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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (08.03.2000)

08.03.2000

In größter österr. Schweinefabrik lagern illegale Medikamente neben Kadavern

Neuester Tier-Skandal bei Recherchen für "Schauplatz"-Sendung aufgedeckt

Nachdem Mitte Feber d. J. wieder einmal ein großer Medikamentenskandal aufgedeckt wurde, wobei bei einem Schweinemäster 25 kg illegales Medizinalfutter, ausreichend für 22 Tonnen "angereichertes" Schweinefutter, gefunden wurden, geht die Serie der illegalen "Apotheken in der Massentierhaltung" weiter. Anfang Oktober letzten Jahres wurde ein Schweinemastbetrieb in Pyhra bei St. Pölten unerwartet von der NR-Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic in Begleitung des VGT und eines ORF-Kamerateams aufgesucht. Dabei wurden - aufgezeichnet im Gendarmerie-Protokoll vom 7.10.99 - neben den üblichen tristen Bedingungen einer Intensivtierhaltung ("abgebissene Schwänze", "großes Abszeß am Hinterschenkel"...) illegale Arzneimittelflaschen entdeckt. Der Besitzer gab damals sogar zu, das Beruhigungsmittel "Stresnil" selbst (und somit illegal) injiziert zu haben und es "ohne Rezept von einem Tierarzt" erhalten zu haben. Dieser Tierarzt ist uns beileibe kein Unbekannter: Er betreibt neben seiner florierenden Praxis auch noch eine der schlimmsten Schweine-Massentierhaltungen - und das seit Jahren und mit Deckung der Behörden ohne Einhaltung rechtlicher Vorschriften, wie z.B. einer UVP-Prüfung. Anzeigen und Verfahren diesbezüglich sind anhängig (wir berichteten darüber).

Ende Feber traf nun ein anonymes Packerl bei Frau Dr. Petrovic im Parlament mit folgendem Inhalt ein: Foto- und Videomaterial sowie sieben Medikamentenfläschchen mit einem Zusatzschreiben, woher diese stammen: aus Österreichs größtem Schweinehaltungsbetrieb in Seefeld-Kadolz, nördliches NÖ. Unbekannte Tierschützer waren in die Schweinefabrik mit mehr als 20.000 Zucht- und Mastschweinen eingedrungen, hatten unglaubliche tierquälerische Zustände dokumentiert und nochdazu offen zugängliche Medikamentenflaschen mit aufgesetzten Spritzen entdeckt. Es handelte sich dabei um Antibiotika ("Baytril"), Hormonpräparate ("Synpitan"), Geburtsbeschleuniger ("Monzal"), Herzmittel ("Suacron") sowie Psychopharmaka ("Stresnil"). All diese Präparate dürften laut Tierärztegesetz ausschließlich von einem ausgebildeten Tierarzt angewendet bzw. verabreicht werden, was in diesem Massenbetrieb - wie vermutlich in den meisten anderen Schweinehaltungsbetrieben auch - offensichtlich routinemäßig mißachtet wird.

Die mitgelieferten Bilder zeigten zudem ein mehr als erschreckendes Szenario: tote Embryos und Ferkel, gleich neben offen lagernden Futtermitteln und unglaublichem Schmutz; kranke, tote und sterbende Ferkel am nackten, teilweise defekten Betonspaltenboden; Muttersauen, Nachgeburten und Ferkel im Kot liegend; wunde Stellen und sogar offene Geschwüre an den Mutterschweinen; trächtige Sauen, völlig apathisch in körperengen Metallkäfigen ("Kastenständen") dahinvegetierend; vergebliche verzweifelte Ausbruchsversuche der Muttersauen aus ihren "eisernen Jungfrauen" usw. usf. Dieses Gefängnis soll sogar angeblich ein "Musterbetrieb" sein, der laut Auskunft des Gutsverwalters wöchentlich besucht wird...

Der Clou an der Geschichte: Am Sonntag, den 27. Feber stattete das ORF-Kamerateam, gemeinsam mit Frau Dr. Petrovic und dem VGT dem Besitzer der Tierfabrik einen Besuch ab, um ihm das besagte Video vorzuführen und seine Stellungnahme dazu einzuholen. Er war jedoch angeblich leider abwesend. Auch der Verwalter war nach Auskunft des Pförtners, der erst nach 10-minütigem Läuten erschienen ist, nicht da. Also fuhren wir zum ca. 5 km entfernten Hof, wo die mehr als 20.000 Tiere eingekerkert sind. Allein der Anblick von außen jagt einem einen Schauer über den Rücken: Die Lage im "Niemandsland", die unzähligen trostlosen Hallen und die festungsartige Abriegelung erinnern den unvoreingenommenen Besucher unweigerlich an ein Gefangenenlager.

Auch hier meldet sich auf unser Läuten hin zuerst niemand, bis nach einigen Minuten "zufällig" der Verwalter mit einem großen Geländewagen ankommt. Beim Aussteigen kann er sich den Fragen von uns angesichts der laufenden Kameras nicht entziehen, dennoch ist ihm nicht viel mehr als "no comment" zu entlocken sowie der Hinweis, daß für die "Gesundheit" und die Medikamente der betreuende Tierarzt zuständig sei. Danach verschwindet er hinter dem schweren Eisentor. Wir fahren also zu genanntem Tierarzt, doch auch der wimmelt uns mit Hilfe seiner Frau ab. Endstation unserer sonntäglichen Suche nach einem "Verantwortlichen" für diesen Skandal ist der zuständige Amtstierarzt in Hollabrunn. Dieser ist zwar anwesend, doch er läßt uns lediglich durch Frau und Tochter unmißverständlich ausrichten, daß er heute nicht im Dienst sei und sich auch nicht 30 Sekunden Zeit nehme, um das Video anzuschauen. Wir könnten es ja an die BH schicken...

Am darauffolgenden Mittwoch versuchten wir dann unser "Glück" noch im Parlament und wollten den politisch Verantwortlichen, Landwirtschaftskammerpräsident von der ÖVP mit den Videoaufnahmen und Fotos konfrontieren. Doch auch hier blieben wir erfolglos: Im Angesicht der ORF-Kameras machte der Herr, der sonst gar nicht so medienscheu ist, kehrt und ward nicht mehr gesehen.

Die Grünen bereiten nun eine Anzeige wegen schwerer Tierquälerei, Verletzung des Tierärzte- und Arzneimittelgesetzes sowie Gemeingefährdung vor. Außerdem ergeht eine parlamentarische Anfrage an die "verantwortlichen" Minister. Schließlich geht hier ja auch noch um die Gefährdung Tausender KonsumentInnen, zumindest derjeniger, die sich immer noch von Fleisch aus konventioneller Tierhaltung ernähren.

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