethik, entspricht.
Jagd auf Zuchttiere
In diesem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz gibt es keine Bestimmung gegen Gatterjagden. Nach § 13 (3) kann nur die Behörde durch Anordnung in eingezäunten Grundflächen, Wildparks, Tiergärten, Wildfarmen und Gehegen die Jagd ganz oder teilweise untersagen.
Das Aussetzen von Wildtieren ist nach § 37 nur mit Genehmigung erlaubt. Ausnahmen davon bilden einerseits nach Abs 2 gefundene und aufgezogene Wildtiere, andererseits aber leider auch nach Abs 3 Fasane und Rebhühner. Allerdings, und das ist bemerkenswert, darf man diese Tiere im laufenden und im folgenden Jagdjahr nicht mehr erlegen. Wie gut das kontrollierbar ist und eingehalten wird, bleibt offen. Ein vollständiges Verbot wäre jedenfalls deutlich besser.
Fütterungen und künstlich erzielte Überpopulationen
Nach der Jagd auf Zuchttiere ist in Österreich sicherlich die ständige Fütterung das Hauptproblem bei der Jagd. An der Hohen Wand wurden bei einer Studie 10 ganzjährig belieferte Fütterungen innerhalb von 250 m des Wandfußes festgestellt. Kein Wunder, dass dort die Paarhuferpopulationen Überhand nehmen. Und so begründet man die jährlichen Massenabschüsse.
In Baden-Württemberg sind mit § 33 (2) grundsätzlich alle Fütterungen von Paarhufern verboten. Leider wurde dazu aber von der Jagdlobby eine Ausnahme hinein reklamiert, die jetzt dieses Verbot völlig konterkariert. Da steht nämlich, dass die JägerInnen schon füttern dürfen, wenn sie das der Behörde anzeigen und ein Fütterungskonzept vorlegen, das dann 3 Monate lang geprüft wird. Danach darf über 6 Jahre hinweg wieder gefüttert werden. Ob das letztlich die Überpopulationen eindämmt, darf bezweifelt werden. Ein Verbot für Wintergatter gibt es auch nicht.
Schonzeiten: Wildtiermanagementstufen
Eine interessante Neuerung ist die Einführung von 3 Stufen des Wildtiermanagements nach § 7:
- Nutzungsmanagement: Freie jagdliche Nutzung jener Tierarten, die eine ausreichende Größe, Vitalität und Stabilität aufweisen oder deren Regulation zum Schutz anderer Rechtsgüter notwendig ist.
- Entwicklungsmanagement: Beschränkte jagdliche Nutzung jener Tierarten, die nicht in allen Lebensräumen ausreichende Bestände haben, oder deren Bestand anhaltend zurückgeht oder deren Status nicht ausreichend geklärt ist.
- Schutzmanagement: Keine jagdliche Nutzung und keine Jagdzeiten für jene Tierarten, deren Bestand gefährdet ist oder die nur in geringen Beständen vorkommen.
Welche Tierarten in welche Stufen fallen wird immer wieder erneut behördlich festgestellt werden.
Nach § 41 (2) gibt es eine grundsätzliche Schonzeit für alle Wildtiere zwischen 1. März und 30. April, mit Ausnahme der armen Wildschweine, die man immer jagen darf. Zusätzlich ist es erlaubt, in dieser Schonzeit Jagdhunde dazu zu trainieren, Wildtiere zu verfolgen.
Sieht man sich die dazugehörige Schonzeitenverordnung an, dann sind Steinbock, Murmeltier, Schneehase, Fischotter, Mauswiesel, Auerhahn, Birkhahn, Haselhahn, Rebhuhn, Schneehuhn, Raben und einige andere Tierarten ganzjährig geschont – im völligen Gegensatz zur Situation in Österreich, wo man die Jagd auf Auer- und Birkhähne trotz geringer Bestände mit fanatischer Besessenheit beibehält und Murmeltiere z.B. sogar im Nationalpark gegen Geld abschießen darf. Und Füchse haben von Anfang März bis Ende Juli und Marder von Anfang März bis Mitte Oktober Schonzeit, während es in Österreich für diese Tiere als Jagdkonkurrenten und „Schädlinge“ keine Schonzeiten gibt.
Jagdfreistellung
Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bzgl. des Rechts, am eigenen Grund die Jagd zu verbieten, wird in soweit Rechnung getragen, als dass nach § 14 GrundbesitzerInnen die Jagdfreistellung beantragen können. Allerdings müssen dafür ethische Gründe glaubhaft gemacht werden, die Behörde kann eine entsprechende Erklärung sogar mit eidesstattlicher Garantie verlangen. Zugelassen ist diese Jagdfreistellung aber nur, solange dadurch kein Schaden entsteht. Einen etwaigen Wildschaden in der Nachbarschaft haben diese GrundbesitzerInnen zu begleichen, selbst können sie aber keinen Wildschaden geltend machen, selbst wenn in den Nachbarrevieren kunterbunt gefüttert wird.
Abschüsse von Hunden und Katzen
In Baden-Württemberg ist es erlaubt, Hunde im Wald ohne Leine frei laufen zu lassen. JägerInnen dürfen Hunde nur dann töten, wenn diese erkennbar einem Wildtier nachstellen und wenn das Einwirken auf die HalterInnen erfolglos war und wenn keine anderen Maßnahmen, wie das Einfangen, möglich sind.
Katzen dürfen nur dann erschossen werden, wenn sie streunen, und wenn im Einzelfall eine Genehmigung vorliegt und die Katze in einem Wildruhegebiet oder einem Schutzgebiet unterwegs ist.
Sonstige bemerkenswerte Vorschriften
Ansonsten wirkt dieses Jagd- und Wildtiermanagementgesetz wie ein normales Jagdgesetz. Auffällig ist vielleicht noch, dass nach § 31 (1) Zi 1 die Jagd nur dann erlaubt ist, wenn die JägerInnen in den letzten 12 Monaten Schießübungen absolviert haben. Nach § 31 (1) Zi 6 darf man nicht mit Schrot in Vogelgruppen schießen. Nach § 31 (1) Zi 15 ist die Hetzjagd auf gesunde Wildtiere verboten. § 31 (1) Zi 17 verbietet die Baujagd am Naturbau. Sollten JägerInnen also Kunstbaue verwenden, wie sie auf jeder Jagdmesse angeboten werden, dann dürfen sie offenbar auch wieder ihre Hunde auf Dachs und Fuchs hetzen. Das Verbot der Jagd im Naturbau dürfte die Jagdhunde zu schützen beabsichtigen, weil Dachse dafür bekannt sind, sie bedrängende Hunde im Bau einfach einzugraben und dadurch zu ersticken.
Zusammenfassung
Alles in allem gibt es eindeutig sehr positive Ansätze in diesem Gesetz. Es ist sicherlich besser als alle Landesgesetze in Österreich. Aber der große Wurf ist es auch nicht, dazu sind viel zu viele Ausnahmen zu finden, insbesondere vom Fütterungsverbot. Auch ist die Abhängigkeit von behördlichen Genehmigungen, z.B. für die Fütterungen, die Gatterjagd oder den Abschuss von Katzen, viel zu schwach. Im Bezirk Güssing haben wir gesehen, wie hörig manche Behörden den GroßgrundbesitzerInnen gegenüber sind. Da müssen klare Verbote her, die auch kontrollier- und exekutierbar sind. Und diese vermisst man auch in diesem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz.