Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (01.06.2008)
Behördenmethoden
Fragwürdige Ermittlungsmethoden
- Fälschung einer Zeugenaussage
- Aufstellung falscher Behauptungen, um Zugriff auf Personen und Sachen zu bekommen
- Falsche Übersetzung
- Emails mitlesen
- Lauschangriff
- Handyortung
- Verwertung intimer Informationen um belastende Aussagen zu provozieren
Fragwürdige Maßnahmen
- Beschlagnahme von Gegenständen behindern die Arbeit von NPOs
- Information der Medien bevor Beschuldigte und deren Anwälte informiert werden
- Einschüchterung und Erniedrigung
- Imageschädigung durch Veröffentlichung falscher Behauptungen (Innenminister Platter)
Fragwürdige Argumente
- Legale politische Aktivitäten werden als Tathandlung eines Verbrechens qualifiziert
- Gerücht dass alle Amtshandlungen von der Polizei gefilmt worden wären
- Datenverschlüsselung wird als Verbrechen qualifiziert
Fragwürdige Ermittlungsmethoden
Fälschung einer Zeugenaussage
Über einen der Häftlinge wurde die Verhängung der U-Haft unter anderem mit einer Zeugenaussage begründet. Ein Belastungszeuge habe in einem vertraulichen Gespräch mit der Polizei mitgeteilt, dass er von der Täterschaft eines der Beschuldigten in Bezug auf einen Brandanschlag überzeugt wäre. Bei einer Nachfrage an diesen Zeugen durch einen Rechtsanwalt, stellte sich allerdings heraus, dass dieser überhaupt kein Tatzeuge oder Eingeweihter von Brandstiftungen gewesen war. Er bestätigte gegenüber dem Rechtsanwalt schriftlich, dass die Polizei seine Aussage völlig falsch dargestellt hatte. Niemals habe er sich dahingehend geäußert, dass er von der Täterschaft überzeugt sei, vielmehr könne er über den Fall überhaupt keine Angaben machen. Eine Täterschaft könne er genausowenig ausschließen wie bestätigen. Gegen die ermittelnde Polizistin wurde daher eine Anzeige wegen Verdacht des Missbrauchs der Amtsgewalt erstattet.
Aufstellung falscher Behauptungen, um Zugriff auf Personen und Sachen zu bekommen
Die Darstellung der Polizei und der Staatsanwaltschaft sind in sich widersprüchlich. Einerseit charakterisiert sie die ALF (Animal Liberation Front) auch im Akt zum gegenständlichen Fall folgendermaßen: "Die ALF ist keine Gruppe mit Mitgliedern, sondern ein Beispiel nicht-hierarchischer Aktivität ohne Führung". Auf der anderen Seite bringt sie gegen die Beschuldigten den § 278a StGB zur Anwendung, und wirft den Beschuldigten vor, dass sie Mitglieder einer hierarchisch struktuierten kriminellen Organisation, die unter der Bezeichnung ALF auftritt, wären.
Die Polizei schreibt auch: "Die ALF besteht aus kleinen, anonymen Zellen ohne zentrale Führung". Den Beschuldigten wirft sie aber genau das Gegenteil vor, nämlich dass sie Mitglieder einer kriminellen Organisation namens ALF wären und so einer großen, zentral geführten unternehmensähnlichen Organisation angehören würden.
Aufgrund der jahrelangen Bespitzelung weiß die Polizei mit 100%iger Sicherheit, dass diese 10 Personen, die sie in Haft genommen haben, unmöglich gemeinsam einer hierarchisch organisierten, arbeitsteiligen Organisation angehören. Wie sich auch aus den Akten ergibt, weiß die Polizei weiters, dass es sich hier um zwei Gruppen handelt, die sich politisch für Tierschutz engagierten. Zwischen diesen Gruppen gab es mehr oder weniger keinen Kontakt. Auf dieser Faktengrundlage eine hierarchisch strukturierte, große unternehmensähnliche Organisation zu konstruieren, ist vollkommen absurd.
Eine schlüssige Erklärung für dieses offenbar bewusste Aufstellen falscher Behauptungen durch die Ermittlungsbehörden ist, dass sie die größere Strafdrohung des § 278a nützen wollen, um sich die Ermächtigung für einen drastischen Rundumschlag (Lauschangriff, flächendeckende Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen in unglaublichen Umfang, martialisches Auftreten und Türeneinschlagen, etc.) zu sichern.
Bestimmte Organisationen und Einzelpersonen sollten offenbar eingeschüchtert und zumindest vorübergehend handlungsunfähig gemacht werden, das Image der betroffenen Personen und Gruppen nachhaltig beschädigt werden.
Falsche Übersetzung
Zumindest in einem Fall konnte den Behörden bereits eine falsche tendenziöse Übersetzung nachgewiesen werden. So wurde aus der Sabotage einer Nerzjagd die Sabotage einer Nerzfarm gemacht. Der dezente Unterschied zwischen diesen beiden Übersetzungen ist, dass das Sabotieren einer Nerzjagd vollkommen legal ist, während es sich bei der Sabotage einer Nerzfarm um einen Akt der ökonomischen Sabotage handelt, der illegal wäre.
Emails mitlesen
In dem polizeilichen Zwischenbericht wird auf privaten Emailverkehr sowie Emails aus internen Emaillisten Bezug genommen. Das ist insoferne erstaunlich, als die Überwachung des Emailverkehrs durch die Behörden derzeit (noch) verboten ist. Man muss also die berechtigte Frage stellen, wie die Polizei an diese Emails herangekommen ist.
Lauschangriff
Die Staatsanwaltschaft gibt selbst an, dass bereits seit Jahren Ermittlungen der Polizei gegen TierschützerInnen stattgefunden haben. Seit etwa einem Jahr werden Telefongespräche der verdächtigten Personen abgehört, Emails werden wörtlich zitiert, Standortüberwachungen wurden durchgeführt, allerdings verweigert die Staatsanwaltschaft bis heute den Zugang zu den Bescheiden, welche diesen massiven Lauschangriff begründen... Trotz dieser umfassenden Überwachung hat die Behörde offenbar nichts gefunden, außer private Gespräche in einem geschlossenen Internetforum, in dem über Sinn und Unsinn illegaler Aktionen diskutiert wurde.
Handyortung
Auch Handys wurden angepeilt und die Bewegungen der überwachten Personen mit erstaunlicher Genauigkeit (auf wenige Meter) nachvollzogen.
Verwertung intimer Informationen um belastende Aussagen zu provozieren
Bei der Vernehmung einer Person, bei der eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, versuchten die BeamtInnen diese zu einer belastenden Aussage zu provozieren, indem man Details aus Beziehungsstreitigkeiten mit deren ebenfalls beschuldigten Freund vorhielt. Diese Details waren der Polizei offenbar aus abgehörten Telefongesprächen bekannt, da Sätze teilweise eins zu eins wiedergegeben wurden. Die Polizei hat also offenbar auch Daten über das Privat- und Intimleben der betroffenen Personen verarbeitet und in die Akten aufgenommen.
Fragwürdige Maßnahmen
Beschlagnahme von Gegenständen behindern die Arbeit von NPOs
Durch die umfassenden Beschlagnahmen wurden Einzelpersonen, aber auch Organisationen ihrer Arbeitsgrundlagen beraubt. Besonders im Fall der überhaupt nicht beschuldigten NPOs muss kritisiert werden, dass diese auf extrem drastische Weise in ihrer Aktivität behindert werden. Dem Verein Gegen Tierfabriken etwa wurden Computer, Foto- und Filmarchive, die Buchaltung, die Mitgliederdatenbank und praktisch alle in Ordnern gesammelten Unterlagen entwendet. Ein normaler Vereinsbetrieb kann unter diesern Umständen nicht wieder aufgenommen werden.
Information der Medien bevor Beschuldigte und deren Anwälte informiert werden
Zumindest was die Verhängung der Untersuchungshaft betrifft wurden die Medien sofort darüber in Kenntnis gesetzt, während den Anwälten der Beschuldigten diese Information nicht übermittelt wurde. Sehr bedenklich erscheint auch, dass die Staatsanwaltschaft zwar von einem nicht-öffentlichen Verfahren spricht, der Kurier aber berichtet, dass er über "Justiz-Papiere" verfüge, denen er Ermittlungsdetails über Anschuldigungen spezifischer Personen entnehmen könne. Es wird Anzeige wegen des Verdachts auf den Bruch des Amtsgeheimnisses erstattet.
Einschüchterung und Erniedrigung
Die martialische Polizeiaktion mit dem Einschlagen von Türen, dem Bedrohen mit der Waffe durch wie Räuber maskierte Spezialeinheiten, der Festnahme mit Handschellen, dem Herumbrüllen, etc. war so angelegt, dass ein großer Einschüchterungs- und Erniedrigungseffekt erzielt werden konnte. Viele der Betroffenen sind nach wie vor traumatisiert, schlafen schlecht und schrecken bei jedem Geräusch in der Nacht auf. Menschen die Hunde daheim haben, fürchten um das Leben ihrer vierbeinigen Familienmitglieder, weil sie wissen, dass bei einer derartigen Stürmung schnell einmal ein Hund erschossen werden kann, ohne dass die Beamten deswegen mit Schwierigkeiten rechnen müssten. Erst kürzlich wurde im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung ein Hund durch die Polizei erschossen.
Die Behörden mussten aufgrund der umfassenden vorhergehenden Überwachungsmaßnahmen wissen, dass es sich um völlig harmlose unbewaffnete Personen handelte. Trotzdem traten sie in einer Weise auf, dass man annehmen müsste, dass sie Wohnungen von schwerbewaffneten TerroristInnen stürmten, die schwerbewaffnet im Bett liegen.
Den Betroffenen wurde signalisiert, dass sie dem Staat ausgeliefert sind. Der Staat kann ihre Privaträume stürmen, er kann sie festhalten und sie ihres Eigentums berauben. Der Staat ist allmächtig und kann tun was ihm beliebt.
Noch krasser wird das in der Untersuchungshaft exerziert.
Da in § 8 der StPO festgelegt ist, dass jede Person die nicht rechtskräftig verurteilt worden ist, als unschuldig zu gelten hat, sollte man eigentlich annehmen, dass die Untersuchungshaft keine Strafmaßnahme darstellt, sondern nur dazu dient, (in diesem Fall) die Verdunkelung und die Tatbegehung zu verhindern. Man müsste also annehmen, dass in das Leben der Betroffenen, die ja als unschuldig gelten, so wenig wie nur irgend möglich eingegriffen wird. Man sollte ihnen also nach belieben und ohne Schikanen Bücher zu Verfügung stellen, Fernseh- und Radiogeräte, es sollte möglich sein, ihnen beliebiges Essen von außerhalb zukommen zu lassen. Briefe und Karten sollten ihnen in angemessener Zeit zustellbar sein. Es sollte ihnen möglich sein, sich zu waschen und frische Kleidung zu bekommen. Auch sportliche Betätigung sollte möglich sein und tägliche Besuche. Schließlich handelt es sich um Unschuldige. So steht es zumindest in der StPO und es wird auch von der Menschenrechtskonvention festgesetzt.
Die Wahrheit über die Untersuchungshaft in Österreich sieht aber ganz anders aus.
Den Betroffenen wird jegliche Autonomie genommen. Sie werden schier unvorstellbaren behördlichen Schikanen ausgesetzt. Die Erfüllung jeglichen kleinsten Bedürfnisses - und sei es nur das Lesen eines Buches - muss vorher genehmigt werden. Und dafür gibt es Formulare (die manchmal nicht verfügbar sind), Fristen die eingehalten müssen und ewig lange Bearbeitungszeiten. Es gibt jeden Tag nur eine Stunde Ausgang in den Hof. Nur zweimal in der Woche darf man sich waschen. Man darf sich nicht sportlich betätigen. Das elektrische Licht wird einem nach Willkür der Justizanstalt offenbar beliebig entzogen. Frische Wäsche ist Mangelware. Es ist nicht möglich den Häftlingen Essen von außerhalb zukommen zu lassen. Die Besuche sind extrem eingeschränkt (nur zweimal eine halbe Stunde pro Woche) und der Zeitaufwand für die BesucherInnen ist enorm. Beispiele: 6 Stunden Aufwand für eine halbe Stunde Besuch. Es kann aber auch durchaus sein, dass man den weiten Weg zur Justizanstalt (Wien, Wr. Neustadt oder Eisenstadt) auf sich nimmt, um dann nach einer gewissen Wartezeit zu erfahren, dass man ein anderes mal wiederkommen soll, weil an diesem Tag kein Besuch mehr möglich ist. Vollkommen untragbare Zustände.
Kurz und gut. Den Betroffenen wird eindrücklich vermittelt, dass der Staat allmächtig und in der Lage ist, jede kleinste ihrer Regungen zu überwachen und zu bestimmen. Mit dem was die Untersuchungshaft vorgibt zu sein, hat die Realtität wenig zu tun. Hier geht es um maßregeln, einschüchtern, erniedrigen, klein kriegen und psychisch unter Druck setzen.
Imageschädigung durch Veröffentlichung falscher Behauptungen (Innenminister Platter)
Schon im Jahr 2007, als wie sich jetzt herausstellt intensiv von der Polizei gegen TierschützerInnen ermittelt wurde, kam zu ungerechtfertigten Diffamierungen des VGT. Innenminister Platter stellte in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage unwahre Behauptungen über den Verein Gegen Tierfabriken auf, die diesen als gewalttätig darstellten. Eine Klage gegen den Minister wurde abgewiesen, weil dieser aufgrund seiner Position immun gegen derartige Klagen ist. Der VGT schaltete daraufhin Anzeigen in Standard und Presse, in denen er den Minister der Lüge bezichtigte. Innenminister Platter zeigt darauf keine Reaktion.
Weitere Details zu diesem Vorfall auf www.MinisterTaeuschtParlament.at
Fragwürdige Argumente
Legale politische Aktivitäten werden als Tathandlungen eines Verbrechens qualifiziert
Die Polizei qualifiziert die politische Tätigkeit von engagierten Einzelpersonen und NGOs als Tathandlungen im Sinne der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Protokolle von AktivistInnen-Treffen und belauschte Gespräche in denen über Kampagnen, aber in keinster Weise über die Planung oder Durchführung strafbarer Handlungen gesprochen wird, werden von der Polizei als Beweise für ein "gemeinsames und arbeitsteiliges" Vorgehen von AktivistInnen angeführt. Legale politische Aktivitäten werden auf diese Weise zum Teil eines Verbrechens. Ein Vorstoß der Polizei der in dieser Form in Österreich noch nie stattgefunden hat und eine für die Zivilgesellschaft alarmierende Entwicklung darstellt.
Gerücht dass alle Amtshandlungen von der Polizei gefilmt worden wären
Hartnäckig hält sich in den Medien das Gerücht, dass die Maßnahmen im Rahmen der Hausdurchsuchungen von der Polizei gefilmt worden wären und dass damit sichergestellt wäre, dass alles vollkommen gesetzeskonform abgelaufen wäre. Tatsächlich wurde aber in den wenigsten Fällen überhaupt gefilmt und wenn dann auch nicht alles.
Aber selbst in den Fällen wo Filme von der Polizei angefertigt worden sind, diente diese Maßnahme ja nicht dem Schutz der Opfer sondern dem Schutz der TäterInnen, also der Polizei, vor falschen Anschuldigungen. Umgekehrt aber, also zum Schutz der Opfer sind derartige von der Polizei angefertigte Filme wertlos, oder glaubt jemand, dass die Polizei Filmmaterial, das sie selbst belasten würde, bereitwillig dem Opfer für eine Anzeige zur Verfügung stellen würde.
Interessanterweise wurde den Beschuldigten selbst, aber auch unbeteiligten Dritten das Filmen der Amtshandlungen strengstens untersagt. Eine Dokumentation im Sinne der Betroffenen war also nicht möglich. Warum wohl.
Datenverschlüsselung wird als Verbrechen qualifiziert
Die Polizei und Staatsanwaltschaft qualifiziert das Verschlüsseln von Emails und Dateien oder ganzen Festplatten als Teil eines kriminellen Akts. Ihrer Ansicht nach handelt es sich dabei um eine aufwändige Abschirmungsmaßnahme, die als krimineller Akt verfolgt werden muss. Einem der Beschuldigten wird nichts anderes vorgeworfen, als selbst Daten verschlüsselt zu haben und andere über die Möglichkeit des Verschlüsselns von Dateien und Emails informiert zu haben.
Tatsache ist, dass die Verschlüsselung von Emails und Daten ein weit verbreiteter Standard ist, der von Firmen ebenso wie von Parteien und NGOs genützt wird. Das Verschlüsseln ist vollkommen legal und wird auch von staatlichen Stellen empfohlen. Behörden, wie das deutsche "Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik" stellen sogar gratis Software für Verschlüsselungsverfahren auf ihrer Website zur Verfügung.
Das Bundesamt schreibt dazu: "Eine normale E-Mail ist immer offen wie eine Postkarte, und der elektronische ' Briefträger' -- und andere -- können sie immer lesen. Die Sache ist sogar noch schlimmer: die Computertechnik bietet nicht nur die Möglichkeiten, die vielen Millionen E-Mails täglich zu befördern und zu verteilen, sondern auch, sie zu kontrollieren." Und weiter: "Was wir Ihnen hier vorschlagen, ist ein Umschlag für Ihre elektronischen Briefe. Ob Sie ihn benutzen, wann, für wen und wie oft, ist ganz allein Ihre Sache. Software wie Gpg4win gibt Ihnen lediglich die Wahlfreiheit zurück. Die Wahl, ob Sie persönlich eine Nachricht für wichtig und schützenswert halten oder nicht.
Das ist der Kern des Rechts auf Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis im Grundgesetz, und dieses Recht können Sie mit Hilfe der Software Gpg4win wahrnehmen. Sie müssen sie nicht benutzen -- Sie müssen ja auch keinen Briefumschlag benutzen. Aber es ist Ihr gutes Recht."
Naja, dass es auch in Österreich ein Recht auf Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gibt, dürfte sich noch nicht bis zur österreichischen Polizei und Staatsanwaltschaft herumgesprochen zu haben.