Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (26.05.2009)
Kommentare zum Polizeischlag gegen den Tierschutz
Nachdem die polizeilichen Abschlussberichte auf unserer
Webseite erschienen sind, haben uns folgende Kommentare
und Briefe an die Justizministerin erreicht.
Die AutorInnen haben der Veröffentlichung zugestimmt:
Die Grünen, Albert Steinhauser
Initiative Zivilgesellschaft, Josef Kreitmayer
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gabriele Kompatscher
Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth
Pax Christi, Univ.-Prof. Dr. Kurt Remele
Ao. Univ.-Prof. Dr. Max Siller
Gemeinsames Kommentar von 11 NGOs
Stellungnahme zum Paragraph 278 StGB
Grundproblematik und Vorschlag für eine
Lösung
Gemeinsames Kommentar von Dr. Regina Haslinger, Professor Peter Sloterdijk, Professor Peter Weibel, Künstlerin Renate Lohrmann, Künstlerin Irene Andessner, Künstlerin Elisabeth Karall
Tierschutz-Causa - ein demokratiepolitischer Supergau?
Versucht man sich darüber klar zu werden, in welcher Form
sich die Ermittlungen der Polizei über den ganzen Zeitraum
von über 2 Jahren niedergeschlagen, wohin sie geführt haben
und was letztlich von dem schweren Geschütz der Alarm- und
Kontrollinstanzen übrig geblieben ist, folgt nur die eine
Konsequenz, daß die Polizei gegen sich selbst ermittelt.
Das wird sie nicht tun. Aber wir fordern, daß der Strafprozeß
gegen die Tierschützer eingestellt wird. Das Schadens-Verhältnis
zwischen den Anklägern und den Geklagten ist vollkommen
disproportional und man kann daraus nur schließen, daß mit
der Verfolgung und Kriminalisierung der Tierschutzbewegung
der Versuch unternommen wurde, sozial-politischen Widerstandsbewegungen
ihre Freiheit und die Ausübung demokratischer Grundrechte
zu nehmen. Der Öffentlichkeit wurde ein völlig verzerrtes
Bild gegeben, um eine Gegen- sogar Haßstimmung auf den Tierschutz
zu erzeugen und zu bestärken. In Wahrheit stellt sich die
Frage, wer wen bekämpft und mit welchen Mitteln und für
welche Interessen. Haben sich einzelne Wirtschaftszweige
durch Politik-Lobbying von ihren Kritikern befreien wollen?
Die Vermutung liegt nahe, daß es hier um massive Einschüchterung
und Repressionen geht. Wenn dies so ist und die verantwortlichen
Rechtsinstanzen nicht von der Anwendung des Mafia-Paragraphen
§278a gegen Mitglieder von NGOs, Personen, die für eine
faire Behandlung von Mitwelt und Umwelt eintreten, Abstand
nehmen, sind Österreichs Ansehen und demokratische Werte
und mit ihnen sozail engagierte Bürger in Gefahr.
Die Unterzeichner wollen daher klarstellen und appellieren,
daß es für sie wie für die Mehrheit der Bevölkerung nicht
infrage kommt, sich schweigend an behördliche Unrechtshandlungen
anzupassen.
Unterzeichner: Regina Haslinger, Peter Sloterdijk, Peter Weibel, Renate Lohrmann, Irene Andessner, Elisabeth Karall.
Kommentar von der Albert Schweitzer Stiftung
Die Ermittlungen der Polizei hatten von Beginn an einen faden Beigeschmack: Das österreichische Recht erlaubt weitreichende Ermittlungsmethoden gegen kriminelle Organisationen mit mindestens zehn Mitgliedern. Da sich einige der zehn verdächtigen Tierschützer untereinander nicht mochten, und schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zueinander hatten, drängt sich der Gedanke auf, dass getrickst wurde, um den Anschein einer zehnköpfigen Organisation zu wecken.
Nach dem Studium des Abschlussberichts über Dr. Dr. Martin Balluch lässt sich folgendes festhalten: Nach 2,5 Jahren Lauschangriff (Abhören von Telefonen, Lesen von E-Mails, Verwendung von Peilsendern) kann Martin Balluch keine einzige Straftat nachgewiesen werden. Der Abschlussbericht weckt Assoziationen an eine Rufmordkampagne, da Zitate vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen werden, von Martin Balluch weitergeleitete E-Mails als seine eigenen dargestellt werden und praktisch alle Hinweise und Belege, die Martin Balluch entlasten könnten, verschwiegen werden. Außerdem wird Herrn Balluch per Übersetzungsfehler eine zweijährige Haftstrafe zur Bewährung in England untergejubelt. In Wirklichkeit ging es aber um eine Bagatelle, die mit einem Bußgeld von 50 Pfund belegt wurde. Selbst diese 50 Pfund musste Martin Balluch nicht zahlen, da dies nur für den Fall vorgesehen war, wenn er innerhalb von zwei Jahren eine weitere, vergleichbare Ordnungswidrigkeit begangen hätte.
Außerdem wird Martin Balluch unterstellt, er würde zur kriminellen ALF (Animal Liberation Front) gehören. Insbesondere, weil er Animal Liberation Workshops organisiert. Dass diese Workshops nur einen ähnlichen Namen wie die Animal Liberation Front haben, inhaltlich aber nichts mit dem kriminellen Gedankengut der ALF zu tun haben, hätte den Ermittlern eigentlich auffallen müssen. (»Animal Liberation« ist ein in der Tierschutzszene weit verbreiteter Begriff, der keine Schlüsse über eine etwaige Gewaltbereitschaft zulässt.)
Ohne damit alle Merkwürdigkeiten aus dem Abschlussbericht
aufgezählt zu haben, überlassen wir das Schlusswort Robert
Misik von derStandard.at:
http://derstandard.at/?url=/?id=1237230304354
Sehr geehrte Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner,
unglaublich wie der Staat Österreich mit Hilfe der Polizei
versucht, Tierschutzer_innen und ihre Bewegung zu kriminalisieren.
Die Abschlussberichte, die nach 2,5 Jahren Ermittlungen
den Beschuldigten gegeben worden sind, sind dürftig. Zwei
Abschlussberichte, der von DDr Martin Balluch und der von
einer VGT Mitarbeiterin, sind auf der VGT-Homepage zu lesen:
http://www.vgt.at/hinweise/20090417Abschlussberichte/index.php
Demokratie ist zu schätzen, nicht zu zerstören.
Erschütternd, dass so etwas in Österreich geschehen kann. Bitte lesen Sie selber die Abschlussberichte. Unschuldige Menschen im Gefängnis ist keinesfalls akzeptabel!
Hr. F. Alvarez
Kommentar von Christoph Altenburger
Sehr geehrte Fr. Justizministerin,
Ich bin der Sprecher der Gruppe SAVE, einer jungen Gruppe von StudentInnen, die sich für Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Tierschutz einsetzen. Ich studiere Rechtswissenschaft und Philosophie.
Ich verfolge intensiv die Entwicklung rund um den §278a in Zusammenhang mit den TierschützerInnen. Ich bin wirklich schockiert und kann es einfach nicht fassen, was hier passiert. Ich mache mir bereits ernsthafte Sorgen um den Zustand des österreichischen Rechtsstaates. Mittlerweile liegen selbst die Polizeiberichte vor und auch diese bringen überhaupt keine Beweise für kriminelle Handlungen, sondern zielen eher auf die Denunzierung der Beschuldigten auf Grund ihrer politischen Meinung ab.
Ich bitte Sie ernsthaft darum, dass sie das Verfahren beenden, damit der Rechtsstaat nicht weiter in Verruf gebracht wird. Ansonsten mache ich mir ernsthafte Sorgen um unsere Demokratie. Ich habe ein gutes Recht darauf, eine freie Meinung zu haben und mich politisch für hohe Ziele zu engagieren, so wie jeder Mensch. Mittlerweile fürchten sich aber viele AktivistInnen davor, politisch im Sinne der Demokratie aktiv zu sein.
mit freundlichen Grüßen Christoph Altenburger in Namen von Students for Animal Rights, Veganism and the Environment
Kommentar von Albert Steinhauser, Die Grünen
Das Schreiben von Gerhard Frank
Sehr geehrte Frau Bundesministerin!
Ich bin seit bald 3 Jahrzehnten Mitglied des Wiener Tierschutzvereines und seit vielen Jahren im Tierschutz aktiv, auch beim VGT.
Deshalb bin ich umso mehr erschüttert, dass es in Österreich möglich ist, Tierschützer einzusperren, weil sie mächtigen Personen in diesem Land unbequem geworden sind.
Wenn engagierte, meist junge, gebildete Menschen wegen ihrer Teilnahme an polizeilich genehmigten Demonstrationen die Mitgliedschaft an einer Organisierten Kriminalität vorgeworfen wird und ihnen Nötigung bzw. schwere Nötigung unterstellt wird, wie man den Abschlußberichten entnehmen kann, ist das ein demokratiepolitisches Alarmsignal.
Für mich ist der Rechtsstaat ins Wanken geraten und ich ersuche Sie, sich ihrer politischen und demokratischen Verantwortung bewußt zu sein und zu verhindern, dass Tierschützer, die sich politisch in der Öffentlichkeit für die Verbesserung der katastrophalen Bedingungen im Nutztierbereich einsetzen, nicht kriminalisiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Frank
Sehr geehrte Frau Justizministerin,
ich kann mir nach dem Lesen der seit 17. April 2009 im Internet veröffentlichen Abschlussberichte zum Tierschutzfall rund um den Paragraphen 278a StGB und rund um die Verhaftungen im Mai 2008 beim besten Willen nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die diesen Witz lesen und die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft nicht für völlig verrückt halten.
Diese Texte hätte ich schlicht für unmöglich gehalten. Welche Wahnsinnigen müssen in den Ämtern sitzen, dass es überhaupt so weit kommen konnte? Diese Leute gehören nicht bestraft, sondern auch zu ihrem eigenen Schutz in Nervenheilanstalten gesteckt. Wie können bloß so viele Leute gleichzeitig ohne jede vernünftige Grundlage dem selben Wahn verfallen?
Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir ausmalen können, dass auch beim verzweifeldsten, boshaftesten Vorsatz Leute solche Absurditäten ernsthaft mit der Absicht aufschreiben andere zu verurteilen. Und noch schockierender ist der Umstand, dass sich dann auch noch Leute in höheren Positionen finden, die diesen Irrsinn absegnen.
Ich muß mir jetzt einreden, dass keine einzige der bisher verantwortlichen Personen diesen Quatsch jemals gelesen hat und sich alle bloß von den abstrusen Behauptungen der Berichterstatter_innen und der unüberschaubaren Menge an Material beeindrucken ließen. Andernfalls fühle ich mich bedroht selbst verrückt zu werden ...
Es ist völlig inakzeptabel, dass Beamte solche haltlosen
Anschunldigungen als Grundlagen für eine Strafverfolgung
und sogar Verurteilung anerkennen und es unterlassen eine
neutrale Informationssammung der Polizei einzufordern. Diese
tolldreisten
Behauptungen müssen so schnell wie möglich entlarft und
all die Personen, die hier ihre Ämter aufs Schändlichste
missbraucht haben, ihrer Macht enthoben werden!
Bitte beenden Sie dringend diese Farce, damit nicht noch größerer Schaden am Image des österreichischen Staats und an den Grundrechten der hier offensichtlich unrechtmäßig Verfolgten Personen und Organisationen angerichtet wird und die Vollzugsbehördendie darin gebundenen Ressourcen endlich wieder für seriöse Arbeit im Sinne der Rechtsstaatlichkeit einsetzen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Franz Gratzer
Kommentar der Initiative Zivilgesellschaft, Josef Kreitmayer
Brief von Diakon MMag. Wolfgang Kimmel
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
Wie viele Österreicher, Christen und katholische Geistliche, habe ich eine hohe Meinung über unseren Rechtstaat im Allgemeinen und unsere Justiz im Besonderen. Straftaten werden einerseits nach Möglichkeit verfolgt und geahndet, zugleich herrscht andererseits Konsens über den Schutz der Gesinnungsfreiheit. Obwohl mir gewisse, öffentlich geäußerte Meinungen gelegentlich missfallen, bin ich froh, dass es auch für solche Ansichten den öffentlichen durch die Meinungsfreiheit geschützten Raum gibt. Gewiss gibt es dafür zurecht Grenzen – siehe Wiederbetätigungsverbot – doch unser Rechtsverständnis fußt im Grunde auf einer großzügigen Auslegung der Gesinnungs- und Gedankenfreiheit: wohl nicht zuletzt, weil wir wissen, dass Demokratie davon lebt, dass nicht selten abweichende „Minderheitenmeinungen“, die anfangs verpönt waren, sich im gesellschaftlichen Diskurs schließlich behaupten und durchsetzen konnten.
Am vergangenen Wochenende las ich die Sachverhaltsdarstellung der Polizei im Fall DDr. Martin Balluch. In der Beweisführung durch die ermittelnden Behörden geschieht etwas, das unserer Rechtstaatlichkeit zutiefst widerspricht: Aus DDr. Balluchs pointierten (mitunter auch problematischen) Meinungsäußerungen wird auf eine Verwicklung in Straftaten geschlossen, ohne dass für letzteres ein Beweis erbracht werden konnte. Ein solcher Versuch zur Beweisführung ist sachlich nicht zu rechtfertigen und denunziatorisch. Ich bin bestürzt, dass die Verantwortlichen der Polizei zulassen konnten, dass eine derartige Darstellung überhaupt an die Justiz geschickt werden konnte.
Frau Bundesministerin, ich appelliere dringend an Sie, Ihre geschätzten Mitarbeiter und an die Staatsanwaltschaft, nicht zuzulassen, dass es auf Grundlage dieser Sachverhaltsdarstellung zu einer Anklage kommt. Gerade weil Tierschutz und Tierrechte in unserer Gesellschaft derzeit (noch) Minderheitenanliegen sind, steht im Falle einer auf Verdächtigungen gestützten Anklage ein verzerrter, auf Vorurteilen beruhender Verlauf des Prozesses zu befürchten. Ich ersuche Sie auch, angesichts der evidenten Missbrauchsmöglichkeit und zum Schutz des Rechtstaats und der Bürgerfreiheit, sich für eine Revidierung des § 278a StGB einzusetzen.
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung!
MMag. Wolfgang Kimmel
Kommentar von Prof. Dr. Kompatscher
Betr.: Polizeilicher Abschlussbericht von DDr. Martin Balluch
Mit Entsetzen habe ich 2008 die Inkriminierung der erfolgreichsten TierschützerInnen Österreichs, darunter auch DDr. Martin Balluch, zur Kenntnis genommen. Aufklärung erhoffte ich mir aus dem polizeilichen Abschlussbericht, der nun vorliegt. Meine Hoffnung wurde jedoch dahingehend enttäuscht, dass mir nach der Lektüre dieses Berichtes noch weniger als zuvor klar ist, auf welche Fakten sich die Vorwürfe gegen DDr. Martin Balluch stützen.
Wenn ein derart hoher Einsatz an personellen und finanziellen Ressourcen ein derart dürftiges Ergebnis gezeigt hat, wäre dringendst anzuraten, die Anklagen gegen DDr. Martin Balluch fallen zu lassen. Man möge ihn und seine KollegInnen doch bitte weiterhin ihre äußerst wichtige (legale!) Tierschutzarbeit machen lassen (die eigentlich unter die Pflichten eines moralisch entwickelten Staates fallen würde).
Dr. Gabriela Kompatscher
Mein Komentar :
Haben sich die Beschuldigten bereichert ?
Haben sie jemanden betrogen ( siehe Bankmanager )
Haben sie jemanden körperlich verletzt?
Haben sie versucht Hilflose zu beschützen? Und das ist strafbar
?
Dr. Gerda Krebs
Sehr geehrte Frau Justizministerin,
ich bezeichne mich als allgemein (Un-)Rechts-interessierten Menschen, der stets versucht durch Dialog zu vermitteln, um ein friedliches und tolerantes Miteinander zu erschaffen. In meiner Tätigkeit als Grafiker und EDV-Vortragender lerne ich regelmäßig viele Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten mit den unterschiedlichsten Meinungen kennen, wofür ich sehr dankbar bin und ich als große Bereicherung sehe. Aus der Erkenntnis heraus, dass ein friedliches Miteinander nur gewährleistet sein kann, wenn die Gewaltentrennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative funktioniert, bin ich überzeugter Demokrat.
Mein Vertrauen in die österreichische Demokratie hat aber vor einem Jahr einen sehr schweren Schaden erlitten. Knapp ein Jahr ist es nämlich her, seitdem 10 Tierschützer wegen Verdachts auf kriminelle Tätigkeiten in Untersuchungshaft genommen worden sind. Nach den anfänglichen Fragen"wer hat was getan?", "was wird vorgeworfen?", nach vielen persönlichen Recherchen und Gesprächen mit Betroffenen wurde mir klar, dass hier eine Hexenjagd stattfindet, wie sie seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr praktiziert worden ist. Hier und jetzt in Österreich - einfach unglaublich...
§278: Tür und Tor für totalitäres System wie schon vor 70 Jahren in Österreich!
Zweiundhalb Jahre abhören, beschatten, illegale DNA-Proben und ein millionenschwerer Ermittlungsaufwand brachten der Polizei meinem Studium der Abschlussberichte nach (http://vgt.at/hinweise/20090417Abschlussberichte/index.php) keinen einzigen Beweis gegen die Beschuldigten. Im Gegenteil: Im Zuge der Ermittlungen kam meinen Recherchen nach viel Entlastendes für die Beschuldigten (Befragungen, Alibis, DNA-Anlysen waren erfolglos ...) zum Vorschein, was aber mit keinem Wort in den für die Richter und Staatsanwälte vorgesehenen Dokumenten von der Polizei erwähnt wird. Wo bleibt da die Fairness, Sachlichkeit und Unabhängigkeit der Ermittler?!
Auf mich macht es den sehr starken Eindruck, dass sich die Polizei als unparteiischer "Wahrheits- und Faktensucher" aus diesem Fall ausgeklinkt hat und ausschließlich Weisungen der politischen Gegenspielern der Tierschützer folgt, um diese tendenziell in ein schlechtes Licht zu rücken.
Dass nicht Sachbeschädigung von (noch immer) Unbekannten Antrieb der Polizei-Ermittlungen gegen die Tierschützer war, sondern eher mächtige Wirtschaftstreibende, welche durch legale Kampagnen und verbesserte Tierschutzgesetze massive wirtschaftliche Einbußen hinnehmen mussten (Pelzfarmverbot, Käfigeierverbot, ...), wird mir mit jedem Tag klarer. Vielen engagierten Menschen ist nun bewusst, dass die gesellschaftlichen Werte wie "Meinungsfreiheit" oder "soziale Verantwortung", die von unseren Vorfahren so hart erkämpft wurden, wieder einmal neu verteidigt werden müssen. Dank dieser Auslegung des §278, wie sie nun statt findet, hat offensichtlich eine "Sippenhaftung" im österreichischen Gesetz Einzug erhalten, die in genau der gleichen Art auch in totalitären Herrschaftssystemen wie dem Nationalsozialismus als Maßnahme gegen politische Gegner angewandt wurde!
Als meine Eltern 1987 unter Lebensgefahr aus der damaligen CSSR (Slovakei) vor einem totalitären Herrschaftssystem - dem Kommunismus - flohen, strebten sie nach Meinungsfreiheit, Demokratie fernab von Repression und Staatsterror. In einem Land, in dem mir droht als aktiver Demokratie-Ausübender durch mein friedliches Engagement im Umwelt-, Tier- und Menschenschutz als "Sympatisant von anderen Kritikern" für Jahre im Gefängnis zu landen, fühle ich mich nicht mehr sicher. Ich fühle mich nicht mehr beschützt. Ich fühle mich nicht mehr in der Ausübung der Demokratie und Meinungsfreiheit bestärkt.
Sie, als oberste Vertreterin der Judikative, sind meine letzte Hoffnung diese Besiegelung der totalen Macht der mächtigen Lobbies, eine Absage zu erteilen und eine faire, allumfassende Wahrheitsfindung zu gewährleisten. Bitte helfen Sie mein Vertrauen in Österreich, als Land der gelebten Demokratie und Gerechtigkeit wieder herzustellen!
Hoffnungsvoll
Georg Martinka
Brief von Univ.-Lektor Dr. Neuwirth
Sehr geehrte Frau Minister,
Als Nicht-Vegetarier und nur lauwarmer, nicht-aktiver Tierfreund fühle ich mich verpflichtet, Ihnen gegenüber meiner Besorgnis über gewisse Entwicklungen Ausdruck zu geben:
Die für Österreich, aber auch für jegliches andere zivilisierte Land, äußerst ungewöhnlichen behördlichen Aktionen gegen Tierschützer haben viele Beobachter vor den Kopf gestoßen. Die inhaltlich sehr mageren Ergebnisse des im übrigen haarsträubenden polizeilichen Schlussberichtes (ich habe den Teil über DDr. Balluch gelesen) scheinen nun zu bestätigen, dass - in Zeiten, wo Justiz- und Polizeiapparat aus budgetären Gründen seit Jahren schwer überlastet sind (Stichworte z.B.: Einbrüche, Banküberfälle, Kampusch) - möglicherweise leichtfertig millionenteure Überwachungs- und Einschüchterungsmaßnahmen gesetzt wurden, die in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Resultaten stehen.
Schon die filmreifen Verhaftungen mit Maske und gezogener Pistole, das Eintreten der Türen usw. können wohl nur als Übung für den Ernstfall und nicht als ernst zu nehmende Gefahrenabwendung angesehen werden, da die Behörden ja auf Grund ihrer jahrelangen Abhöraktivitäten wissen mussten, dass keinerlei gewaltsamer Widerstand zu erwarten war. Dies ist auch aus dem Bericht ersichtlich, der nirgendwo einen Hinweis auf für die Einsatzkräfte bedrohliche Vorkehrungen seitens der Tierschützer enthält. Aus diesem Schlussbericht geht aber auch hervor, dass fast alle Anschuldigungen aus bloßen Insinuationen und Vermutungen bestehen. Konkret gibt es nur einige private telefonische deftige Bemerkungen, die, offensichtlich auch aus dem Zusammenhang gerissen, den Eindruck des Ungehörigen vermitteln können.
Das Vertrauen vieler anständiger StaatsbürgerInnen in den Rechtsstaat ist durch diesen vielleicht eklatantesten Anschlag auf die österreichischen Grundrechte seit dem Zusammenbruch der Naziherrschaft und dem Abzug der Russen schwer erschüttert. Schließlich ist zu befürchten, dass in Zukunft ähnliche Einschüchterungs-Aktionen auch gegen jede Art von engagierten Menschen und deren "Sympathisanten" und finanzielle Unterstützer angezettelt werden können, wenn sie die Geschäfte vereinzelter Branchen gefährden. Dies könnte aktive Gentechnikskeptiker, Atomkraftgegner, Nationalparkfreunde ebenso treffen wie etwa humanitäre Gruppen, die sich für den Boykott bestimmter unter menschenrechtsverachtenden Bedingungen produzierter Erzeugnisse einsetzen. Irgendein Wirtschaftszweig wird solch umsatzsenkendes Engagement immer mit Missfallen registrieren und seinen Einfluss geltend machen, um zu versuchen, die unbequemen Kritiker mundtot zu machen .
Ich ersuche Sie daher, sehr geehrte Frau Minister, alles in Ihrer Macht stehende zu unternehmen, um ein für allemal
sicherzustellen, dass der dubiose § 278a des Strafgesetzes ehebaldigst dahingehend reformiert wird, dass er zwar wie ursprünglich vorgesehen gegen echte mafiöse Vereinigungen wie Menschen-, Drogen-, Falschgeldhändler usw. eingesetzt werden kann, jedoch nicht gegen aktive Bürger, deren Engagement die Geschäfte vereinzelter fragwürdiger Wirtschaftssektoren beeinträchtigt ( z.B. Pelzhandel, Billigst-Schweinehaltung, qualvolle Aufzucht von Fasanen als Zielscheibe für Sonntagsjäger usw.),
sicherzustellen, dass teure Lausch- und Spitzelaktionen bei offensichtlicher Sinnlosigkeit vorzeitig abgebrochen werden, bevor die verschwendeten Steuergelder Millionenbeträge erreichen und damit für die Behörden schwerwiegende Erfolgszwänge entstehen,
sicherzustellen, dass die Geschäftsinteressen einzelner nicht zu einer ungebührlichen Beeinflussung behördlicher Apparate führen können,
sicherzustellen, dass nicht, während Bankräuber und Einbrecher ungestört ihren Aktivitäten nachgehen, Dutzende hochqualifizierter Ermittler ausfallen, weil sie in einer Soko Pelztier Dienste verrichten müssen, an deren Sinnhaftigkeit sie vielleicht selbst nicht glauben,
sicherzustellen, dass nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird und es so zu überzogenen Einsatzbefehlen an anderswo dringend benötigte Polizeikräfte kommt, die dann natürlich auch Mittel anwenden, die nur bei der Bekämpfung echter gefährlicher Kriminalität zum Einsatz kommen sollten,
sicherzustellen, dass Österreichs Ansehen in der Weltöffentlichkeit nicht weiter leidet und dass der vorliegende Fall zu einer guten österreichischen Lösung führt. Die drei Monate ihres Lebens, die jeder der Festgenommenen als Untersuchungshaft verloren hat, sind für dumme Bemerkungen, die bei abgehörten privaten Gesprächen gefallen sein mögen, und für etwaige Aktionen des zivilen Ungehorsams sicherlich mehr als genug Bestrafung.
Die obgenannten Maßnahmen könnten das erschütterte Vertrauen vieler denkender BürgerInnen in die Rechtsstaatlichkeit der Republik Österreich und in ihre PolitikerInnen wieder festigen.
Schließlich möchte ich Sie, sehr geehrte Frau Minister, noch dringend ersuchen, den polizeilichen Abschlussbericht - wenigstens auszugsweise - selbst zu lesen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir mitteilen könnten, ob dieser Bericht nicht auch bei Ihnen wie bei vielen anderen anständigen, unbescholtenen BürgerInnen große Verunsicherung und Besorgnis auslöst und ob Sie nicht auch meinen Eindruck teilen, den ich Ihnen im Folgenden noch kurz skizzieren darf:
Methodisch erscheint mir der polizeiliche Schlussbericht erschreckend: Wiederholtes Verschweigen von Alibis und sonstigen entlastenden Fakten (lt. Berichts-Kommentar von DDr. Balluch), Aufzählung von harmlosen, manchmal fast komischen NGO-Aktivitäten ohne kriminelle Aspekte, Mehrfachbesprechung von bereits behandelten Meldungen zur Aufblähung des Volumens des inhaltlich mageren Berichtes, Berichte über Handlungen anderer Personen, wo eine Beteiligung des Observierten nicht einmal von den Verfassern behauptet wird, Formeln wie Es wird angenommen, offenbar, möglicherweise, vermutl., höchstwahrscheinlich, wird ... kennengelernt haben, ... ist davon auszugehen, es wird von ausgegangen, muss von ... ausgegangen werden, ... kann davon ausgegangen werden, den Schluss zulassen ..., mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, weiters eine erschütternd falsche Übersetzung aus dem Englischen, die aus einer auf zwei Jahre bedingten (und erlassenen) Geldstrafe von 50 englischen Pfund eine zweijährige bedingte Haftstrafe macht, sowie zahlreiche andere Seltsamkeiten in dem Bericht dürften jedem unbescholtenen Bürger die Haare zu Berge stehen und ihn an Österreichs Rechtsstaatlichkeit (ver)zweifeln lassen. Letztlich: Für ein linguistisches Gutachten, das etwas gegen Balluch beweisen soll, dabei aber - bei aller Sympathie für die Linguistik (bin selbst Linguist) - wie alle solchen Gutachten mit einem erheblichen Unsicherheitsfaktor behaftet ist, soll der horrende Betrag von 40.000 Euro ausgegeben worden sein - überraschend in Zeiten wie diesen.
Ich sehe Ihrer Rückäußerung mit Interesse entgegen und verbleibe mit dem Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung
Ihr
Gernot Neuwirth
Univ.-Lektor Mag. Dr. Gernot Neuwirth
Kommentar von Pax Christi, Univ.-Prof. Kurt Remele
Kommentar und Brief von Jasmin Penninger
Sehr geehrte Frau Mag. Claudia Bandion-Ortner,
ich schreibe Ihnen als Reaktion auf die Ereignisse rund um die 10 Tierschützer_innen, denen nun bald der Prozess bevorstehen soll. Ich habe mir einige der Abschlussberichte der Polizei sorgfältig durchgelesen und ich bin schockiert ob dieser Lächerlichkeit und bodenlosen Frechheit. Wie soll denn bitte auf der Grundlage von solchen Fakten eine Anklage geformt werden? Wo sind handfeste Beweise oder dergleichen?
Ich bin dankbar, dass Herr DDr Balluch seinen Kommentar zu seinem eigenen Abschlussbericht, der zur Gänze auf der Homepage des VgT (www.vgt.at) zu finden ist, abgegeben hat. So wird es nur noch deutlicher, wie schwachsinnig das alles ist. Ich kann nur hoffen, dass Sie ein möglichst objektives Bild von der Sache haben und sich für Fairness einsetzen.
Das ist in meinen Augen ein Skandal! Wenn man bedenkt, dass die haltlosen Aktionen der Polizei, die zahlreichen Überstunden der Observation, die Lauschangriffe etc. von Steuergeldern bezahlt wurden, und wie unlängst in einer Zeitung stand, für diesen Fall keine Kosten gescheut wurden, so steigt Wut, Ärger und Enttäuschung angesichts der Entwicklung des Rechtssystems in diesem Staat in mir hoch - und in vielen anderen auch.
Bitte lesen Sie sich den unten angeführten Brief an Herrn DDr Balluch durch. Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie sich die Demokratie und der Rechtsstaat zunehmend in diesem Land verabschieden. Es muss etwas unternommen werden! Die Behördenwillkür muss ein Ende nehmen! Ich bitte Sie, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, so wie es die Bürger_innen dieses Staates von Personen wie Ihnen erwarten!
Vielen Dank für Ihre Bemühungen.
Ich verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jasmin Penninger
Sehr geehrter DDr Martin Balluch,
ich bin entsetzt, schockiert und wütend! Ich weiß nicht ob ich angesichts der Lächerlichkeit der in Ihrem Bericht dargelegten Fakten in Tränen oder in Gelächter ausbrechen soll. Das kann doch unmöglich der Ernst der Polizei sein! Jeder vernünftig denkende Mensch sieht auf den ersten Blick, dass es sich hierbei um einen - nicht gerade gelungenen - Versuch handelt, Menschen wie Sie, die sich vehement für eine gute Sache einsetzen - in diesem Fall den Tierschutz - zu diskreditieren und simpel und einfach in der Öffentlichkeit in den Dreck zu ziehen. Die Vermutung liegt mehr als nahe, dass die Tierschutzbewegung einigen anscheinend sehr einflussreichen Leuten ein Dorn im Auge ist.
Es ist einfach unfassbar und unbegreiflich, dass ein derartiges Vorgehen in einem (angeblichen) Rechtsstaat wie Österreich geduldet wird! Bemerkenswert ist es meiner Meinung nach, dass sie, die Verantwortlichen für diesen Bericht, überhaupt den Mut besitzen, etwas derartiges vorzulegen, wohlmöglich auch noch im Glauben, tatsächlich etwas Handfestes gegen Sie in der Hand zu haben.
Da die Abschlussberichte der anderen Betroffenen nicht zu lesen sind, Sie jedoch die Führungsrolle der offensichtlich imaginären kriminellen Organisation, dieses lächerlichen Hirngespinstes der Polizei und weiterer Leute, innehaben sollen, kann ich nur vermuten, dass sich in diesen noch weniger Information von sinnvoller Substanz befindet.
Ich kann nur hoffen, dass diese Absurdität, dieser geradezu surreal erscheinende, einem Alptraum gleichenden Skandal bald ein Ende nimmt. Wo ist die Gerechtigkeit in diesem Land? Ich habe jedenfalls wieder ein stückweit mehr meinen Glauben an einen Rechtsstaat oder Vertrauen in die Polizei verloren. Auch in meiner Familie und in meinem gesamten Bekanntenkreis, sowie auch an der Universität Wien, werde ich in meinem Standpunkt durchgehend bestätigt. Es herrscht allgemeine Betroffenheit. Aber auch Wut, Enttäuschung und Fassungslosigkeit.
Wenn ich Ihren Bericht lese, und mir in Erinnerung rufe, welches unmögliche Verhalten die Polizei und die Staatsanwaltschaft bisher in dieser Causa an den Tag gelegt haben, so werde ich meiner eigenen Hilflosigkeit und meines eigenen Ausgeliefertseins an die Obrigkeit bewusst. Dieser Fall beweist für mich einmal mehr, dass sich Österreich nicht Demokratie nennen kann.
Wie Sie setze ich mich für eine möglichst gewaltfreie Welt ein. Wie Ihnen sind mir Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Tierschutz ein Anliegen. Mir bleibt die Hoffnung, dass dieser Schrecken bald ein Ende nimmt, dass die Medien diesen Skandal immer wieder aufgreifen und der Öffentlichkeit zugänglich machen, dass sich noch viele weitere Menschen aufraffen, sich für Gerechtigkeit und Fairness einzusetzen. Danke für Ihre Arbeit und viel Erfolg weiterhin. Menschen wie Sie braucht dieses Land!
Mit freundlichen Grüßen,
Jasmin Penninger
Kommentar von Michaela Schaller
Sehr geehrte Frau Justizministerin!
Aufmerksam habe ich den polizeilichen Endbericht für DDr. Martin Balluch gelesen. Wenn dieser Bericht tatsächlich alle Vorwürfe und Beweise beinhaltet, frage ich mich, wie die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift formulieren will und wie es zu 26 Hausdurchsuchungen durch bewaffnete Polizeieinheiten und 104 Tage Untersuchungshaft für 10 Personen kommen konnte?
Sollte es tatsächlich zu einem Strafprozess wegen Bildung einer kriminellen Organisation kommen, wäre mein Vertrauen an den Rechtsstaat zutiefst erschüttert. Ich könnte mich nicht der Meinung erwehren, dass man Tierschutzvereine ganz gezielt "ausschalten" will, damit die Tierausbeuter ungestört ihren Geschäften nachgehen können.
Ich hoffe so sehr, dass Sie, sehr geehrte Frau Justizministerin, dieser ungeheuerlichen Jagd auf Tierschutzaktivisten ein Ende setzen, damit diese Menschen ihre wichtige Arbeit für die geschundenen rechtlosen Kreaturen fortsetzen können.
Mit freundlichen Grüßen
Michaela Schaller
Kommentar von Irene Schillinger
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit blankem Entsetzten habe ich den lang erwarteten Abschlussbericht der Polizei zur Verhaftung, Beschattung, Abhörung, usw. des Tierschützers DDr. Martin Balluch gelesen.
Ist das wirklich Ihr Ernst?? Soll es tatsächlich aufgrund von diesem Konvolut an nichtssagenden Zitaten und ohne auch nur annähernd einen einzigen Beweis zu einer Anklage kommen??
Welche NGO-Arbeit wird es dann noch in Zukunft geben können, wenn ein normaler Aufruf zum Protest bereits als kriminell gilt und man mit Gefängnisstrafen rechnen muss??
Schlimm genug, dass die Polizei sich zu einem so primitiven Rundumschlag hinreissen hat lassen - auf wessen Auftrag auch immer. Aber lassen Sie nicht zu, dass sich unsere Justiz auch noch international lächerlich macht.
Mit freundlichen Grüssen
Irene Schillinger
Kommentar von Mag. Schmidinger
Im Sommer 2008 werden 10 Tierschützer(innen) für über 100 Tage in Untersuchungshaft gesperrt, ohne dass man ihnen bis heute eine konkrete strafrechtlich relevante Tat nachweisen kann. Konstruierter Vorwurf daher: Bildung einer kriminellen Organisation nach §278a StGB. Letztlich werden sie im September freigelassen, als der Druck der Öffentlichkeit sehr groß geworden ist, u.a. durch Protokolle, die ihren Weg aus dem Innenministerium zu Peter Pilz und danach an die Medien finden, und aus denen klar ersichtlich wird, wie einflussreiche Wirtschaftsunternehmen in Österreich die Verfolgung der Tierschützer in Auftrag gegeben haben. Dass sich das Innenministerium hier instrumentalisieren lassen hat, verwundert weniger, wenn man die Konflikte zwischen Tierschützern und Minister Platter aus den Jahren zuvor kennt. Dass hingegen die Justiz willfährig mitspielt, hat mein Vertrauen in den Rechtsstaat schwer erschüttert. Und wie mir ergeht es fast allen, die diesen Fall kennen. Wie in Österreich mit Menschen umgegangen wird, die für Schwächere die Mittel des zivilen Ungehorsams einsetzen - in der Tradition von Gandhi oder auch Hainburg - ist eine beginnende Demontage der Demokratie.
Da haben bis jetzt auch ganz kritische Stimmen von Menschenrechtsorganisation wie Amnesty International oder dem Mitverfasser des §278a, dem SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim, noch nichts geholfen. Der Tierschutz in Österreich, speziell der Verein gegen Tierfabriken (VGT), hat sich durch die erfolgreiche Arbeit in den letzten Jahren offenbar zu viele Feinde gemacht, scheinbar auch in der Justiz: Die erfolgreichen Kampagnen haben zu großen Fortschritten im Tierschutz geführt, wie dem Verbot der Pelztierfarmen, dem Verbot von Käfighaltung für Kaninchen und v.a. auch dem Verbot der Legebatterien für Legehennen. Dies und die aktuellen Kampagnen gegen Pelzverkauf und auch gegen die Jagd haben in einflussreichen Kreisen in Politik, Polizei und Justiz das Fass wohl überlaufen lassen.
Jetzt, im April 2009, liegen Abschlussberichte der Polizei vor: Trotz massiver jahrelanger Telefonüberwachung, Peilsendern auf Autos, DNA-Spuren-Abgleichen und Millionen an Steuergeldern für die Ermittlungen gibt es nicht den geringsten Hinweis für die Beteiligung der Verdächtigten an einer kriminellen Handlung. Ein fast perfekter Beweis für die Unschuld dieser Menschen, schließt man als normal denkender Mensch. Nicht so die Polizei, die offenbar versucht, krampfhaft eine kriminelle Organisation in einem Personenkreis zu konstruieren, der sich untereinander zum Teil gar nicht kennt. Ich kann die Ermittler(innen) bis zu einem gewissen Grad verstehen, die angesichts des immensen Aufwands und der bereits erfolgten U-Haften unter Erfolgsdruck stehen. Aber wenn mein Verdacht stimmt, dass hier Staatsdiener bereit sind, Unschuldige ins Gefängnis zu bringen, um ihre eigene Karriere zu retten, dann wird mir schlecht
Bald liegt der Ball wieder bei der Justiz. Ich bin gespannt, ob die Justiz und die Politik in Österreich die Größe haben, diese unwürdige Causa endlich zu beenden, und auch eine Mitschuld einzugestehen. Auch dann, wenn ein Richter einem angeklagten Tierschützer gegenübersitzt, der ihm auf einer Jagdstörung vielleicht schon mal den Spaß am Töten von Tieren verdorben hat. Und auch dann, wenn dieser Richter von Politik und Wirtschaft massiv "bearbeitet" worden ist (solche Einflussnahmen sind ja im Jahr 2008 aus Justizkreisen immer wieder durchgesickert).
Sind noch Reste der Demokratie in der Tradition der Hainburg-Proteste in Österreich erhalten? Oder leben wir bereits in einem totalitären Staatsgebilde, in dem NGOs von Wirtschaft und Politik nur solange akzeptiert werden, solange sie erfolglos oder zumindest profillos agieren und somit getrost ignoriert werden können?
Mag. Kurt Schmidinger
Schreiben von Univ.-Prof. Max Siller
Das Schreiben von Paula Stibbe
Sehr geehrte Frau Justizministerin,
dieses E-Mail sende ich an Sie nachdem ich die auf der Website vom Verein Gegen Tierfabriken veröffentlichten polizeilichen Abschlussberichte für den Obmann des Vereins, DDr. Martin Balluch, und dessen Mitarbeiterin sorgfältig gelesen habe.
Angesichts der drastischen Ermittlungsmaßnahmen bin ich über die dürftigen Ergebnisse dieser Abschlussberichte entsetzt. Belege oder überhaupt Hinweise auf kriminelle Handlungen seitens der Beschuldigten sind praktisch nicht gegeben. Stattdessen entsteht der Eindruck, dass politische Kampagnenarbeit kriminalisiert werden soll.
Zur Rechtsstaatlichkeit gehört auch Rechtssicherheit. Die Mitarbeiter_innen der NGOs in Österreich sind angesichts dieser Vorkommnisse äußerst beunruhigt. Wenn diese Ermittlungsergebnisse tatsächlich die bisherigen rigorosen Maßnahmen der Polizei rechtfertigen, wie z.B. Observationen, Lauschangriffe, Peilsender, Hausdurchsuchungen und Untersuchungshaft, und wenn es auf Basis dieser dürftigen Faktenlage wirklich zu einer Anklage kommt, dann sehe ich die von NGOs wichtige gesellschaftspolitische Arbeit in ihren Grundlagen gefährdet. Mit dieser Verdachtslage könnte praktisch jede Organisation kriminalisiert werden.
Ich bitte Sie daher in einem offenen Brief, der Rechtsunsicherheit im NGO-Engagement ein Ende zu setzen und damit Rechtsstaatlichkeit wieder herzustellen. Beenden Sie bitte dieses Verfahren und lassen Sie NGOs wieder ungestört ihrer demokratiepolitisch wichtigen Arbeit nachgehen, ohne Angst und Verunsicherung, und zum Wohl der gesamten Gesellschaft.
Hochachtungsvoll,
Paula Stibbe