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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (23.12.2008)

Wien, am 23.12.2008

Das war der Tierrechtskongress 2008

4 Tage voller neuer Kontakte und interessanter Ideen!

Der 3. österreichische Tierrechtskongress ist vorbei. Kleinere Tierschutz- und Tierrechtskonferenzen und –symposia hat es natürlich schon viel mehr gegeben. Aber einen Kongress der gesamten Tierrechtsbewegung, in dem vereinsübergreifend alle Organisationen und alle Kampagnen zu Wort kommen, soetwas gibt es erst seit 2002. Im Herbst dieses Jahres nämlich wurde die Idee eines solchen großen Kongresses von den USA nach Österreich importiert. Und was für ein Erfolg diese Idee von Anfang an war! 400 Personen fanden sich zum ersten Kongress ein und er wurde ein großer Erfolg und begründete den großartigen Ruf, den dieser vom VGT organisierte Kongress mittlerweile genießt.

Zum 3. derartigen Kongress Ende November 2008 kamen diesmal sogar 500 Menschen

17 Organisationen und vegane Firmen stellten ihre Produkte im Foyer des Kongresszentrums aus. 44 Events in 3 verschiedenen Vortragssälen gleichzeitig brachten die TeilnehmerInnen zu intensiven Diskussionen. Es gab 26 Vorträge – darunter 8 Hauptvorträge – 15 Arbeitskreise und 3 Podiumsdiskussionen. In einem eigenen Kinosaal wurden 12 Stunden lang die in den letzten 4 Jahren neu kreierten Filme mit Tierrechtsthemen aus Österreich gezeigt. Zusätzlich gab es 4 Kunstausstellungen, mit Skulpturen, Bildern und Fotos, sowie einer Ausstellung von Kinderzeichnungen zum Tierschutz im Rahmen des VGT-Projekts „Tierschutz im Unterricht“. Weiters gab der Tierrechtschor sein erstes Konzert und es wurde eine Kabarett zum Thema „Repression gegen den Tierschutz“ aufgeführt. Schön zu sehen, dass die Tierrechtsbewegung auch eine derart ernste Bedrohung „auf die Schaufel“ nehmen kann.

Im Konferenzzentrum wurde mittags und abends ein veganes Essen geboten. Zur Eröffnung gab es ein reichhaltiges veganes Buffet.

Das Niveau der Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden war durchgehend ungeheuer hoch. Es wurde deutlich, dass die Tierrechtsbewegung längst das Schnuddeleck einer Pseudosekte verlassen und sich zu einer intellektuellen und sozialen Bewegung mit breiter Basis entwickelt hat.

Die Vortragsserie wurde gleich am ersten Abend, am Donnerstag, mit 2 Vorträgen von UniversitätsprofessorInnen der Universität Wien eröffnet, die sich hervorragend ergänzten.

Prof. Ludwig Huber vom Department für Neurobiologie und Kognitionsforschung sprach über die naturwissenschaftliche Basis einer modernen Tierethik – die nicht-invasive Verhaltens- und Kognitionsforschung an Tieren –, Prof. Eva-Maria Maier vom Institut für Rechtsphilosophie über die Ausformulierung. Beide Vortragenden haben sich auch nach dem staatlichen Großangriff auf den Tierschutz im Mai 2008 unbeirrt tierschutzfreundlich geäußert und auch in verschiedenen Beiträgen eine Tierrechtsposition verteidigt. Prof. Huber fand klare Belege von Imitation, Verstehen und Denken bei nichtmenschlichen Tieren, und damit fundamentale kognitive Ähnlichkeiten zu Menschen. Prof. Maier betonte die Würde des Tieres als rechtsethisches Grundprinzip vor, analog und als notwendiges Gegenüber zur Menschenwürde.

Freitag früh gab es einen praktischen Arbeitskreis zur Gründung von studentischen Tierrechtsgruppen und deren Aufgabe. Gerade an den Universitäten ist Aufklärung wichtig, weil die dort ansprechbaren Personen tendenziell eher einflussreichere Positionen in der Gesellschaft einnehmen werden. Zusätzlich ist die Universität an und für sich ein Ort zur Diskussion neuer grundlegender Ideen und die Studentenschaft traditionell deren Trägerin.

Weiters gab es Veranstaltungen zur Auswirkung der Tierindustrie auf die Umwelt, was gerade in der Klimafrage und dem sogenannten „Footprint“ – d.i. der ökologische Fußabdruck der einzelnen Personen, den sie hinterlassen – deutlich zum Ausdruck kommt. Auf wissenschaftlichem Niveau wurde deutlich vorgetragen, dass allen, denen Umweltschutz ein Anliegen ist, Veganismus unmittelbar einleuchten müsste. Dieser Zusammenhang wurde als Chance auch für den ethischen Veganismus, Fuß zu fassen, angesprochen.

Tiertransporte – in Österreich seit über 10 Jahren ein Dauerthema und für viele das Sprungbrett in die Tierrechtsszene – wurde in einer von AktivistInnen besetzten Podiumsdiskussion besprochen, die sich seit langem mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen und laufend Kontrollen durchführen. Auch der Kärntner Tiertransportinspektor war anwesend und steuerte interessante Informationen bei.

In einem eigenen Arbeitskreis war es möglich, der Tierschutzombudsschaft von Wien Fragen zu ihrer Tätigkeit zu stellen. Betrachtet man die vielen Kompetenzen, die der Ombudsschaft gesetzlich gegeben wurden, und zieht man die verhältnismäßig gute finanzielle Ausstattung der Wiener Ombudsschaft in Betracht, die ihr von der Stadt Wien geboten wird, dann muss diese 2005 neu eingeführte Institution durchaus positiv gesehen werden. Allerdings werden die Ombudsschaften vieler anderer Bundesländer nur sehr stiefmütterlich behandelt und finanziell ausgehungert bzw. unterversorgt.

In speziellen Vorträgen zum Sachwalterschaftsprozess für den Schimpansen Matthias Pan, zu EU-Haustier-Tötungslagern und zur Gründung der Österreichischen Tierrechtspartei wurden fundierte Einsichten zu den Themen geboten.

Am Nachmittag kamen Gäste aus Tschechien zu Wort, die die Geschichte der tschechischen Tierrechtsbewegung sowie die Methode der offenen Befreiungen von Tieren vorstellten. In einem berührenden Film wurde gezeigt, wie 6 aus einer Pelzfarm befreite Füchse in der Natur ausgesetzt und eine Anzahl von Hühnern aus dem Käfig in einen Gnadenhof gebracht wurden. Dabei bekannte sich der Aktivist zu diesen Taten und trat offen dafür auf. Angesichts der Repression von Gesinnung und Meinungsäußerung in Österreich, die im Moment die Tierrechtsbewegung bedroht, zeigte sich in diesem Beitrag der große Unterschied zu Tschechien, wo es offenbar im Gegensatz zu Österreich eine Demokratie gibt.

Anschließend stellten sich die Journalisten Oskar Hicker und Manfred Krejcik einer Diskussion zur Frage, wie sich Tierschutz und Tierrechte besser in den Medien präsentieren lassen. Eine Reihe von sehr wertvollen Tipps wurde von den anwesenden AktivistInnen regelrecht verschlungen und man kam überein, einen derartigen Arbeitskreis in kleinerem Rahmen aber für mehrere Stunden abzuhalten, um die Pressearbeit der Bewegung zu verbessern.

Dass die Tierrechtsbewegung auch Selbstkritik üben kann, zeigte der Vortrag über das Recht der Tiere auf Qualität im Tierschutz. In einer Reihe sehr kritischer Anmerkungen wurde eingefordert, dass sich Menschen, die direkt in der Tierhilfe arbeiten, neben Idealismus und Mitgefühl auch Kompetenz und Wissen über den Umgang mit Tieren brauchen.

Eine erfrischend laute Demo, leider bereits im Dunkeln, und zwei Vorträge über die Notwendigkeit, NGO-Arbeit in Österreich vor §278a StGB zu schützen, rundeten diesen so spannenden Tag ab. Erst spät in der Nacht konnten die TeilnehmerInnen schlafen gehen, um bereits am nächsten Tag um 9 Uhr den spannenden Vortrag von Prof. Kurt Remele über sein Dissertationsthema – Zivilen Ungehorsam – nicht zu versäumen. Gerade anlässlich der momentanen Repression ist eine akademische-seriöse Aufarbeitung der Thematik illegalen Handelns zur Verbesserung des Gemeinwohls in der Gesellschaft von brennender Relevanz. Prof. Remele stellte jedenfalls eine Reihe von Kriterien vor, nach denen auch ein Gesetzesbruch nicht nur ethisch gerechtfertigt sondern auch demokratiepolitisch legitim wäre. In jedem Fall ist der überbordende Staatsterror gegen derartigen Aktivismus, wie er in Österreich in den letzten Jahren aufgebaut wurde, im Gegensatz dazu als verfassungsfeindlich abzulehnen – sowohl ethisch als auch demokratiepolitisch.

Anschließend stellten sich 3 Tierrechtsanwälte den drängenden Fragen einer Zuhörerschaft, die offensichtlich verunsichert ist, ob ihr in nächster Zeit ein Überfall durch Polizeikräfte droht. Die allermeisten Fragen drehten sich um Grundrechte und um den Umgang mit BehördenvertreterInnen und das Recht zu schweigen. Ein Vortrag über Fleischalternativen, insbesondere das Ziehen von Muskelzellen in der Petrischale, versuchte technologische Perspektiven für die Tierrechtsrevolution, und sei es als begleitende Maßnahmen, vorzustellen. Als Teil des Schwerpunktthemas Repression gab es auch Vorträge zur Computersecurity und über zukünftiges Vorgehen in der bundesweiten Kampagne gegen pelzführende Geschäfte sowie über den Umgang mit Wirtschaftsverantwortlichen. Vor der Mittagspause diskutierte ein Podium über die Frage, ob außerparlamentarischer politischer Aktivismus oder doch der Gang durch die Instanzen rascher zum Erfolg führt. Erfreulich war die rege Beteiligung von Abgeordneten zum Nationalrat am Tierrechtskongress in Wien. 5 Abgeordnete nahmen teil und 3 hielten sogar eigene Vorträge.

Am Nachmittag wurde die Wichtigkeit und Legitimierung konfrontativer – aber gewaltfreier! – politischer Kampagnen betont, die allerdings als Ursache für die brutale Repression gesehen werden müssen. Der Justizsprecher der SPÖ stellte sich 2 Stunden lang Fragen zur Änderung von §278a StGB. Zusätzlich gab es Vorträge und Arbeitskreise zur veganen Ernährung und Leistungsfähigkeit, strategische Überlegungen zur Verbreitung der veganen Idee, die problemfreie Erfahrung mit veganen Kindern und eine Zusammenfassung von Tierversuchen in Österreich.

Bevor letztendlich am Abend der Tierrechtschor und das Kabarett ihre ZuhörerInnen unterhielten, sprach ein Kriminologe aus Hamburg über Tierstrafen und Tierprozesse im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Seiner These nach lassen sich diese Phänomene nicht als religiöser Fundamentalismus oder schlichte Unwissenheit abtun. Einerseits hatte man das abergläubische Gefühl, dass derartige Prozesse etwas helfen würden. Andererseits gab es statt einer Kluft zwischen Mensch und Tier eine klare Wertehierarchie durch die gesamte Gesellschaft, von der Hocharistokratie bis zu den Pflanzen, und wenn sich der wertlosere dem wertvolleren nicht freiwillig unterwarf, wurde mit Gewalt nachgeholfen. Die heutige Gesellschaft ginge im übrigen mit nichtmenschlichen Tieren ebenso irrational um. Dass ihnen nicht mehr der Prozess gemacht wird sei wesentlich darin begründet, dass jede mögliche Strafe den Tieren im Vergleich zur Misshandlung in Tierfabrik und Schlachthof das Leben nur erleichtern würde.

Am Sonntag wurde eine weitere Reihe sehr hochkarätiger und niveauvoller Vorträge geboten. Prof. Gary Steiner aus den USA stellte die Ideen seines neuesten Buches vor und vertrat dabei eine Form von Anti-Speziesismus, die auch den Lebenswert nichtmenschlicher Wesen mit dem von Menschen gleichsetzt. Prof. Klaus Petrus von der Universität Bern behandelte den Streitfall Abolitionismus oder Reform, dem sich wohl jede soziale Bewegung stellen muss. Prof. Petrus bekannte dabei, dass ihm, je länger er sich mit der Thematik beschäftige, desto unlösbarer aber gleichzeitig praktisch unwichtiger der Konflikt vorkäme. Letztendlich wäre zwischen regulativen und prohibitiven Reformen zu unterscheiden, die die Tiernutzung entweder nur regulieren oder die ein Schritt zu ihrer Abschaffung wären, wobei sich diese Unterscheidung jedenfalls im Vorfeld nicht einfach festmachen ließe. Insgesamt hielten 5 UniversitätsprofessorInnen Vorträge auf diesem Kongress.

Zusätzlich gab es Arbeitskreise zur Gewalt-De-Eskalation, zu Anti-Burn-Our Strategien und zur Nutzung des Parlaments für Tierschutzpolitik, sowie Vorträge zu Kommunikationsstrategien und Freeganismus, d.i. das Sammeln veganer Nahrungsmittel aus den Mistkübeln der Wohlstandsgesellschaft als Absage an den Konsumzwang.

Am Nachmittag sprachen Gäste aus Schweden und England über ihre langjährigen Erfahrungen in der Tierrechtsarbeit und über die Bewegungen in ihren jeweiligen Ländern. Von berührenden Fotos und Filmen untermalt wurde in der Wortwahl der Vortragenden wieder einmal deutlich, wie sehr die Repressionswelle die Meinungsfreiheit untergräbt. In Österreich könnte man sich derartige Meinungen nicht mehr öffentlich aussprechen, ohne ganz real Gefahr zu laufen, von der Staatsmacht überfallen und eingesperrt zu werden! Zuletzt sprach der VGT-Obmann in seinem schon traditionellen Abschluss zum Tierrechtskongress nicht nur darüber, was wir aus dem Kongress für unsere tägliche Tierrechtsarbeit mitnehmen können, sondern auch darüber, was TierrechtlerInnen in den letzten Jahren und insbesondere Monaten mitmachen mussten. Berührend war die Lesung seiner Gedanken in der Zelle des Untersuchungsgefängnisses und seine Gefühle während des Hungerstreiks.

Dann schloss der Geschäftsführer des veranstaltenden Vereins, Harald Balluch vom VGT, den Kongress mit aufmunternden Worten und mit dem Aufruf, dass wir uns alle beim nächsten Kongress in Wien wiedersehen werden.

 

 

 

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