Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (18.09.2007)
Wien, am 18.09.2007Vogelgrippe nicht Ursache, sondern Folge der Massentierhaltung
„Wenn es die Vogelgrippe nicht gegeben hätte, müsste man sie erfinden“ – ein Expertenstreit entlarvt Unbelehrbarkeit der Agrartechnokraten
Ausbruch der Maul- und Klauenseuche auf einem
Hof in Südengland, eine hochansteckende Schweinepest
in China, der bereits Millionen von Schweinen
zum Opfer gefallen sind, anhaltende Bedrohung
durch BSE in Europa sowie das Weiterschwelen
der Vogelgrippe-Gefahr in der gesamten EU und
darüber hinaus – die alarmierende Kette von
Krisen und Anlässen, unseren Umgang mit den
(Nutz)Tieren zu hinterfragen, reißt nicht ab.
Dazu bietet sich gerade in den letzten Wochen
verstärkt das Problemfeld Vogelgrippe an. Die
neuesten „Lösungsansätze“ im Umgang mit dieser
Krise sind symptomatisch für unsere Gesellschaft.
Vogelgrippe als Argument für Massentierhaltung
missbraucht
Während von Seiten des Tierschutzes und von
kritischen BiologInnen und VeterinärmedizinerInnen
die Massentierhaltung als Ursache der gefährlichen
Vogelseuche erkannt wurde, nutzen unbelehrbare
„WissenschafterInnen“ die Epidemie, um einen
Feldzug gegen die Freilandhaltung von Geflügel
anzuzetteln – bis hin zu der unmenschlichen
Konsequenz, eine Renaissance der in der EU umkämpften
Legebatteriehaltung einzuläuten.
Die neuesten Vogelgrippeausbrüche in zwei Entenhaltungen
in den Süddeutschen Orten Nittenau und Bruck
(Landkreis Schwandorf) stehen offensichtlich
im Zusammenhang mit dem Ausbruch am 25. August
im etwa 150 km entfernten Landkreis Erlangen-Höchstadt
– und sind somit mit größter Wahrscheinlichkeit
nicht auf Wildvögel zurückzuführen. Hierauf
deuten Geschäftsbeziehungen zwischen den Betrieben
hin.
Wildvogelhypothese längst widerlegt
Nicht nur TierschützerInnen, sondern auch OrnithologInnen
hatten in den vergangenen Monaten immer wieder
darauf hingewiesen, dass die propagierte Wildvogelhypothese,
wonach die Vogelgrippe primär durch Wildvögel
in der freien Wildbahn verursacht bzw. verbreitet
würde, fachlich unbegründet und deshalb haltlos
sei. Auch nachdem die Untersuchungen der britischen
Regierung die Übertragung des Virus von Ungarn
(Ausbruch am 4. Februar) nach Großbritannien
(Ausbruch am 30. März) mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit auf legale Handelsbeziehungen
zwischen Betrieben des Puten-Konzerns zurückführten, beharrte sie darauf,
dass die größte Gefahr von Wildvögeln ausgehe.
„Die neuesten Fälle von Vogelgrippe in Bayern
beweisen, dass die Wildvogelhypothese
auf Sand gebaut war und er nun mit seinen unhaltbaren
Behauptungen sein persönliches Waterloo erlebt",
verdeutlicht der Vorsitzende der
„Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung"
e.V. (AGfaN). Er weist darauf hin, dass die
Vogelgrippe als willkommener Anlass genommen
wurde, einen großangelegten Feldzug gegen die
Freilandhaltung von Geflügel einzuleiten. So
sagte schon im Mai 2006 ein Wissenschaftler
am Rande eines Kongresses über Geflügelkrankheiten
in Hannover, wenn es die Vogelgrippe und den
Ausbruch auf Rügen nicht gegeben hätte, hätte
man sie erfinden müssen, damit das Federvieh
dahin käme, wo es hingehöre, nämlich in gut
gesicherte Ställe.
„Die Massentierhaltung ist nicht Opfer des Vogelgrippe-Desasters,
sondern deren Ursache, weil die Vergangenheit
zur Genüge bewiesen hat, dass niedrigpathogene
Viren erst dann zu hochpathogenen Varianten
mutieren, wenn sie dafür bei eng aufgestallten
und durch einseitige Zuchtwahl genetisch geschwächten
Tieren durch rasch aufeinander folgende Körperpassagen
ideale Bedingungen vorfinden", ergänzt
die stellvertretende Vorsitzende der AGfaN.
In die Natur gelangen die Grippeerreger dann,
indem infizierter Kot, tote Masttiere (dass
ca.5% der Tiere während eines Mastdurchgangs
sterben, wird von der Geflügelindustrie einkalkuliert)
und sonstige Tierfabriksabfälle in die Natur
und auf die Felder gelangen und dabei auch in
die Gewässer ausgeschwemmt werden.
Medien, Regierungen und Behörden als
willige Abnehmer der Agrarpropaganda
TierschützerInnen und kritische TierärztInnen
jedenfalls warnen vor der Willkür, mit der die
vergleichsweise natürliche, gesunde Freilandhaltung
von Geflügel in Deutschland am 12. September
2007 durch eine neue Verordnung weiterhin eingeschränkt
werden soll – zugunsten der Expansion von „Seuchenbrutanstalten",
denn anders kann man die krank machenden düsteren,
stickigen Hallen nicht nennen, in denen Hunderttausende
von Hühnern, Puten und Wassertieren unter Dauerstress
ihr „Leben" fristen müssen. Die Wasservögel
(z.B. Enten) noch dazu auf dem Trockenen – eine
besonders grausame Tierquälerei.
„Der Preis für billige Massenware erscheint
uns entschieden zu hoch, und wir hoffen, dass
nun endlich den Konsumenten und Politikern ein
Licht aufgeht! Und den Verantwortlichen für
die Medien (die allzu bereitwillig die wissenschaftlich
unhaltbare Propaganda der Nutztierindustrie
übernehmen), möchte ich noch eindringlich hinzufügen“,
so die Tierärztin in einem Kommentar.
Flächenbrand nicht mit dem Draufschütten
von Öl zu bekämpfen
Ralph Chaloupek vom Verein Gegen Tierfabriken
zu den gefährlichen Nutztierkrisen ohne Ende:
„Die nicht abreißende Kette der Krisen in der
landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sollte
auch noch den verbohrtesten Befürwortern der
industriellen Agrarpolitik die Augen öffnen.
Solange wir nicht begreifen, dass man einen
Flächenbrand nicht mit dem Draufschütten von
Öl bekämpft, werden wir weiterhin schmerzvolles
Lehrgeld für den Missbrauch der Natur und die
schrankenlose Ausbeutung der „Nutztiere“ zu
zahlen haben. Ein Ende der Spirale der Nutztierkrisen
kann nur ein Ausstieg aus der industriellen
Massentierhaltung bringen. Eine verstärkt vegetarische
Ernährung muss zur Normalität werden – wenn
schon nicht aus Tierschutz-, dann aus schieren
Selbsterhaltungsgründen.“