Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (07.05.2009)
Wien, am 07.05.2009Schweinegrippe-Pandemie erfasst Europa
Rund 1.000 bestätigte Fälle weltweit – Intensivtierhaltung als Hauptursache
Mexiko hat einen weiteren Anstieg der Zahlen für Todesfälle und Erkrankungen durch das Schweinegrippevirus bekannt gegeben. Gesundheitsminister gab am Sonntagabend in Mexiko-Stadt an, 22 Menschen seien an der Krankheit gestorben, drei mehr als bisher mitgeteilt. Den bisher letzten Todesfall habe es am 29. April gegeben. Die Zahl der Erkrankungen sei auf mindestens 590 gestiegen.
Zahl der noch nicht erkannten Infektionen
höher
Außerhalb Europas gehen die Behörden
derzeit von 946 H1N1-Infektionen in neun Ländern
(590 Mexiko, 226 USA, 101 Kanada) aus, bei 929
Fällen wurde das Virus bereits nachgewiesen,
teilte das EU-Zentrum für Seuchenbekämpfung
(ECDC) am Montag mit. Die Zahl der Todesfälle
blieb unverändert bei 22 in Mexiko und einem
in den USA.
Schweinegrippe in Europa auf dem Vormarsch
– mindestens 30 neue Ansteckungen
Während in Mexiko die Schweinegrippe-Epidemie
auf dem Rückzug ist, hat es innerhalb der EU
sowie in den EFTA-Ländern 30 neue Ansteckungen
mit dem H1N1-Virus gegeben. Allein in Spanien
steckten sich 24 Menschen seit Sonntag an. In
Großbritannien gab es drei neue Fälle, in Deutschland
zwei und in Italien einen, teilte die ECDC am
Montag mit.
Schweine als Sündenböcke – behördliche
Massenschlachtungen in Ägypten
In Ägypten gab es am Sonntag Zusammenstöße,
als die Behörden die von der Regierung angeordnete
Schlachtung aller 300.000 Schweine umsetzen
wollten. Rund 1.000 Bewohner eines Elendsviertel
in Kairo blockierten die Zufahrt zu Schweinezuchtbetrieben
und warfen Steine und Flaschen auf die Beamten.
Mindestens zwölf Menschen wurden verletzt, es
gab 14 Festnahmen.
Dabei hatte die Weltgesundheitsorganisation
erklärt, die „Keulung“ von Schweinen sei nicht
notwendig, weil sich das Virus von Mensch zu
Mensch verbreite. Die Vereinigung der US-Fleischexporteure
teilte mit, die Ausfuhr amerikanischen Schweinefleischs
sei seit Beginn der Schweinegrippe-Epidemie
um circa 10% zurückgegangen.
Schweinegrippe Ursachensuche – Seuchenbrutherd
Intensivtierhaltung
Zur Zeit wird in der medialen Berichterstattung
über die Schweinegrippe nur selten die Frage
nach den Ursachen gestellt, obwohl gerade die
von zentralem Interesse sein sollte. Schon im
Jahr 1998 kam eine von der EU-Kommission finanzierte
Auswertung von diversen veterinärmedizinischen
und epidemiologischen Studien zu dem Ergebnis,
dass die Entstehung von Tierseuchen wie Schweinegrippen
eng mit den spezifischen tierschädigenden Bedingungen
in der kommerziellen Tierproduktion zusammenhängt,
und damit in unmittelbarem kausalem Zusammenhang
mit der Massen- und Intensivtierhaltung steht.
Speziell Bestandsgröße und -dichte in der industriellen
Tierhaltung spielen dabei eine unheilvolle Rolle.
Der Grund dafür ist unter anderem, dass sich die Grippeviren vor allem über die Tröpfcheninfektion verbreiten. Je enger die Tiere zusammengepfercht leben und je schlechter die hygienischen Bedingungen, etwa durch übermäßigen Körperkontakt aufgrund der massenhaften Einstallung und Nähe zu den Exkrementen vieler verschiedener Tiere, desto höher ist das Ansteckungsrisiko für das individuelle Schwein. Und umso mehr Tiere zusammen leben, desto größer sind die Chancen, dass die Viren ein Tier finden, dessen Immunsystem schwach ist und bei welchem der Virus dann massiv ausbricht, um so zu einem weiteren Verbreitungsherd für die Infektionserkrankung zu werden.
Tierfabriken und Tiertransporte als
Katalysatoren
Auch das Fehlen von Umweltreizen in
der modernen Schweinehaltung dürfte einen Beitrag
leisten, denn je mehr solchen Reizen ein Tier
ausgesetzt ist, desto stärker sind in der Regel
seine Abwehrkräfte. Seit Jahren etwa fordert
der VEREIN GEGEN TIERFABIKEN in einer Allianz
mit zahlreichen anderen Tierschutzorganisationen,
dass Schweine auch in der heimischen Massen-
und Intensivtierhaltung als eine der gesetzlichen
Mindestverbesserungen mit Stroheinstreu versorgt
werden müssen, welche für die Tiere ein wichtiges
Beschäftigungsmaterial darstellt.
Zustände wie in der Intensivtierhaltung, wie sie in Österreich und der EU praktisch flächendeckend praktiziert werden, sind prädestiniert für das Auslösen von derartigen Epidemien und durch entsprechende Mutationen auf Menschen überspringende Tierseuchen.
Epidemiologen und Virologen gehen davon aus, dass das neue Virus Gene von zwei Schweinegrippen, einer Vogelgrippe sowie einer menschlichen Grippe enthält. Diese unheimliche Kombination wurde durch mehrere Faktoren ermöglicht: In Amerika werden Hühner und Schweine oft in benachbarten Ställen bzw. Tierfabriken gehalten. Die dort Arbeitenden kommen so regelmäßig in Kontakt mit kranken Hühnern und Schweinen und verbreiten die Erreger, indem sie sich regelmäßig in Ställen verschiedener Spezies betätigen. Auch die umstrittenen Tiertransporte, speziell die besonders qualvollen Ferntransporte, spielen eine Rolle. Durch die Transporte können sich die Grippeviren in kurzer Zeit über weite Strecken bewegen und so in Windeseile verbreiten. Und zum anderen machen der Stress und die Tortur der Transporte die Tiere anfälliger für Infektionen.
Große Schweineansammlungen speziell in der Intensivtierhaltung sind nicht nur eine akute Brutstätte, sondern auch ein bedeutendes Weiterentwicklungs-Reservoir von Grippeviren. Wenn verschiedene Stämme der Erreger in den Tieren zusammenkommen, können die Viren ihre Eigenschaften kombinieren und so auch potenziell neue bedrohliche Varianten entstehen lassen.
4jähriger Bub als erstes Opfer der
Schweinegrippe – wohnt neben Mega-Schweinefarm
Der erste, der sich mit Schweinegrippe
ansteckte, war aus
dem mexikanischen Örtchen La Gloria. Als er
im Februar ins Spital gebracht wurde, dachte
jeder an eine schwere Grippe. Keiner konnte
ahnen, wie schwer. Plötzlich wurden viele krank
in La Gloria, welches gleich neben einer Mega-Intensivfarm
für Schweine, einer Tierfabrik und Intensivtierhaltung
par excellence, liegt. Der kleine Bub litt fürchterlich,
wurde zum Glück aber wieder gesund – der tödliche
Virus aber nahm von dem Körper des Kindes aus
seinen Weg in die Welt.
Unverzichtbare Schlussfolgerungen
und Konsequenzen
Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen
kann und muss man daraus ziehen? Zum einen zeigen
die jüngsten Ereignisse und die praktisch im
Jahresrythmus auftauchenden gefährlichen Tierseuchen
(BSE, Vogelgrippe, Maul- und Klauenseuche) einmal
mehr überdeutlich, dass die tierindustriellen
Produktionsmethoden, die von den entsprechenden
Lobbys nach wie vor oft als „sicher“ und „effizient“
dargestellt werden, nicht nur aus tierschutzethischen
Gründen, sondern auch aus tier- wie menschenbezogenen
Seuchenpräventionsgründen sowie aus gravierenden
gesundheitspolitischen Erwägungen weiter gesetzlich
reguliert bzw. verboten werden müssen.
Es wird einmal mehr deutlich, dass die Propaganda der Tierindustriellen und „Tierfabrikanten“ und ihrer politischen Handlanger und Lobbyisten von der Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit und Effizienz der Intensivtierhaltung mit größter Vorsicht zu genießen ist und dringendst der Hinterfragung und Revision bedarf. Insbesondere muss das Märchen von der veterinärmedizinischen und gesundheitstechnischen Sicherheit der industriellen Tier- und Fleischproduktion endlich als solches entlarvt werden. Zudem müssen sich die KonsumentInnen klar machen, dass ihre kontinuierliche, gedankenlose Nachfrage nach immer mehr billigen Tierprodukten und speziell Fleisch zur Entstehung derartiger globaler Hochrisiko-Pandemien einen verhängnisvollen Beitrag leistet, und sollten auch im eigenen Interesse ihr eigenes Einkaufs- und Konsumverhalten sowie ihre Lebensweise entsprechend ändern.