Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (21.07.2005)
Wien, am 21.07.2005Pressekonferenz zum Singvogelfang
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Ornithologisches Gutachten zum Singvogelfang (Dr. Hans Frey, Veterinärmedizinische Universität Wien)
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Juristische Analyse zur Rechtssituation beim Singvogelfang (DDr. Regina Binder, Tierschutzrechtsexpertin und Mitglied des Tierschutz-Rates)
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45 österreichische Tierschutzorganisationen sprechen sich einhellig gegen die Wiedereinführung des Singvogelfangs aus (DDr. Martin Balluch)
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Theorie und Praxis des Singvogelfangs (Ing. Harald Hofner, Dachverband der o.ö. Tierschutzvereine)
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Kompetenzfrage: Ist für den Singvogelfang Bund oder Land zuständig? (Mag. Eberhart Theuer, Rechtsexperte des VGT)
Gutachten zum Fang von Singvögeln in Oberösterreich
Dr. Hans Frey
EINLEITUNG
Der Fang bestimmter Finkenvögel wie Erlenzeisig, Stieglitz, Gimpl und Kreuzschnabel wird zur Zeit nur noch im oberösterreichischen Salzkammergut regional praktiziert. Sinn und Zweck dieser Aktivität ist es "um sie während des rauhen Winters vor Kälte und Futternot zu bewahren" (Zitat Statuten des Vereines der Waldvogelfreunde Wolfgangtal) bzw. sie einem Wettbewerb und Zurschaustellung zur Ermittlung des "schönsten" Vogels zu unterziehen.
Dementsprechend erfolgt der Fang ab Mitte September bis November, die teilweise Freilassung im darauffolgenden Februar bis März oder auch Mai.
FANG
Zum Fang der Singvögel werden vorwiegend Netzkloben sowie Bodennetze verwendet, die früher eingesetzten Bügelkloben bei dem die Vögel beim Fang an den Zehen fixiert werden, sollen heute nicht mehr zum Einsatz kommen. Voraussetzung für den Fang ist der Einsatz eines Lockvogels, der jeweils zu fangenden Art. Im Fanggebiet vorhandene oder vorbeiziehende artgleiche Singvögel werden durch die heftigen Rufaktivitäten und Befreiungsversuche des Lockvogels veranlaßt die Fangeinrichtungen anzufliegen.
Die Auslösung der Netzkloben bzw. Bodennetze erfolgt entweder automatisch oder händisch durch den Fänger. Der derart gefangene Vogel wird im Netz fixiert, anschließend vom Fänger aus dem Netz genommen und in einen dunklen Transportbehälter eingesetzt.
Beurteilung
Mit dem Auslösen der Fangvorrichtung wird der Vogel im Netz derart fixiert, daß eine Flucht trotz heftigster Abwehrversuche unterbunden wird. Diese Situation ist vergleichbar mit der Erbeutung durch einen Freßfeind wie z. B. Sperber oder Katze. Es entspricht damit der maximalen Stressituation, in die ein freilebender Vogel überhaupt geraten kann. Dieser Zustand kann für den Wildvogel sogar lebensbedrohlich sein.
Vögel verfügen schon im physiologischen Zustand über einen extrem hohen Stoffwechsel bedingt durch die im Vergleich zu anderen Wirbeltieren außerordentlich hohe Körpertemperatur und die energiezehrende Fortbewegungsweise des Fluges.
Selbst die Nähe des Menschen gewohnte Heimtiere wie z. B. Wellensittiche oder Kanarienvögel können daher z. B. bei medizinischen Interventionen, die ein Fixieren erfordern (z. B. Schnabel- oder Krallenkorrektur) durch Kreislaufversagen sogar den Tod finden. Diese Stresssituation setzt sich fort durch die Manipulation des Herauslösens aus dem Netz, durch das Verbringen in den Transportbehälter und ebenso den anschließenden Transport in ein für den Vogel völlig ungewohnte bedrohliche Situation.
Einer erheblichen Belastung durch Stress ist darüberhinaus auch der Lockvogel durch Verbringen in, die Bewegungsfreiheit maximal einengende Transportbox und Lochkäfig, ausgesetzt.
Festzuhalten ist weiter, daß meist nicht nur ein (zu fangender) Wildvogel diesem Stress ausgesetzt wird, mehrere, bisweilen zahlreiche. Entsprechend dem Selektionskriterium werden ja nur die "schönsten", also intensiv gefärbte Männchen dann tatsächlich in Gefangenschaft genommen, alle anderen wieder freigelassen. (Eine Tatsache, die dem vorgegebenen, eingangs erwähnten Zweck des Vogelfanges fragwürdig erscheinen läßt).
HALTUNG
Zur "Eingewöhnung" ist es erforderlich die frischgefangenen Wildvögel in kleinen Käfigen abgedunkelt zu halten, da es sonst durch unentwegte Befreiungsversuche zu Verletzungen bzw. Todesfällen kommen kann.
Beurteilung
Beiden Umständen (Käfighaltung, Lichtentzug) widersprechen klar den im Österreichischen Tierschutzgesetz, 2. Tierhaltungsverordnung festgelegten Mindestanforderungen. Diese gelten grundsätzlich für jede Art der Tierhaltung und sind als Mindesterfordernisse zu verstehen, die keinesfalls unterschritten werden dürfen.
Der Stress in dieser Phase der Haltung ist so erheblich, daß sich ein Teil der Wildfänge nie an die Käfighaltung bzw. Nähe des Menschen gewöhnt und wieder freigelassen werden muß.
SCHAUSTELLUNG
Zur Schaustellung (die in Gastwirtschaften praktiziert wird), sowie zum Transport zu und von der Schaustellung, werden die Singvögel in Käfigen verwahrt, die die Mindestanforderungen der 2. Tierhaltungsverordnung bei weitem unterschreiten.
Beurteilung
Dies ist besonders nachteilig im Sinne von Stressauslösung durch das neuerliche Verbringen in einen völlig neue, inadäquate Umgebung und die fortdauernde Unterschreitung der Fluchtdistanz durch Schaulustige und Preisrichter der Vereine. Die bisweilen in den Schauräumen plazierten Koniferen sind nicht als stressmildernd anzusehen sondern verstärken vielmehr die Fluchttendenz der gekäfigten Wildvögel bei Versuchen in ihnen Deckung und Schutz vor den Schaulustigen zu finden.
FREILASSUNG
Jeweils im Mai des Folgejahres des Fanges, werden die Singvögel wieder in die Natur entlassen. Ein Monat zuvor wird der Kontakt zu den Vögeln reduziert und sie werden "verstärkt mit frischer Nahrung aus der Natur versorgt". Nicht freigelassen werden die Lockvögel, z. T. prämierte Vögel, besonders prächtig gefärbte Individuen und die "besten" Sänger. (Auch diese Einschränkung läßt erhebliche Zweifel an der vorgegebenen Zielsetzung des Singvogelfanges aufkommen).
Beurteilung
Die sich zumindest über ein Halbjahr erstreckende Gefangenschaftshaltung verursacht weitgehende Veränderungen und Anpassungen der Stoffwechselfunktionen, des Endokriniums und der Organe des betroffenen Vogels sowie erhebliche Störungen des physiologischen Mauserverlaufes. Es ist davon auszugehen, daß diese Individuen der freilebenden Population und der Arterhaltung dauerhaft verlorengehen. Sie zieht jedenfalls eine hochgradige Belastung und Gefährdung und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod durch selektiv jagende Predatoren nach sich.
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß beim Fang von Kreuzschnäbeln ein weiterer wesentlicher tierschutzrelevanter Aspekt anzuführen ist. Diese Singvogelart ist ein Nahrungsspezialist, der fast ausschließlich von Koniferensamen lebt. Deren Reifezeit bedingt deshalb in den Alpen Bruten vorwiegend im Winterhalbjahr. Die Entnahme dieser Art in den Herbstmonaten kann daher auch Gelegeverluste bzw. den Hungertode von Nestlingen nach sich ziehen. Noch dazu, da selektiv gerade die am prächtigst gefärbten, und damit für die Arterhaltung wichtigsten Individuen entnommen werden. Die angeführten Belastungen und Beeinträchtigungen sind als qualvoller Zustand erheblichen Ausmaßes einzuschätzen.
Juristische Analyse zur Rechtssituation beim Singvogelfang
DDr. Regina Binder, Tierschutzrechtsexpertin¹ und Mitglied des Tierschutzrates
Ausgangslage
§ 2 Abs. 2 der Tierschutz-Veranataltungsverordnung (BGBI. II Nr. 493/2004) verbietet das Ausstellen von Wildfängen und bewirkt indirekt ein Verbot des Singvogelfanges, da dieser zum Zweck der Ausstellung der Tiere praktiziert wird. – Durch die geplante Änderung der Tierschutzverantaltungsverordnung soll die Ausstellung gefangener Singvögel wieder zulässig sein.
Der Singvogelfang als Tierschutzproblem
Im Artenschutzrecht geht es ausschließlich um die Erhaltung der Vielfalt der Tierarten und des biologischen Gleichgewichts; Beeinträchtigungen einzelner Tiere sind unerheblich.
Dem Tierschutzrecht geht es darum, jedes einzelne Tier vor ungerechtfertigten Beeinträchtigungen zu bewahren.
Fachgutachten zeigen, dass den Vögeln beim Fangen, beim Ausstellen, bei der Haltung und auch durch die Freilassung Schäden, Leiden und schwere Angst zugefügt werden. Der Singvogelfang ist daher ein Tierschutzproblem, für dessen Regelung nach dem neuen Tierschutzrecht der Bund zuständig ist.
Der Singvogelfang nach dem neuen Tierschutzgesetz
Das Fangen und die Schaustellung von Singvögeln sind nach dem Tierschutzgesetz verboten. § 5 Abs. 1 TschG (Verbot der Tierquälerei) verbietet es, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, bzw. es in schwere Angst zu versetzen. § 5 Abs. 2 enthält zwei einschlägige Sondertatbestände².
Eine ausdrückliche Ausnahme zugunsten des Ausstellens von Singvögeln ist mit diesen Bestimmungen unvereinbar; eine solche Verordnungsbestimmung wäre damit als gesetzwidrig zu betrachten.
Der Singvogelfang ist kein Brauchtum
Das Zufügen von Schmerzen, Leiden, Schäden und schwere Angst kann gerechtfertigt sein, wenn dadurch ein höherwertiges Rechtsgut geschützt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH ZI. 95/10/0222 vom 7.10.1996) hat jedoch festgestellt, dass es sich beim Singvogelfang nicht um Brauchtum handle, da eine sittlich-religiöse Motivation fehle und die Praxis ausschließlich den individuellen persönlichen Interessen der Vogelfänger diene.
Ein bloß traditionell ausgeübtes Verhalten stellt kein höherwertiges Rechtsgut das als der Tierschutz.
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass
- der Singvogelfang in die Zuständigkeit des Tierschutzgesetzgebers fällt,
- die geplante Änderung der TSch-Veranstaltungsverordnung gesetzwidrig wäre und
- eine Rechtfertigung durch die Berufung auf den Brauchtumscharakter dieser Praxis nicht möglich ist
¹ Autorin des Kommentars Das österreichische Tierschutzgesetz. Tierhaltungs-Verordnungen & alle weiteren Tierschutzverordnungen mit ausführlicher Kommentierung. Edition. Juridica, Kurzkommentare. - Wien: MANZ'sche Universitäts- und Verlagsbuchhandlung 2005.
² Gem. Z 8 ist es verboten, ein Tier zur Schaustellung heranzuziehen, wenn damit Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst für das Tier verbunden sind. Gem. Z 10 ist es verboten, ein Tier einer Bewegungseinschränkung auszusetzen und ihm dadurch Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zuzufügen.
Der vereinte Tierschutz in Österreich spricht sich gegen den Singvogelfang aus
DDr. Martin Balluch (Verein gegen Tierfabriken)
Petition als Plakat (pdf, 162 kb)
45 österreichische Tierschutzvereine haben in seltener Einhelligkeit die gemeinsame Petition gegen den Singvogelfang unterschrieben. Die wesentlichsten Gründe, warum sich der Tierschutz so vehement gegen den Singvogelfang und diese Verordnungsnovelle einsetzt, sind:
- Das mühsam erkämpfte Bundestierschutzgesetz samt seinen Verordnungen darf keinesfalls verschlechtert werden. Die vorgeschlagene Novelle will das Verbot der Ausstellung von wildgefangenen Singvögeln aufheben und Ausnahmegenehmigungen zulassen. Das könnte Vorbildwirkung für andere Tierschutzbereiche haben. Als nächstes fordern Legebatterien oder Wildtierzirkusse Ausnahmegenehmigungen.
- Die vorgesehene Erlaubnis für die Ausstellung von wildgefangenen Singvögeln setzt implizit den Fang dieser Vögel voraus. Da in der Praxis die Verordnungen von den Vollzugsbehörden als Richtlinie zur Interpretation der Gesetze herangezogen werden, soll damit in der Praxis der Singvogelfang durch die Hintertür wieder erlaubt werden.
- Die vorgeschlagene Verordnungsnovelle steht im Widerspruch zum Bundestierschutzgesetz §5 (2) Zi. 8, wo das Heranziehen von Tieren zur Schaustellung verboten ist, wenn das für das Tier Leid oder schwere Angst bedeutet.
- Die wirtschaftliche oder wissenschaftliche Nutzung von Tieren, auch wenn sie darunter leiden, wird gesamtgesellschaftlich viel eher für vernünftig und gerechtfertigt gehalten, als die Nutzung von Tieren aus reiner Tradition. Andere traditionelle Tierquälereien, wie das Widderstoßen, die Wildtierzirkusse, das Katzenprellen oder die Hetztheater, wurden ja auch bereits verboten.
- Der Fallenfang von Singvögeln ist eine schreckliche Tierquälerei. Der ängstliche Vogel wird bis zur völligen Bewegungslosigkeit von der Falle eingeklemmt und dann von einem „Fressfeind“ – dem Menschen – in die Hand genommen. Die absolute Todesangst dieses Vogels lässt sich vielleicht am ehesten damit vergleichen, wie sich ein Mensch fühlen muss, der zwischen den Zähnen eines Weißen Hais gehalten wird – auch wenn der Hai danach gar nicht zubeißt!
Aus den genannten Gründen hat die politische Kampagne zur Verhinderung der geplanten Verordnungsnovelle und zum endgültigen Verbot des Singvogelfangs auch im oö. Teil des Salzkammergutes – nachdem er ja bereits im Salzburgischen und Steirischen Teil verboten worden ist – höchste Priorität.
VGT-Obmann DDr. Martin Balluch: „Bei Bekanntwerden der Intention der Ministerin Rauch-Kallat, die Singvogelausstellungen und damit den Singvogelfang wieder zu erlauben, ging ein Aufschrei der Empörung durch die Tierschutzbewegung. Wir werden alle politisch legitimen Mittel ausschöpfen, um dieses Ansinnen zu verhindern, von Verfassungsklagen bis Aktionen des zivilen Ungehorsams. Die große Mehrheit der BürgerInnen ist gegen den Singvogelfang. Der demokratische Wille der Bevölkerung muss gehört werden!“
Theorie und Praxis des Vogelfanges
Ing. Harald Hofner (Dachverband der o.ö. Tierschutzvereine)
- Gemäß OÖ Artenschutzverordnung
darf der Singvogelfang nur in einigen Bezirken durchgeführt
werden.
Der Vogelfang wird „traditionell“ auch in anderen Bezirken durchgeführt, weil es halt so Brauch ist; eine Zuordnung in welchem Bezirk der Vogel tatsächlich gefangen worden ist, ist nachträglich unmöglich. - Der Fang ist nur in der Zeit von 15.09.
bis 30.11. zulässig.
Es gibt Fälle, wo ganzjährig gefangen wird. - Von den genannten Vogelarten darf nur 1
Exemplar pro Vogelfänger gefangen werden.
Tatsächlich lässt man einen besonders schönen Vogel sicher nicht mehr aus. - Die Höchstanzahl ist mit 550 Vögeln
pro Art begrenzt.
Ausgenommen sind Lockvögel und in jedem Fall ist die Anzahl nicht kontrollierbar. - Der Fang ist nur abseits von Futterstellen
und in 300m Entfernung von Gebäuden erlaubt.
Jeder Kloben ist eine Futterstelle. Viele Vögel werden vom Wohnzimmerfenster aus gefangen. - Der Vogelfänger hat während des
gesamten Fangvorganges anwesend zu sein.
Wir haben eine Falle mit einem toten Vogel gefunden. - Der Fang ist nur mit Schlagnetzen oder Netzkloben
erlaubt.
Tatsächlich werden auch noch Schlagkloben und Kastenfallen verwendet. - Die gefangenen Vögel sind bis spätestens
10. April wieder freizulassen.
Tatsächlich werden die Lockvögel nie freigelassen, die anderen nur vereinzelt. - Die Haltung in Käfigen ist nur während
der Zeit der Ausstellung zulässig.
Tatsächlich werden die Vögel 2 Wochen vor den Ausstellungen schon in winzige Käfige gegeben, um Sie daran zu gewöhnen.
Direkt nach dem Fang verbleiben sie im Netzkloben um sie gefügig zu machen, anschließend werden sie einige Zeit in kleinen Käfigen in Dunkelheit gehalten, um sie zu beruhigen. - Der Handel mit Singvögeln ist verboten.
Tatsächlich findet ein schwungvoller Handel statt. - Durch die oberösterreichische „Insellösung“ wird der Missbrauch enorm begünstigt.
Einzige Lösung ist daher ein bundesweites Verbot des Singvogelfanges!
Kompetenzfrage: Ist für den Singvogelfang Bund oder Land zuständig?
Mag. Eberhart Theuer, Rechtsexperte des VGT
Es besteht rechtlich KEIN Bedarf für eine Änderung der Tierschutz-Veranstaltungsverordnung; das Land Oberösterreich darf eigene Artenschutzbestimmungen für Singvögel erlassen, aber keine, die dem Zweck der Tierschutz-Veranstaltungsverordnung oder anderen Tierschutzbestimmungen des Bundes entgegenstehen.
Gemäß Art 11 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist Tierschutz Bundessache in Gesetzgebung und Verordnungsgebung. Aus der allgemeinen Regelung des Art 15 B-VG, wonach alle Kompetenztatbestände, die nicht explizit dem Bund zugewiesen sind, in die Kompetenz der Länder fallen, ergibt sich, dass Artenschutz Landessache ist.
Nach der vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Gesichtspunktetheorie kann ein und derselbe Gegenstand aus unterschiedlichen Gesichtspunkten heraus geregelt werden (VfSlg 4348; 6262; 7138; 7169; 9337; 14178). Der Fang von Singvögeln kann also einerseits nach dem Gesichtspunkt des Artenschutzes (Schutz der Art in ihrer Gesamtheit) nach Landesrecht, andererseits nach dem Gesichtspunkt des Tierschutzes (Schutz des individuellen Tieres) nach Bundesrecht geregelt sein.
Nach dem vom Verfassungsgerichtshof konstatierten Berücksichtigungsgebot (VfSlg 8831; 10.292; 10.305; G137/04) dürfen der Bund und das Land dabei den Zweck der jeweils anderen Regelung nicht vereiteln.
Es steht dem Land Oberösterreich also frei, Maßnahmen des Artenschutzes zu normieren, sofern sie nicht den Maßnahmen des Bundes den Tierschutz betreffend entgegenstehen. Der Bund wiederum dürfte Artenschutzbemühungen des Landes nicht konterkarieren. Dass § 2 Abs 2 Tierschutz-Veranstaltungsverordnung des Bundes, der die Ausstellung von Singvögeln verbietet, eine Maßnahme gegen den Artenschutz wäre, kann nicht ernsthaft behauptet werden.
Dass Maßnahmen des Tierschutzes, da sie das Individuum schützen, tendenziell strenger sind als solche des Artenschutzes, liegt darüber hinaus in der Natur der Sache des Kompetenztatbestandes Tierschutz und ist bereits prima facie kompetenzrechtlich von Art 11 B-VG gedeckt.
Folglich besteht auch kein Anpassungsbedarf seitens des Bundes. Es besteht rechtlich kein Grund und keine Notwendigkeit, die derzeitige Tierschutz-Veranstaltungsverordnung des Bundes, die das Ausstellen von Singvögeln verbietet, abzuändern. Zuständig für die Verordnung ist und bleibt als Gesundheitsministerin Ministerin Rauch-Kallat (§ 28 Abs 3 und § 48 Z 5 Bundes-Tierschutzgesetz). Das Land Oberösterreich darf eigene Artenschutzbestimmungen für Singvögel erlassen, aber keine, die dem Zweck der Tierschutz-Veranstaltungsverordnung oder anderen Tierschutzbestimmungen des Bundes entgegenstehen.