Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (16.05.2008)
Wien, 16.05.2008
... Rüstunslobbyists E-Mail-Einladung an Innenminister und sein Kabinett zur Jagd
Jagen in Gesellschaft und mit Geschäftspartnern, Arbeitskollegen, Kunden: in Österreich ist diese Form des blutig-geselligen „Networkings“ weit verbreitet, was noch viel zu wenig bekannt ist.
Der Jagd auf Jobs, Aufträge, Geschäfte, lukrative Verbindungen geht oft die Jagd auf wehrlose Tiere voraus, die von den dilettantischen Sonntagsschützen und ihren gemeingefährlichen „Schiesskünsten“ oft in einer besonders brutalen Weise ausgeführt wird: ist schon der so genannte Blattschuss, also das sofortige Töten eines Wildtieres durch einen Schuss auf die „richtige“, unmittelbar todbringende Stelle unter „normalen“ Jägern selten genug, so ist die Rate angeschossener und verletzter Tiere bei den „Businessschützen“, die zwischen geschäftlichem Pallawatsch und makaberem Antichambrieren im Kugelhagel und zwischen selbst fabrizierten Tierleichen ihrem völlig unzeitgemäßen Bloodsport nachgehen, naturgemäß noch höher.
Der Lobbyist blies 2002 wieder einmal zur Jagd – und stellte für das Kabinett des damaligen Innenministers (ÖVP) - der bestreitet, daran teilgenommen zu haben - ein ehrgeiziges Sonderprogramm zusammen: „Samstag (...) Riegeljagd, danach Abendessen im Schloß“, wie es in einem E-Mail heißt, dass an den Bundesminister und seine Kabinettsmitglieder ging und jetzt auch von Medien veröffentlicht wurde. Für Sonntag, den 8.Dezember 2002, lud der Graf, Geschäftsmann, Waffenlobbyist und Ehemann von Ex-Gesundheitsministerin (ÖVP) die Minister-Mannschaft zur „Saujagd (auf das von der vortägigen Riegelwild übergebliebene/verletzte Wild – evtl. auch ein paar Frischlinge, sozusagen zum ,Aufwärmen‘)“. Am Nachmittag sollte es dann zur „eigentlichen Jagd“ auf Niederwild kommen, heißt: „Fasane, Rebhühner“, heißt es wortwörtlich in der jetzt publik gewordenen E-Mail des damaligen ÖVP-Innenressort-Kabinettschefs
Ralph Chaloupek, Vorsitzender der Tierrechtspartei earth-human-animals-nature (TRP), über den Fall:
„Der nun aufgedeckte Skandal wirft gleich in mehrfacher Hinsicht ein bezeichnendes Licht auf das politische - in diesem Fall wieder einmal das so genannte konservative - Establishment: Ein umstrittener Waffenlobbyist, der ein ökonomisch vitales Interesse an einem guten Verhältnis und ebensolchen Verbindungen zum Innenministerium hat, versucht sich das Kabinett durch die Einladung zu einer Jagd gewogen zu machen. Ob dies den Tatbestand der verbotenen Geschenkannahme erfüllt, werden Gerichte zu untersuchen haben.
Im Beamtendienstgesetz (§ 59. [1]) ist es Beamten eindeutig untersagt, „im Hinblick auf [ihre] amtliche Stellung für sich oder einen Dritten ein Geschenk, einen anderen Vermögensvorteil oder einen sonstigen Vorteil zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen.“
Die Optik in dem jetzt aufgedeckten Fall jedenfalls ist mehr als verheerend, nicht nur, weil es sich ausgerechnet um das Innenministerium handelt, welches als Inhaber der Sicherheits- und Exekutivagenden besondere Vertrauensagenden inne hat…
Ein anderer Aspekt an dem Skandal ist der zutiefst zynische, geradezu abgründige Umgang mit den Tieren dieser ebenso machtkorrumpierten wie tierverachtenden Kreise, offenbar mit einer Art postfeudalem Selbstverständnis. Am Vortag von einer anderen gräflichen Jagdgesellschaft angeschossenen Tieren soll vom innenministeriellen Kabinett der Rest gegeben werden, wie aus dem Text des E-Mails unverhohlen hervorgeht. WildtierzoologInnen und VeterinärmedizinerInnen weisen immer wieder auf die unbeschreiblichen Qualen hin, die angeschossenes Wild in unseren Wäldern erleidet, bis es nach oft tagelangem Todeskampf aufgrund der schweren Verletzungen elendiglich zu Grunde geht.
Und das „zum Aufwärmen ein paar Frischlinge“ - also Wildschweinbabies - geschossen werden sollten, spricht Bände über die Moral einer Clique, die sich am sadistisch-nekrophilen Abschlachten von Tierkindern delektiert. Das von weiten Teilen der Jägerschaft abgelehnte oder zumindest schamvoll verschwiegene Töten von Wildtierjungen, welches allgemein als nicht „waidmännisch“ betrachtet wird, wird hier vom gräflichen Waffenlobbyisten und seinem Verbindungsmann, dem ehemaligen ÖVP-Innenressort-Kabinettschef, quasi als Appetizer und Aperitif vor dem eigentlichen „Hauptgang“, dem großen Gemetzel auf die erwachsenen Tiere, schamlos angepriesen.
Ein Sittenbild der österreichischen Innenpolitik, wie es beklemmender und abstoßender kaum sein könnte. Es ist höchste Zeit, diese heruntergekommene und zynische PolitikerInnenriege, die ja auch genügend Kontinuitäten bis in heute amtierende Regierungs- und BeamtInnenkreise aufweist, in den Orkus der Zeitgeschichte zu befördern…“, so TRP-Vorsitzender Ralph Chaloupek in seiner Stellungnahme.
Der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN fordert die lückenlose Aufklärung dieser Vorgänge sowie ein Disziplinarverfahren für all jene involvierten Ministerialbeamten und Parteifunktionäre, welche die Einladung zur umstrittenen Jagd angenommen haben.