Verein gegen Tierfabriken
Verein gegen Tierfabriken
23.05.2025
Interview mit Veterinärmediziner und Wildtierexperte Dr. Hans Frey
Angesichts der besorgniserregenden Entwicklung, dass seit März 2025 Menschen, die in Salzburg Tauben füttern, zunehmend kriminalisiert und sogar von der Salzburger Staatsanwaltschaft verfolgt werden, hat der VGT den renommierten österreichischen Wildtierexperten und Veterinärmediziner Dr. Hans Frey zu einem Gespräch eingeladen. Im Interview erklärt Dr. Frey, worauf es bei einer artgemäßen Betreuung von Stadttauben ankommt – und warum eine verantwortungsvolle Stadtpolitik tiergerechte Lösungen ermöglichen muss.
Dr. Hans Frey: Geboren 1944; Veterinär, Spezialgebiete Parasitologie, Wildtiere; seit 1972 wissenschaftlicher Beamter am Institut für Parasitologie und Zoologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Lektor für Zoologie, Wissenschaftlicher Leiter der Auffangstation für Wildtiere des Vereins "Eulen- und Greifvogelschutz Österreich" (EGS). Quelle: https://www.naturschutzhunde.at/%C3%BCber-uns/wissenschaftlicher-beirat/
Frage 1: Die Stadt Salzburg beruft sich bei der Verfolgung der illegalen Taubenfütterung auf § 182 Strafgesetzbuch*, der Gefährdungen des Tier- oder Pflanzenbestandes thematisiert und greift, wenn eine Handlung geeignet ist, die Verbreitung einer Seuche unter Tieren zu fördern oder den Tierbestand zu gefährden. Was halten Sie von dieser Herangehensweise?
[*Andere Gefährdungen des Tier- oder Pflanzenbestandes § 182 StGB. (1) Wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, 1. die Gefahr der Verbreitung einer Seuche unter Tieren herbeizuführen oder 2. die Gefahr der Verbreitung eines für den Tier- oder Pflanzenbestand gefährlichen Krankheitserregers oder Schädlings herbeizuführen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag auf andere als die im § 180 bezeichnete Weise eine Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestand in erheblichem Ausmaß herbeiführt.]
Dr. Frey: Der § 182 des Strafgesetzbuches, der eine Gefährdung des Tierbestandes durch Handlungen, wie das Auslegen von Futter, unter Strafe stellt, ist grundsätzlich nicht falsch. Es ist wahr, dass bei jeder Fütterung eine gewisse Gefahr der Krankheitsübertragung besteht. Sobald sich Tiere an einem Futterplatz versammeln, können Krankheitserreger leichter verbreitet werden. Das betrifft aber nicht nur die Tauben, sondern jede Art der Vogelfütterung. Es könnte theoretisch jeder, der einen Vogelkäfig oder ein Vogelhaus im Garten oder auf dem Fensterbrett hat, in eine ähnliche Lage geraten.
Aber auch bei anderen Wildtieren, wie bei der Rotwildfütterung, gibt es ähnliche Risiken: Eine Ansammlung von Tieren an Futterstellen begünstigt die Verbreitung von Parasiten oder Krankheiten wie der Tuberkulose, die zum Beispiel bei Hirschen vorkommen kann, wenn sie sich an gemeinsamen Futterplätzen infizieren. Die Möglichkeit von Krankheitsübertragungen ist also grundsätzlich bei jeder Art von Fütterung gegeben. In der Praxis kommt es zu solchen Krankheitsausbrüchen nur sehr sporadisch.
Würden wir das auf alle Tierarten anwenden, müsste man theoretisch sämtliche Fütterungen von Wildtieren und sogar das Aufstellen von Vogelhäusern im Garten verbieten. Trotz dieser offensichtlichen Risiken würde niemand auf die Idee kommen, die Betreiber:innen solcher Fütterungsmaßnahmen strafrechtlich zu verfolgen. Wer das Thema ernst nimmt, muss eine einheitliche Regelung für alle Fütterungen fordern, statt mit zweierlei Maß zu messen.
Es ist durchaus möglich, dass sich Krankheiten in Tierbeständen verbreiten, aber diese Fälle sind eher selten.
Frage 2: Wird Ihrer Meinung nach beim Auslegen von artgerechtem Taubenfutter der Straftatbestand von § 182 Strafgesetzbuch erfüllt?
Dr. Frey: Das hängt stark davon ab, wie die Fütterung durchgeführt wird. Wichtige Faktoren sind hierbei die hygienischen Bedingungen und die Qualität des Futters. Ein schlechtes Futter kann das Immunsystem der Tiere schwächen und so Krankheitsausbrüche begünstigen, was wiederum zu einer Verbreitung von Infektionen führen kann. Daher ist es entscheidend, dass Fütterungen unter kontrollierten Bedingungen und mit hochwertigem Futter stattfinden, um das Risiko von Krankheiten zu minimieren.
Es ist jedoch zu betonen, dass die Gefahr von Krankheitsausbrüchen grundsätzlich immer besteht, wenn Fütterungen unsachgemäß oder unter schlechten Bedingungen durchgeführt werden. Dies gilt nicht nur für Tauben, sondern auch für Wildtiere wie beispielsweise Rotwild oder Wildschweine, bei denen ebenfalls große Mengen an Futter ausgelegt werden. Wenn man das Füttern von Tauben als Straftat betrachtet, müsste man konsequenterweise auch alle anderen Formen der Wildtierfütterung verbieten, da die gleichen gesundheitlichen Risiken bestehen. Das Problem ist, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Es gibt zahlreiche Beispiele für Wildfütterungen, die in Österreich weit verbreitet sind, und diese werden nicht unter denselben rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet wie das Taubenfüttern. Daher ist es problematisch, beim Taubenfüttern Strafen zu verhängen, während ähnliche Praktiken bei anderen Wildtieren weitgehend unbeachtet bleiben.
Frage 3: Wie denken Sie über von der Stadt betreute Futterplätze für Tauben?
Dr. Frey: Ich halte es für den vernünftigsten Ansatz, wenn die Stadt betreute Futterplätze für Tauben einrichtet, um das Problem der Taubenfütterung zu lösen. Es ist nicht zielführend, die Menschen zu kriminalisieren, die sich um die Tauben kümmern. Tierfreund:innen, die eine starke emotionale Bindung zu ihren Tieren haben, werden auch dann nicht aufhören, wenn Strafen oder Strafprozesse drohen.
Die sinnvollste Lösung wäre, die Fütterung unter kontrollierten Bedingungen zu erlauben – an bestimmten, überprüften Futterplätzen. Diese sollten regelmäßig kontrolliert werden, etwa abends, um sicherzustellen, dass das Futter ordnungsgemäß aufgenommen wird und keine Reste zurückbleiben, die Ratten anlocken könnten. Ein solcher kontrollierter Rahmen würde es ermöglichen, das Verhalten der Tiere zu beobachten, und könnte auch helfen, mögliche Krankheitsausbrüche frühzeitig zu erkennen.
Die Kriminalisierung von Taubenfreund:innen führt nur zu Konflikten und verschärft die Situation. In Wien, wie auch anderswo, gibt es seit Jahren solche Spannungen zwischen Taubenliebhaber:innen und Taubengegner:innen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist häufig indifferent, aber die Verärgerung auf beiden Seiten fördert nur emotionale Auseinandersetzungen und keine nachhaltige Lösung. Eine kontrollierte Fütterung wäre der einzige Weg, die Situation zu verbessern und gleichzeitig eine vernünftige Lösung zu finden.
Frage 4: Sind Tauben auf die Versorgung durch den Menschen angewiesen oder können sie sich wie Wildvögel selbst artgerecht versorgen?
Dr. Frey: Es hängt stark von der jeweiligen Taubenpopulation ab. Tauben sind sehr traditionsgebunden, was bedeutet, dass sie ihre Niststätten ihr Leben lang behalten und immer wieder nutzen. Das betrifft auch ihre Futterplätze.
Es gibt auch Taubenpopulationen, die in Stadtrandbereichen leben, wo sie in der Nähe von Feldern brüten und sich von dort ernähren. Diese Gruppen sind weniger auf die menschliche Fütterung angewiesen, da sie ihre Nahrungsquelle aus der Natur beziehen. Sie lernen das von ihren Eltern, die ihnen die Nahrungsquelle zeigen.
Wenn jedoch eine Futterquelle in der Stadt, auf die eine Gruppe von Tauben angewiesen ist, plötzlich eingestellt wird, besteht tatsächlich die Gefahr, dass diese Tauben verhungern, weil sie keine andere Nahrungsquelle kennen. Das zeigt die starke Abhängigkeit der Tauben von ihren traditionellen Futterplätzen. Es ist also nicht einfach, diese Tiere dazu zu bringen, sich plötzlich eine neue Nahrungsquelle zu suchen, die sie nicht kennen.
Frage 5: Wenn die Tauben also nicht mehr gefüttert werden und sich nur noch von den Bröseln in der Stadt ernähren können, reicht das dann für sie aus?
Dr. Frey: Nein, das reicht nicht aus, und das stellt ein ernstes Problem dar. Jede Taubenpopulation hat sich an bestimmte Futterstellen angepasst, die über Jahre hinweg regelmäßig genutzt werden. Diese Futterstellen sind nicht wechselnd, sondern es kehren immer die gleichen Tauben dorthin zurück, um sich zu ernähren. Es gibt in Städten wie Wien wahrscheinlich tausende solcher Taubenpopulationen und jede Gruppe ist auf ihre eigenen, stabilen Nahrungsquellen angewiesen. Tauben sind nicht flexibel genug, um plötzlich in einen anderen Bezirk oder auf Felder zu fliegen, um nach Futter zu suchen. Die Futterstellen, die Menschen auslegen, sind nur kurzfristig verfügbar, da das Futter schnell aufgenommen wird.
Wenn diese gewohnten Futterquellen wegfallen, finden die Tauben in kurzer Zeit keine Alternativen, was ihre Versorgung extrem einschränkt. Es ist daher wichtig, die stabilen Futterquellen in der Stadt zu erhalten, um das Überleben der Taubenpopulationen zu sichern.
Frage 6: Wenn welches Futter gefüttert wird?
Dr. Frey: Es sollte immer artgerechtes Futter gegeben werden, das an die Jahreszeit und die Bedürfnisse der Tiere angepasst ist. Das gilt für alle Wildtiere, einschließlich Tauben. Wenn zum Beispiel ein Rothirsch im Winter mit Mastfutter gefüttert wird, ist das nicht nur unnatürlich, sondern auch gesundheitsschädlich für den Hirsch. Hirsche sind an karge Winternahrung angepasst, die meist aus Almgras oder hochwertigem Heu besteht, aber nicht aus Mastfutter. Das ist ein häufiges Problem, wenn Menschen versuchen, Wildtiere zu „verbessern“ und ihre Trophäen zu vergrößern, ohne auf die natürlichen Bedürfnisse der Tiere Rücksicht zu nehmen.
Genauso wie Wildtiere in freier Natur ihre Nahrung selbst finden, sollten auch Tauben in der Stadt auf natürliche Weise versorgt werden, ohne dass Menschen ihnen unpassendes Futter geben.
Frage 7: Was ist Ihre Botschaft an die Stadt Salzburg?
Dr. Frey: Die Diskussion über Taubenfütterung ist in jeder Stadt ein wiederkehrendes Thema, das sich immer wieder in ähnlichen Wellen abspielt. In Wien habe ich diese Entwicklung mehrfach erlebt: Es wird vehement gefordert, das Füttern zu verbieten, doch es hat nie funktioniert. Statt die Situation zu verbessern, kriminalisiert man die Fütter:innen und zwingt sie dazu, heimlich zu füttern, was die Bedingungen noch verschlechtert. Die einzig sinnvolle Lösung ist Transparenz und offene Kommunikation. Die Fütterungen sollten kontrolliert und in begrenztem Maß erlaubt werden, an Orten, an denen bereits Fütterungen stattfinden, aber unter besseren hygienischen Bedingungen. Wenn man den Bestand auf einem akzeptablen Niveau hält, können Konflikte vermieden werden. Die Fütterungen sollten von der Stadt aktiv begleitet werden, ohne die Fütterer zu kriminalisieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
23.05.2025, Salzburg
Angesichts der besorgniserregenden Entwicklung, dass seit März 2025 Menschen, die in Salzburg Tauben füttern, zunehmend kriminalisiert und sogar von der Salzburger Staatsanwaltschaft verfolgt werden, hat der VGT den renommierten...
12.05.2025, Salzburg
Es ist kaum zu fassen: Die Stadt Salzburg hat den Bau des bereits geplanten Taubenhauses nach dem Augsburger Modell im März 2025 erneut verworfen. Und das, obwohl ein Standort bereits festgelegt war und die FH Puch/Urstein ihre...
07.05.2025, Wien
Das 6. Jahr in Folge bewahrten Ehrenamtliche des VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN auch heuer hunderte Kröten, Frösche und Molche vor dem Überfahrenwerden. Das erfolgreiche Amphibienschutzprojekt Hanslteich wurde 2020 ins Leben gerufen,...
11.03.2025, Wien
WANN: Sonntag, 6. April 11:00 Uhr WO: direkt beim Hanslteich, Amundsenstraße 10, 1170 Wien Der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN betreut seit 6 Jahren das Amphibienschutzprojekt am Hanslteich. Wir möchten bei diesem interaktiven Termin auch die...
29.01.2025, Wien
Wann: Sonntag, 2. März, 11.00 Uhr Wo: beim Hanslteich, 1170 Wien (neben dem Restaurant Klee ) Seit 6 Jahren betreut der VGT einen mobilen Amphibienschutzzaun beim Hanslteich in Neuwaldegg. (Der Zaun wird von der Stadt Wien – Umweltschutz...
19.06.2024, Wien
Die Temperaturen steigen und gerade in den letztenen Jahren hat der Pool-Bau im privaten Garten einen besonderen Boom erlebt. Jedes Jahr häufen sich die Berichte über Tiere, die in Privatgärten aus Swimming Pools gerettet werden...
03.05.2024, Wien
Den 65 ehrenamtlichen Helfer:innen, die heuer 10 Wochen lang in über 800 Stunden mit viel Einsatz und großer Leidenschaft am Amphibienschutzprojekt Hanslteich des VGT mitgewirkt haben, steht die Enttäuschung ins Gesicht...
22.11.2024, Innsbruck
Vom städtischen Wildtierbeauftragten wurde – auch im Austausch mit der Tierschutzseite – ein Taubenschutzkonzept erstellt, das sich bereits in Umsetzung befindet. Fixer Bestandteil des Konzepts sind Taubenhäuschen wie jenes im Rapoldipark....
26.01.2023, Innsbruck
Am Freitag, den 30. April 2021, übergab der VGT dem Vize-Bürgermeister von Innsbruck, Hr. Johannes Anzengruber, die Petition zum Erhalt des Taubenschlages im Olympischen Dorf. 1.641 Bürger:innen unterstützten diese Petition. Herr Anzengruber...
22.06.2022, Innsbruck
Die Rechtsanwaltskanzlei Kirchmauer hat eine Anzeige wegen Tierquälerei durch Unterlassung gegen den Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi sowie die Vizebürgermeister Markus Lassenberger und Johannes Anzengruber eingebracht. Ebenso gegen die...
05.05.2021, Innsbruck
Gute Nachrichten für alle Tier- und besonders Taubenfreund:innen in Tirol: der Taubenschlag, dessen Weiterbestand gefährdet war ( der VGT berichtete ), bleibt! Er soll an einem anderen Ort aufgestellt werden. Der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN hat in...
17.04.2021, Wien
Neben dem ohnehin sehr intensiven Einsatz für die laufenden Kampagnen (z.B. Vollspaltenbodenkampagne ) engagiert sich die Tiroler Aktivgruppe jetzt auch für ein brisantes Tierschutz-Thema in der eigenen Heimatstadt: die Erhaltung des ersten und...