Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (01.05.2013)
Tierversuche weltweit und in Österreich
Schon in der Antike wurden aus Neugier Versuche an lebenden Tieren durchgeführt, doch erst im 19. Jahrhundert etablierte sich der Tierversuch in der Wissenschaft. Weltweit werden jährlich ca. 60 Millionen Wirbeltiere in Versuchen „verbraucht“, zählt man die Versuche für die gentechnische Veränderung oder die Spezialzucht (z.B. Krebsmaus) von Tieren dazu, sind es ca. 130 Millionen. In der EU sterben 12 Millionen Wirbeltiere in Versuchen pro Jahr. Die Länder mit den meisten verbrauchten Versuchstieren im Jahr 2005 waren:
Anzahl der Tierversuche in den letzten Jahrzehnten
Fast kein Land der Welt führt Statistiken über Tierversuche, lediglich in der EU liegen welche für die letzten Jahrzehnte vor. Die Entwicklung seit 1945 kann man nur aus der Tierversuchsstatistik von Großbritannien entnehmen, wird aber überall in der westlichen Welt ähnlich verlaufen sein:
Die Tierversuche nahmen also von einem absoluten Minimum nach dem 2. Weltkrieg zu einem Maximum ca. 1972 zu, wurden dann wieder bis 1999 weniger, um seitdem wieder anzusteigen. Die Zunahme bis 1972 wird mit der Technisierung der Gesellschaft und der Expansion der Wissenschaft bei zunehmendem Wohlstand erklärt. Der Rückgang der Tierversuche sei auf die Verbesserung des Forschungsstandards zurückzuführen, der Experimente an Zellkulturen statt an lebenden Tieren ermöglicht. Seit 1999 macht sich die Gentechnik durch immer mehr Tierversuche bemerkbar. Die statistischen Daten aus Großbritannien zeigen, dass die Anzahl gentechnisch veränderter Tiere im Versuch seit 1995 stetig zunimmt, während in derselben Zeit die Anzahl anderer Versuchstiere durchgehend zurückgeht.
Aus Österreich gibt es seit 1991 Statistiken, damals wurden 482.166 Tiere in Versuchen verwendet. Dann ging die Anzahl an Versuchstieren jährlich wie in Großbritannien bis 1999 mit 130.295 zurück. Doch bereits ab dann gibt es wieder einen Anstieg:
In Österreich stirbt also momentan etwa alle 3 Minuten ein Versuchstier!
Welche Tiere werden in Versuchen verwendet?
EU-weit sind von den 12 Millionen verwendeten Wirbeltieren ca. 60% Mäuse, 17% Ratten, 9% Reptilien und Amphibien, 7% Vögel, 3% Kaninchen, 2% Meerschweinchen und 1,5% Nutztiere. Insgesamt werden jedes Jahr ca. 11.000 Affen sowie 31.500 Hunde und Katzen in Tierversuchen verbraucht. Fast die Hälfte dieser Affen wurde in der freien Wildbahn und ein Viertel der Hunde und Katzen als Streuner gefangen und in ein Versuchslabor verschleppt.
In Österreich machen die Mäuse rund 80% der Versuchstiere aus, die Ratten lediglich 5%. Dazu starben im Jahr 2010 in Österreich 17.000 Kaninchen, 5.000 Meerschweinchen, 2.500 Schweine, 1.300 Vögel und 1.100 Hamster im Tierversuch.
Wofür werden Tierversuche gemacht?
Medizinische und biologische Grundlagenforschung: 32% der Tierversuche in Österreich, Tendenz steigend, im Jahr 2000 war der Anteil der Grundlagenforschung an den Tierversuchen noch 20%. Grundlagenforschung bedeutet, die Tierversuche werden aus wissenschaftlicher Neugier durchgeführt, ohne einen konkreten z.B. medizinischen Nutzen für Menschen im Auge zu haben. So wurden im Jahr 2012 Elektroden in das Gehirn von Tauben implantiert, um festzustellen, welche Gehirnzentren bei Wechsel des Magnetfelds aktiv werden, sodass die Tauben wieder nach Hause finden, wenn sie ausgesetzt wurden.
Beispiel Kaffeeversuch: Im Krebsforschungszentrum in Wien wurden 312 Ratten 14 Tage lang mit verschiedenen Kaffeesorten abgefüllt. Dann spritzte man ihnen einen Krebserreger zwischen die Beine und verfolgte die Krebsentwicklung über die nächsten Monate, um die Wechselwirkung von Kaffeekonsum und Krebs zu studieren.
Beispiel Lawinenversuch: 25 Schweine wurden betäubt und dann in Vent in Tirol mit Messgeräten versehen im Schnee vergraben. Die WissenschaftlerInnen wollten den Lawinentod simulieren und dabei beobachten, welche Organe zuerst versagen und wie das Sterben abläuft.
Beispiel Graugansversuch: In Grünau im oö Almtal wurden 26 wilde Graugänse eingefangen. Dann transplantierte man ein zigarettenschachtelgroßes Messgerät in ihre Körper, das über eine Antenne, die aus dem Hals herausragte, den Herzrhythmus an eine externe Beobachtungsstation übertrug. So wollte man feststellen, wie aufgeregt die Gänse auf die Ankunft ihnen fremder Gänse oder auf andere Ereignisse reagieren.
Entwicklung von Medikamenten und Heilungsmethoden für Mensch und Tier: 36% aller Tierversuche in Österreich. Dieser Prozentsatz blieb über die letzten 10 Jahre unverändert. Bei diesen Tierversuchen werden die Versuchstiere zu einem Krankheitsmodell für Menschen verändert, um an ihnen Medikamente und Heilungsmethoden auszuprobieren. Z.B. werden Ratten alkoholsüchtig gemacht, es wird Luft in die Gelenke von Versuchstieren gespritzt, um Arthritis zu simulieren oder bei Hunden wird mit einer Schlinge ums Herz ein Herzinfarkt ausgelöst. Im Forschungsinstitut Himberg werden Tiere gezüchtet, die genetisch an Muskelschwäche oder Krebs leiden, um Modelle für diese Krankheiten bei Menschen abzugeben.
Herstellung und Verträglichkeitsprüfung von Substanzen des täglichen Bedarfs wie z.B. Industriechemikalien oder Medikamente: 29% aller Tierversuche in Österreich, noch vor 10 Jahren waren es 39%, aber Zellkulturtests erweisen sich zunehmend in diesem Zusammenhang als verlässlicher. Im Tierversuchslabor in Himberg wurde z.B. die Verträglichkeit von Coca Cola, Red Bull und Kombucha an verschiedenen Nagetieren getestet. Die folgenden Wirkungen der Substanzen werden dabei geprüft:
- Giftigkeit
- Krebsauslösung
- Erbgut- und Embryoschädigung
- Hautätzung
- Schleimhautreizung (Auge)
In Österreich sind dann Krankheitsdiagnostik (1%), Ausbildung (1%) und Sonstiges (1%) die Gründe für die restlichen Tierversuche, im Verhältnis eher irrelevant. In der EU werden 12,5% der Tierversuche für „Sonstiges“ durchgeführt, und darunter fallen Tierversuche für das Militär und für die Erhöhung der Leistung landwirtschaftlicher Nutztiere in Tierfabriken, EU-weit betrifft das immerhin 1,5 Millionen Tiere pro Jahr!
Tierversuche für Kosmetik
Seit 2003 dürfen in der EU keine Kosmetika mehr verkauft werden, die in Tierversuchen entwickelt wurden. Dieses Verbot gilt allerdings nur für die Endprodukte. Ein Verbot der Testung der Inhaltsstoffe gilt nur für jene, die ausschließlich in Kosmetika vorkommen. Diese machen allerdings nur 10% aller in Kosmetika verwendeten Inhaltsstoffe aus.
2009 trat in der EU ein Vermarktungsverbot von im Tierversuch getesteten Kosmetikprodukten in Kraft. Allerdings gibt es eine Ausnahme für 3 toxikologische Tests bis zum Jahr 2013, und möglicherweise darüber hinaus. Diese Tests sind:
- Giftigkeit bei wiederholter Gabe der Substanz
- Wirkung auf Erbgut und Embryo
- Toxikokinetik, d.h. Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Substanzen im Körper
Gentechnik
Mittels Gentechnik erhofft man Eigenschaften von Lebewesen vorherbestimmen und verändern zu können, um sie in einer Weise zu „produzieren“, wie sie in der Natur nicht vorkommen. Ziele sind dabei:
- Grundlagenforschung, d.h. Neugier, was dieses oder jenes Gen bewirkt
- Medizinische Forschung
- Xenotransplantation, d.h. die genetische Veränderung von Organen z.B. im Schwein zu menschlicheren Organen, um die Abstoßreaktionen bei der Transplantation zum Menschen zu unterdrücken,
- Gene Pharming, d.h. die gentechnische Veränderung von Tieren, um als Produktionsmaschine für chemische Stoffe zu dienen
- Anpassung von Nutztieren an noch intensivere Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft
Haltung der Versuchstiere
Die für Versuche verwendeten Tiere werden in minimal kleinen, standardisierten Käfigen gehalten, die ihnen keinerlei Lebensqualität bieten. Eine Änderung der Käfiggrößen, und damit eine Anpassung an gehobenere Tierschutzstandards, wird mit dem Argument abgelehnt, dass größere Käfige die bisher erlangten Tierversuchsergebnisse nicht mehr reproduzierbar machen. Mit einer etwas besseren Lebensqualität nämlich verstärkt sich das Immunsystem und bewirkt, dass die Tiere resistenter gegen Gift oder gegen Krankheitskeime werden.
Die Tiere werden i.a. pathogenfrei gehalten, d.h. um überhaupt zu ihnen zu gelangen, müssen die TierpflegerInnen eine chemische Schleuse passieren und dabei vollständig ihre Kleidung wechseln. Die Tiere selbst sind dann in Überdruckräumen untergebracht, aus denen etwaige Keime hinaus geblasen werden. Bei der speziell pathogenfreien Haltung müssen die Tiere ihr gesamtes Leben in winzigen Plastikumhüllungen verbringen, in einer vollständig künstlichen und kontrollierten Atmosphäre. Mit diesen Maßnahmen will man verhindern, dass fremde Krankheitskeime die Versuchsergebnisse beeinflussen.
Leid der Versuchstiere
Tierversuche finden hinter verschlossenen Türen statt, nur selten dringen Informationen der dortigen Vorgänge nach außen, meistens, wenn TierschützerInnen undercover als TierpflegerInnen in den Labors tätig sind. In Australien und Kanada müssen die ExperimentatorInnen selbst angeben, wie sehr nach ihrer Einschätzung die Versuchstiere unter ihren Versuchen leiden.
Australien: 64% geringes Leid, 16% schweres Leid, davon 1% Leid bis zum Tod, 20% der Versuchstiere werden terminal anästhesiert. In Zahlen bedeutet das, dass allein in Australien pro Jahr ca. 250.000 Versuchstiere zu Tode gefoltert werden, ohne dabei ein Betäubungsmittel zu erhalten!
Kanada: 27% der Versuchstiere würden nach Angaben der ExperimentatorInnen nur wenig leiden, und 33% gering, aber insgesamt 40% leiden moderat bis schwer. Dazu ist zu bedenken, dass verschiedene Studien ergeben haben, dass diejenigen, die selbst die Experimente durchführen, aus psychologischen Gründen das von ihnen selbst zugefügte Leid z.T. sehr stark unterschätzen.
In Großbritannien gibt es Statistiken über den Gebrauch von Betäubungsmitteln bei Tierversuchen: 67% der Versuchstiere erhalten keinerlei Betäubung, 9,5% werden vollständig betäubt und nach Versuchsende getötet, bevor sie wieder erwachen. 24% der Versuchstiere erhalten eine lokale oder vollständige Betäubung, die nur temporär wirkt, sodass die Tiere wieder ein Bewusstsein erlangen.