Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (07.10.2009)
Wien, am 07.10.2009120 Interessierte füllen WUK-Projektraum in Wien zur VGT-Buchpräsentation
Die PodiumsteilnehmerInnen loben das neue Buch "Widerstand in der Demokratie" und solidarisieren sich mit dem Tierschutz im § 278a-Verfahren
In der Tierschutzcausa fährt die Staatsanwaltschaft eine perfide Doppelstrategie. Einerseits fiel in den Observationen auf, dass Tierschutzorganisationen, wie der VGT, sehr aktiv sind, aber keine Straftaten begehen. Andererseits wurden Straftaten identifiziert, die ein Tierschutzmotiv haben könnten, für die aber keine TäterInnen bekannt sind. Die Staatsanwaltschaft mischt beides nun zusammen und nimmt die Organisationsstruktur und die Kampagnenaktivität der Tierschutzorganisationen auf der einen Seite und die Straftaten Unbekannter auf der anderen, und nennt das Gesamtkunstwerk eine kriminelle Organisation. Um RichterInnen, die keinerlei persönliche Erfahrung mit Protestkulturen haben, dieses Bild verkaufen zu können, werden eigentlich normale NGO-Aktivitäten als verdächtig und radikal dargestellt, wie z.B. verschlüsselte Computer, interne Emaillisten, vorsichtige Telefongespräche oder Workshops zum Umgang mit der Polizei.
Um dieser Strategie entgegen zu treten und das absichtlich vermischte Bild zu entwirren, hat der VGT-Obmann DDr. Martin Balluch jetzt ein neues Buch geschrieben und am 7. Oktober 2009 im großen Projektsaal des Kulturzentrums WUK in Wien präsentiert. In dem Buch wird klargelegt, welche Aktionsformen NGOs wie der VGT durchführen und wieso das demokratiepolitisch legitim ist. Dabei können diese Aktivitäten durchaus gesetzwidrig sein. Insbesondere betont der Autor die Notwendigkeit in einer Demokratie, konfrontative Kampagnen gegen Firmen oder politische Gruppierungen zu führen, die vorsätzlich eskaliert werden, um durch den so entstandenen Druck einen Kompromiss zu erreichen, der die Situation verbessert und mit dem alle leben können. Nur so ist ein echter Fortschritt und eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft möglich.
Dr. Madeleine Petrovic, Abgeordnete zum nö Landtag und Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins, betonte die Wichtigkeit des Buches, weil auch ihrer Erfahrung nach die Mächtigen an den Schalthebeln von Wirtschaft und Politik nur unter entsprechendem Druck in Verbesserungen einwilligen. Sie selbst wurde in der Tierschutzcausa am Montag dem 5. Oktober von der Staatsanwaltschaft befragt, weil sie beschuldigt würde, an den Tierschutz Amtsgeheimnisse weitergegeben zu haben. Dass diese Vendetta gegen den Tierschutz bereits so weite Kreise zieht ist äußerst bedenklich.
Rechtsanwalt Dr. Alfred Noll fand zwar ebenfalls das Vorgehen der Behörden in der Tierschutzcausa bedenklich, aber er warnte vor Verschwörungstheorien und meinte, nach Kenntnis der österreichischen Justiz würde er keine so zielgerichtete politische Kampagne dieser Art gegen eine soziale Bewegung für möglich halten. Vielmehr wollten wahrscheinlich die Polizei und die Justiz § 278a StGB in einem politischen Kontext einmal ausprobieren, und mangels echter TerroristInnen in Österreich hat es mehr oder weniger zufällig den Tierschutz getroffen. Die österreichische Bevölkerung sei aber absolut obrigkeitsgläubig und Protestkulturen hätten keine Tradition, sodass das vorliegende Buch eine wichtige Funktion hätte.
Dr. Hans Zeger, Obmann der ARGE Daten und Mitglied des österreichischen Datenschutzrates im Bundeskanzleramt, warnte mit sehr scharfen Worten vor der Erosion unserer Grundrechte, die stetig vorangetrieben wird. Gewissen Kreisen würde es gelingen, der Mehrheit die langsame Aufhebung von Versammlungs- und Meinungsfreiheit auch noch als etwas Positives zu verkaufen, das Ruhe und Sicherheit bringen würde. In einer Zeitung sei kürzlich vom "Demo-Irrsinn" in Wien zu lesen gewesen, dem die Polizei mit Sperrzonen zu Leibe rücken will. Dr. Zeger zeigte sich enttäuscht, dass die Menschen sich diese Zerschlagung ihrer Rechte bisher ohne zu murren gefallen ließen, aber das wäre typisch österreichisch, so seien hierzulande 1867 die Grundrechte vom Kaiser seinen Untertanen geschenkt anstelle, wie fast überall sonst, durch soziale Konflikte erkämpft worden. Das Buch ginge ihm daher in vieler Hinsicht nicht weit genug.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Hannes Hofbauer vom ProMedia Verlag, der das Buch herausgibt. Einmal mehr beeindruckte die breite Solidarität der Öffentlichkeit mit dem Tierschutz in der Causa, war doch in der anschließenden Diskussion keine einzige tierschutzkritische Stimme zu hören, die dem § 278a-Verfahren auch nur irgendetwas Positives abgewinnen konnte.