Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (29.12.2010)
Wien, am 29.12.2010VGT fordert die Einstellung des Tierschutzprozesses
Der Geschäftsführer des VGT sandte am 29. Dezember 2010 folgenden offenen Brief an das Bundesministerium für Justiz. In dem Brief werden detailliert die Verfehlungen der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt dargelegt
Bundesministerium für Justiz
Museumstraße 7
1070 Wien
BMJ-L590.000/0060-II 3/2008
OFFENER BRIEF
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Bandion-Ortner!
Sehr geehrter Herr Sektionschef Mag. Pilnacek!
Ich möchte auf das Schreiben des Justizministeriums vom 22. Dezember 2008 zurück kommen.
Anmerkung: Wenn nicht anders bezeichnet beziehen sich alle Angaben zu Ordnungsnummern auf den Ermittlungsakt 6 St 519/06h.
Oktober 2008: Antrag auf Akteneinsicht
Zur Erinnerung: Ich bin einer der Beschuldigten und nunmehr auch einer der Angeklagten im sogenannten Tierschutzprozess (41 HV 68/09d, LG Wr. Neustadt).
Am 16.10.2008 beantragte ich erstmals bei der Kriminalpolizei Akteinsicht in den Ermittlungsakt, welche das mir zustehende Recht rundweg per Fax am 22.10.2008 verweigerte (ON 902). Das Verhalten der Kriminalpolizei war umso bedenklicher, als wenige Tage zuvor, nämlich am 26.09.2008 das OLG Wien festgestellt hatte, dass aus den bei der Staatsanwaltschaft zugänglichen Akten nicht nachvollziehbar war, warum überhaupt ein Verfahren gegen mich wegen Mitgliedschaft in einer behaupteten kriminellen Organisation geführt wurde. Das OLG Wien führte aus: „[...] dass Harald Balluch Mitglied der gegenständlichen kriminellen Organisation sei, [ist] nicht durch Fundstellen im Akt unterlegt“ (AS 65 in ON 881). Nach zu diesem Zeitpunkt bereits jahrelanger Verfolgung inklusiver technischer Überwachung der von mir aufgesuchten Wohnungen und meines Arbeitsplatzes, der Abhörung meiner Telefongespräche, der persönlichen Observation, der Peilung meines Mobiltelefons, der Durchsuchung meiner Wohnung und meines Büros und einer in den VGT effektiv eingeschleusten verdeckten Ermittlerin eine tatsächlich kafkaeske Situation.
Am 21.11.2008 informierte ich das Justizministerium, dass mir Akteneinsicht bei der Kriminalpolizei verweigert wird, und das obwohl aus den bei der Staatsanwaltschaft aufliegenden und einsehbaren Akten, das mir zur Last gelegten Delikt in keinster Weise nachvollziehbar war.
Ich bot damals die Wette an, dass es mir vollkommen unmöglich sein werde zu meinem Recht auf Akteneinsicht zu kommen, da selbst wenn ein Gericht meinem diesbezüglichen Einspruch stattgeben wird, es keine Möglichkeit für das Gericht nach der StPO gibt, eine Umsetzung seines Beschlusses gegenüber der Kriminalpolizei durchzusetzen.
Sie bestätigten mir damals meine Rechtsansicht, dass mir umfassende und vollständige Akteneinsicht zustehen würde und zeigten sich aber zuversichtlich, dass ich in der Lage sein würde, mit herkömmlichen rechtsstaatlichen Mitteln meine Rechte durchzusetzen.
November 2008: Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt interessiert die Rechtsverletzung nicht
Aus heutiger Sicht und damit um 2 Jahre schmerzvoller Erfahrungen mit der österreichischen Strafrechtspflege und auch um etliches Wissen über die Strafprozessordnung reicher, erscheint Ihre damalige Aussage fast schon zynisch. Sie schrieben: „Die Entscheidung über die von Ihnen erhobenen Einsprüche obliegt den unabhängigen Gerichten, die ich nicht präjudizieren will.“
Das ist, wie Sie bestimmt viel besser als ich wissen, inhaltlich falsch. Tatsächlich obliegt es gemäß § 106 Abs. 4 StPO der Staatsanwaltschaft, also der an Sie weisungsgebundenen Behörde, meinen Einspruch zu prüfen und mir zu meinem Recht auf Akteneinsicht zu verhelfen. Der Weg zu Gericht steht erst dann zu, wenn die Staatsanwaltschaft es verweigert, dem Begehren auf Akteneinsicht nachzukommen. Es wäre Ihnen damals möglich gewesen und wäre Ihnen im Übrigen auch jetzt jederzeit möglich die zuständige Staatsanwaltschaft anzuweisen, dass sie für eine vollständige Akteneinsicht, so wie vom Gesetz vorgesehen, zu sorgen hat.
Feburar 2009: Gericht stellt Rechtsverletzung fest
Es dauerte dann noch bis zum 24. Februar 2009, also weitere zwei Monate, bis das Gericht über den von der Staatsanwaltschaft abgelehnten Einspruch entschied. Der Beschluss ließ an Deutlichkeit allerdings nichts zu wünschen übrig, dort hieß es: „Schon allein die Tatsache, dass das Ermittlungsverfahren seit November 2006 anhängig ist und dem Beschuldigten im Oktober 2008 noch immer von der Polizei die Einsicht in die kompletten Akt verweigert wird, zeugt von einer maßlos überbordenden Heranziehung der als äußerst vorsichtig anzuwendenden Ausnahmebestimmung des § 51 Abs 2 StPO.“ Es handle sich um „ein Vorgehen, das mit einem rechtsstaatlichen Strafprozess nicht kompatibel ist“. Und abschließend: „Die Kriminalpolizei wird nunmehr umgehend die Rechte des Beschuldigten auf ein faires Verfahren zu akzeptieren haben und ihm bzw. seinem Verteidiger Einsicht in die von ihr geführten Akten zu gewähren haben.“ (ON 1202)
Leider bestätigten sich meine Ihnen gegenüber bereits im November 2008 gehegten Befürchtungen und die Kriminalpolizei gewährte nun zwar Einsicht, aber eben nur in eine geringe Anzahl willkürlich ausgewählter und mehr oder weniger nichtssagender Dokumente - und selbst diese waren zu einem erheblichen Teil geschwärzt, also unverwertbar gemacht.
März 2009: Neuerlicher Einspruch wegen fortgesetzt verweigerter Akteneinsicht
Ich habe daraufhin unverzüglich am 23.3.2009 neuerlich Einspruch gegen die fortgesetzt verweigerte Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft eingebracht (ON 1287). Neuerlich bearbeitete die Staatsanwaltschaft meinen Einspruch nicht, verzögerte somit das Verfahren und verweigerte dem Einspruch nachzukommen und die Akteneinsicht zu ermöglichen.
April bis Dezember 2009: Staatsanwalt und Kriminalpolizei verschleppen das Verfahren
Am 30.06.2009 fasste das Gericht (Mag. Andreas Pablik) daraufhin den Beschluss eine mündliche Verhandlung in dieser Sache abzuhalten und trug der Kriminalpolizei auf, eine Aufstellung sämtlicher Aktenstücke vorzulegen (ON 1466). In der nun folgenden Phase der weiter fortgesetzten Verfahrensverschleppung verweigerte die Kriminalpolizei dem Gericht die angeforderten Informationen über den Akt, sie zeigte sich immer wieder überrascht und uninformiert und behauptete mehrere Faxe des Gerichts nie erhalten zu haben. Eine erste Verhandlung in dieser Sache am 18.11.2009 wurde auf den 9.12.2009 vertagt, weil die Vertreter der Kriminalpolizei in der Verhandlung keine Auskunft geben konnten und daher „der Kriminalpolizei ausreichend Zeit gegeben werden muss, auf die von den Einspruchswerbern begehrten Aktenteile, Ermittlungen und Erhebungen eingehen zu können“ (ON 1525). Zu diesem Zeitpunkt lag der erste Antrag auf Akteneinsicht vom 16.10.2008 bereits mehr als ein Jahr zurück, die Kriminalpolizei tat aber so als wäre sie nach wie vor nicht darüber orientiert, was von ihr begehrt wurde.
Den Verhandlungstermin am 9.12.2009 ließ die Kriminalpolizei dann neuerlich platzen. Der Richter Mag. Andreas Pablik äußerte sich darauf gegenüber meinem Verteidiger wie folgt: „Auch wenn ich Ihre Stellungnahme verstehe und Ihren Ärger teile (für mich sind die „untergegangenen“ Faxstücke überhaupt nicht nachvollziehbar und das erstmalige Nachfragen seitens der KP am 4.12., also zwei Arbeitstage vor der Verhandlung unverständlich), halte ich die Verlegung für notwendig, um ein neuerliches Herumgerede zu verhindern. Eine nochmalige Verlegung wird es nicht geben, in dieser Verhandlung wird auch eine Entscheidung ergehen. Wie in der letzten Verhandlung bereits erörtert, ist für mich die Rechtslage völlig klar und sind die Schwärzungen und Ausnahmen von der Akteneinsicht wie geschehen nach derzeitigem Aktenstand rechtlich nicht gedeckt. Mein Problem ist jedoch, dass ich in meiner Entscheidung gezielte Aufträge erteilen muss, um eine Effektivität des Beschlusses erreichen zu können und um ein Ergebnis wie nach dem letzten Beschluss nicht zu wiederholen.“ (ON 1528b)
Der engagierte Richter Mag. Andreas Pablik ging davon aus, dass die Kriminalpolizei einen nochmaligen pauschalen Beschluss, dass sie Akteneinsicht zu gewähren hätte, genauso ignorieren würde, wie den ersten Beschluss in dieser Sache. Aus diesem Grunde wollte er in einer pragmatischen Herangehensweise versuchen, in einer mündlichen Verhandlung Informationen über konkrete Aktenteile aus der Kriminalpolizei herauszubekommen, auf die er sich in seinen Ausführungen hätte beziehen können.
Jänner 2010: Wenige Tage vor der Entscheidung wird dem Richter der Fall entzogen und die Sache auf Eis gelegt
Zu dieser Verhandlung und auch zu einer Entscheidung kam es allerdings nicht mehr, da wenige Tage vor dem Verhandlungstermin der Richter seitens der Justizverwaltung von dem Fall abberufen wurde. Die nun neu zuständige Richterin beraumte den Verhandlungstermin sofort ab (4.1.2010), es wurde von ihr auch kein neuer Termin mehr angesetzt und auch kein Beschluss gefällt – der Einspruch war auf Eis gelegt.
Oktober 2010: Nach neuerlichem Richterwechsel: Einspruch aus verfahrenstechnischen Gründen nunmehr als „gegenstandslos“ zu betrachten
Erst als besagte Richterin in Karenz ging und es dadurch zu einem neuerlichen Richterwechsel kam, wurde wieder ein Verhandlungstermin angesetzt (ON 1653). Die neu eingesetzte Richterin konnte aber nur mehr feststellen, dass mein Einspruch aufgrund des nunmehr vorliegenden Strafantrags und der damit einhergehenden Beendigung des Ermittlungsverfahrens als gegenstandslos zu betrachten sei, sie also nicht mehr darüber zu entscheiden hat (ON 1675). Das war am 14.10.2010, also zwei Jahre nach Antragsstellung.
Die Richterin hielt darüber hinaus aber auch fest, dass es für sie ohnehin keine Möglichkeit gegeben hätte, mein Recht auf Akteneinsicht durchzusetzen. Sie hielt fest: „Zudem sieht der Gesetzgeber nach Verletzung eines subjektiven Rechtes keine weiteren Rechtsfolgen vor, insbesondere besteht keine Möglichkeit der prozessualen Durchsetzung von Beschuldigtenrechten, weswegen es mit der Feststellung der aufgezeigten Rechtsverletzungen sein Bewenden haben muss (OLG Wien am 21.4.2010, 19 Bs 92/09g).“ (ON 1675)
Auch das BMJ war über die Vorgänge informiert
Was das Ministerium für Justiz betrifft so wurde dieses nach meinem Schreiben vom 21.11.2008 durch eine Anzeige des NAbg. Dr. Peter Pilz ein weiteres mal am 20.5.2009 von der verweigerten Akteneinsicht in Kenntnis gesetzt (ON 1602). Im Erlass BMJ-4031956/0007-IV 3/2009 erteilte es daraufhin allerdings erst 7 Monate später, nämlich am 19. Februar 2010, Weisung, dass ihm Bericht über diesen Sachverhalt zu erstatten sei (AS 7 in ON 1602). Ob dann auch tatsächlich ein Bericht an das BMJ ergangen ist und der Inhalt desselben ist mir leider nicht bekannt. Es ist mir aber ein Rätsel, warum das BMJ in weiterer Folge bis zum heutigen Tag untätig geblieben ist und nicht schon längst die Staatsanwaltschaft angewiesen hat für eine vollständige Akteneinsicht zu sorgen.
Die einzige sinnvolle Erklärung wäre, dass seitens der StA Wr. Neustadt falsch Bericht erstattet worden ist. Die zum Teil haarsträubenden Antworten des BMJ (BMJ-Pr7000/0028-Pr 1/2010) auf die parlamentarische Anfrage zu diesem Sachverhalt (4315/J-NR/2010) legen jedenfalls eine derartige falsche Berichterstattung nahe:
Das BMJ wurde von der StA Wr. Neustadt falsch informiert
Auf die parlamentarische Anfrage, ob die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt in alle Ermittlungsergebnisse Einsicht habe, deren Existenz bekannt ist, die aber den Angeklagten nicht vorgelegt wurden, antwortete das BMJ (BMJ-Pr7000/0028-Pr 1/2010): „Der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt liegen keine Hinweise vor, dass von der Kriminalpolizei nicht alle Ermittlungsergebnisse bekannt gegeben worden wären.“
Darüber hinaus führte das BMJ in dieser Anfragebeantwortung aus: „Nach dem Bericht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass einzelnen Beschuldigten nach Einbringen der Strafanträge polizeiliche Erhebungsergebnisse, die ihrer Entlastung dienen bzw. dienen könnten, vorenthalten wurden oder werden.“
Die naheliegendste Lesart dieser Antworten ist, dass die Staatsanwaltschaft alle Ermittlungsergebnisse prüfte, also auch jene in die die Angeklagten keine Einsicht haben und dabei festgestellt hatte, dass keine entlastenden Ermittlungsergebnisse zurückgehalten worden waren. Das kann aber nicht stimmen, weil dem Staatsanwalt sonst hätte auffallen müssen, dass erhebliche entlastende Ermittlungsergebnisse zurück gehalten wurden.
Eine andere Lesart wäre, dass der Staatsanwaltschaft nicht bekannt war, dass Ermittlungsergebnisse zurück gehalten wurden, ja sie nicht einmal einen Hinweis darauf hatte. Aber auch das kann nicht stimmen, da es immer klare Beweise dafür gab, dass Ermittlungsergebnisse nicht vorgelegt wurden, der Staatsanwalt z.B. selbstverständlich Kenntnis über die von ihm angeordneten Ermittlungen hatte und die Ergebnisse selbiger angeordneter Ermittlungen ja auch nicht vollständig offen gelegt wurden.
Beiden Interpretationsvarianten ist gemeinsam, dass es sich bei den Angaben der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt um Falschinformationen handelte, die zur Irreführung des Bundesministeriums für Justiz und der Öffentlichkeit zum Nachteil der Angeklagten geführt haben.
Es gibt etliche Ermittlungen von denen die Staatsanwaltschaft nachweislich wusste, deren Ergebnisse aber unterdrückt wurden. Beispielhaft seien hier ein paar staatsanwaltschaftlich angeordnete Ermittlungsmaßnahmen aufgezählt, zu denen bisher keine Ergebnisse offen gelegt worden sind (eine vollständige Liste entnehmen Sie bitte Beilage 1 und 2):
Peilsender auf Kraftfahrzeugen inklusive der Erstellung von Bewegungsprofilen, optische Überwachungen von Hauseingängen und Filialen (laut Polizeiangaben sogar inklusive gefilmter gegenständlich verhandelter Sachbeschädigungen), die Standortdaten der Mobiltelefone aller Angeklagter in einem Zeitraum von bis zu 16 Monaten und die Audiodateien der Telefonüberwachungen.
Auch von etlichen anderen brisanten Ermittlungsmaßnahmen ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Kenntnis von diesen hatte, obwohl auch hier keine Ergebnisse Eingang in den Akt gefunden haben:
z.B die technische Überwachung des VGT-Büros und VGT-Lagers, die verdeckten Ermittlungen, der Einsatz von Vertrauenspersonen, sowie Finanz- und Auslandsermittlungen.
Ich möchte exemplarisch die Ergebnisse der verdeckt ermittelnden Polizeibeamtin mit der Legende „Danielle Durand“ herausgreifen, weil sich hier bereits ergeben hat, dass es sich um ein unterdrücktes Beweismittel gehandelt hat, das geeignet ist die Angeklagten entscheidend zu entlasten.
Unterdrückung der Ermittlungsergebnisse einer verdeckten Ermittlung
In einem Zwischenbericht der Soko an die Staatsanwaltschaft vom 13.09.2007 ist von verdeckten Ermittlungen die Rede (ON 97 AS 3), in denen sich „konkrete Verdachtsmomente“ gegen die Beschuldigten unter anderem aufgrund des „VP und VE Einsatzes“ ergeben haben sollen.
Vor allem aus einem internen Polizeibericht (Beilage 3) geht darüberhinaus deutlich hervor, dass der Staatsanwalt Kenntnis von diesen Ermittlungen hatte.
Beilage 3 enthält einen von NAbg. Dr. Peter Pilz veröffentlichten internen Bericht der Soko „Kleider“ vom 18.12.2007 mit der Bezeichnung „Information für den HGD“. Aus diesem Bericht geht hervor, dass „in Absprache mit dem zuständigen StA des LG Wr. Neustadt“ „verdeckte Ermittlungen“ als „taktisches Instrument“ eingesetzt worden sind (Seite 2). Betont wird die gute Zusammenarbeit mit dem Staatsanwalt. So gebe es „regelmäßige persönliche Besprechungen“ und „sämtliche Ermittlungsschritte werden hierbei abgesprochen“ (Seite 4). Als „geplante weitere Vorgangsweise“, die auch bereits „mit dem LG Wr. Neustadt akkordiert“ sei, wird die Fortsetzung der verdeckten Ermittlungen angeführt. Darüber hinaus wurde notiert, dass dieser Einsatz verdeckter Ermittlungen „ab 1.1.2008 von StA genehmigungspflichtig“ sei, „was auch geschehen wird“.
Mit der neuen StPO wurden allerdings nur verdeckte Ermittlungen genehmigungspflichtig, wenn es sich dabei um „systematische, über längere Zeit durchgeführte“ derartige Ermittlungen handelte (§ 133 iVm 131 StPO), was einmal mehr unterstreicht, dass der Staatsanwalt auch über die Qualität dieser Ermittlungen vollkommen im Bilde war. Offensichtlich deckte der Staatsanwalt sehenden Auges die Falschbehauptung der Kriminalpolizei, dass es sich um eine verdeckte Ermittlung im Sinne des SPG gehandelt hätte, obwohl sich die Maßnahme ganz offensichtlich gegen spezifische Verdächtige richtete und der Klärung von Straftaten diente, was etwa auch durch die heimliche Mitnahme von DNA-Spurenträgern durch die verdeckte Ermittlerin bestätigt wird. Die Abteilung für verdeckte Ermittlungen des Bundeskriminalamts berichtete am 19.7.2007 (Beilage 4, die Abkürzung „ZP“ steht für „Zielperson“, „VE“ für „Verdeckte Ermittlung“):
„Im Zuge der Ermittlungen durch die SOKO war es bereits möglich, den Kreis der Verdächtigen einzuschränken, und werden mittlerweile gegen einige ZP´s strafprozessuale Maßnahmen durchgeführt. Einer verdeckten Ermittlerin des BK.5.3.1, VE-Ost I, war es möglich das Vertrauen dieser ZP´s zu erlangen, und ist es der VE zwischenzeitlich möglich, aktiv, ohne Begehung von strafbaren Handlungen, an Veranstaltungen teil zu nehmen.“
Ähnliche Berichte wird wohl auch der Staatsanwalt erhalten haben.
Bei der zeugenschaftlichen Einvernahme des „VE-Führers“ am 61. Verhandlungstag im Tierschutzprozess, dem 13.12.2010, sagte dieser auch explizit aus, dass die Sicherstellung DNA-behafteter Trinkflaschen von Beschuldigten „im Auftrag der SOKO“ erfolgt sei.
Trotzdem deckte der Staatsanwalt wissentlich die falsche Behauptung, dass die verdeckten Ermittlungen nur zwecks Gefahrenabwehr gem. SPG eingesetzt worden wären.
Das tat er zweifellos auch in dem Wissen, dass anordnungspflichtige Ermittlungen (insbesondere auch verdeckte Ermittlungen gem. §133 iVm 131 StPO) nach der StPO zwingend zur Kenntnis der Beschuldigten gelangen müssten, während die Unterdrückung von Ergebnissen aus Ermittlungsmaßnahmen, die nicht staatsanwaltschaftlich angeordnet waren, sich viel einfacher gestaltet.
Obwohl von den Angeklagten bereits seit Jahren Antrag auf Einsicht in die Ergebnisse der verdeckten Ermittlungen gestellt worden war, wurden Berichte darüber erst vorgelegt, nachdem den Angeklagten mit Hilfe eines Privatdetektivs die Enttarnung einer verdeckten Ermittlerin gelang. Diese Polizeibeamtin ist unmittelbare Zeugin für etliche der angeklagten Sachverhalte! Trotzdem wurden die Ermittlungsergebnisse dieser Beamtin nicht dem Gericht vorgelegt, dieses Beweismittel also unterdrückt.
Unterdrückung der Ermittlungsergebnisse nach wie vor aufrecht
Tatsächlich bleiben auch nach wie vor weite Teile der durchgeführten Ermittlungen im Dunkeln. Eine Liste der zum Stand 30.11.2010 bekannten Beschränkungen der Akteneinsicht habe ich diesem Schreiben als Anhang beigefügt (siehe Beilage 1). Dazu ist anzumerken, dass in der Liste selbstverständlich nur jener Teil der Ermittlungen angeführt ist, von dem bekannt geworden ist, dass er durchgeführt wurde und trotzdem nach wie vor die dazugehörigen Ermittlungsergebnisse unterdrückt werden. Wieviele Ermittlungen es noch zusätzlich gab, die bisher gar nicht bekannt geworden sind, lässt sich selbstverständlich nicht beurteilen.
Unter den unterdrückten Ermittlungsergebnissen sind erstaunlicher Weise auch solche, die der Staatsanwalt in seiner Begründung des Strafantrags benützt, wie nicht dokumentierte Observationsergebnisse bzgl. DDr. Martin Balluch oder der Umstand, dass sich die kriminelle Organisation in Räumen mit strengen Zutrittskontrollen treffen würde oder dass die Mitglieder der kriminellen Organisation auf Demonstrationen regelmäßig mit Sonnenbrillen auftreten würden.
Gerade letzteres scheint auf den eigentümlichen Humor der ErmittlerInnen zurück zu gehen. Eine Durchsicht der Fotoaufnahmen von Kundgebungen zeigt nämlich, dass die einzige Person die laufend mit großen Sonnenbrillen auf den Kundgebungen anwesend war, paradoxerweise ausgerechnet die verdeckt ermittelnde Polizeibeamtin mit der Legende „Danielle Durand“ war. Es dürfte sich also um den zynischen Scherz eines Polizeibeamten handeln, der offensichtlich darauf hinweisen wollte, wer hier als einzige die eigentliche kriminelle Organisation vertritt.
Sämtliche der in der Liste angeführten unterdrückten Ermittlungsergebnisse stehen in direktem Zusammenhang zu den im Strafantrag inkriminierten Sachverhalten, sind also Beweismittel in diesem Verfahren.
Weiteres offensichtlich rechtswidriges Verhalten der Staatsanwaltschaft
Darüber hinaus werden in der Strafprozessordnung etwa in den §§ 138, 139 und 145 für bestimmte Ermittlungsergebnisse auch noch spezifische Durchführungsbestimmungen festgesetzt für deren Einhaltung die Staatsanwaltschaft zu sorgen gehabt hätte, die aber allesamt rechtswidrig nicht eingehalten wurden und werden.
Eine detailliertere Beschreibung mit einer Liste der betreffenden Ermittlungen habe ich diesem Schreiben in Beilage 2 beigefügt. In aller Kürze zusammengefasst:
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- § 145 Abs. 1 StPO normiert, dass sämtliche Ergebnisse geheimer Ermittlungsmaßnahmen von der Staatsanwaltschaft aufzubewahren und diese mit Einbringen der Anklage an das Gericht zu übermitteln gewesen wären. Selbiges wurde zum Nachteil der Angeklagten von der Staatsanwaltschaft rechtswidrig unterlassen.
- § 138 Abs. 4 StPO bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsergebnisse nach § 134 Z 5 auf ihre Relevanz zu prüfen gehabt hätte. Tatsächlich überließ die Staatsanwaltschaft der dafür nicht zuständigen Kriminalpolizei die Bewertung dieser Ergebnisse und ermöglichte so, dass Ermittlungsergebnisse ohne dass diese zur Kenntnis der Verteidigung gelangten, stillschweigend unterdrückt werden konnten - neuerlich rechtswidrig und zum Nachteil der Angeklagten.
- Laut der Angaben der Sokoleiterin wurden sogar bereits Ergebnisse aus optischen Überwachungen nach Antrag der Kriminalpolizei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft vernichtet (Protokoll zur HV am 8.4.2010 ON 1807 Seite 43 und Nachmittag ON 1809 Seite 20 f) ohne dass die Staatsanwaltschaft die Ergebnisse auf ihre Relevanz geprüft hätte (§ 138 Abs. 4 StPO) und noch bevor der Verteidigung die Gelegenheit zur Prüfung der Ermittlungsergebnisse (§ 139 Abs. 1 StPO) gegeben wurde.
- Nach § 138 Abs. 5 StPO wären den Betroffenen die Anordnungen und Bewilligungen von Telefonüberwachungen, Emailüberwachungen sowie optischen und/oder akustischen Überwachungen zuzustellen zu gewesen. Außerdem wären sie darüber zu unterrichten gewesen in welchen Zeiträumen die tatsächliche Durchführung selbiger angeordneter Ermittlungsmaßnahmen stattgefunden hat. Auch das wurde von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil der Angeklagten rechtswidrig unterlassen. Nach wie vor ist für viele Ermittlungsmaßnahmen im Dunkeln in welchen Zeiträumen sie nun tatsächlich stattgefunden haben.
- Nach § 139 Abs. 1 StPO hätte den Angeklagten ermöglicht werden müssen, sämtliche Ermittlungsergebnisse nach § 134 Z 5 einzusehen und anzuhören. Trotz mehrfacher Anträge und Einsprüche wurde von der Staatsanwaltschaft die Wahrnehmung dieses Rechts fortgesetzt rechtswidrig bis heute verweigert.
Falsche Angaben gegenüber Angeklagten
Nicht nur, dass der Staatsanwalt durch die oben beschriebenen Verhaltensweisen das Recht der Angeklagten auf Akteneinsicht unterlief, er verhinderte die Akteneinsicht auch aktiv durch Falschinformationen.
Am 2.2.2010 begehrte der Angeklagte Jürgen Faulmann im Beisein von zwei Zeugen, nämlich XXXX und XXXX, bei Staatsanwalt Einsicht in den Ermittlungsakt 6 St 519/06h. Der Staatsanwalt gab Jürgen Faulmann die Auskunft, dass der Akt bereits bei der Richterin der Hauptverhandlung sei, gegen Jürgen Faulmann alles eingestellt wäre und ihm daher keine Akteneinsicht in den Ermittlungsakt mehr zustünde.
Wie sich später herausstellen sollte, handelte es sich um eine Falschinformation durch den Staatsanwalt. In der Hauptverhandlung am 18.3.2010 führte der 3. Angeklagte Jürgen Faulmann an den Staatsanwalt gerichtet aus (Seite 16 in ON 1786a): „Ich habe übrigens am 02.02.2010 versucht bei Ihnen Akteneinsicht zu bekommen, Sie haben gesagt, der ganze Akt ist bereits bei der Richterin und gegen mich ist alles eingestellt. Es wird aber weiter gegen mich ermittelt wegen dem Brandanschlag Zirkus Knie und ich habe auch nie eine Einstellung erhalten wegen einem Brandanschlag.“ Der Staatsanwalt antwortete: „Das betrifft ein Ermittlungsverfahren, das nach meiner Erinnerung nicht mehr gegen Sie geführt wird.“
Als Jürgen Faulmann Mitte September 2010 zufällig die Ladung zur nicht öffentlichen Einspruchsverhandlung wegen verweigerter Akteneinsicht bei der Kriminalpolizei in die Hände bekommt (ON 1653), sieht er dort neben der Aktenzahl 6 St 519/06h auch die Aktenzahl 31 HR 3/08w vermerkt. Sich über die Bedeutung der beiden Aktenzahlen nicht im Klaren beschließt Jürgen Faulmann nunmehr mit zweiterer Aktenzahl (31 HR 3/08w) Akteneinsicht bei Staatsanwalt zu beantragen. Aus diesem Grund suchte er am 17.9.2010 gemeinsam mit XXXX den StA auf und es wurde ihm diesmal Akteneinsicht gewährt. Allerdings merkte Jürgen Faulmann, dass auf den Akten nicht nur 31 HR 3/08w sondern auch 6 St 519/06h stand und dass am Aktendeckel vermerkt war, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen dem Brandanschlag Zirkus Knie nach wie vor lief. Der Akt beinhaltete zu diesem Zeitpunkt allerdings auch schon den ihn betreffenden Abschlussbericht vom 21.7.2010 zu diesem Faktum (ON 1645). Bezeichnenderweise wurde ein Monat NACH Legung des Abschlussberichtes in derselben Causa (6St519/06h) am 25.08.2010 von der StA ein weiterer Ermittlungsauftrag erteilt (ON1650).
Damit wurde Jürgen Faulmann durch die Fehlinformationen des Staatsanwalts endgültig die Chance genommen, Akteneinsicht bei der Kriminalpolizei zu begehren.
Und das, obwohl offensichtlich aber noch immer gegen ihn weiter ermittelt wird, da er bis heute noch nicht von einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 194 StPO verständigt wurde.
Irreführende Angaben gegenüber einer Richterin
Ähnliches trug sich dann auch in der Einspruchsverhandlung wegen der verweigerten Akteneinsicht bei der Kriminalpolizei am 14.10.2010 zu. Dort gab der Staatsanwalt zur Frage, ob bei der Kriminalpolizei noch Ermittlungen gegen den Beschuldigten DDr. Martin Balluch anhängig sind, an, dass bezüglich des Verfahrens wegen Brandstiftung zum Nachteil des Zirkus Knie „bereits Abschlussberichte gelegt worden [seien], sodass aus der Sicht der Staatsanwaltschaft dazu bei der Polizei kein Ermittlungsverfahren mehr geführt wird“ (ON 1676).
Diese Darstellung durch den Staatsanwalt, die mangels genauer Aktenkenntnis durch die Einspruchwerber damals unwidersprochen blieb, führte dazu, dass die Richterin feststellte, dass aufgrund der Beendigung der Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei keine Akteneinsicht bei dieser mehr zustünde.
Dazu sind zwei Dinge auszuführen:
1. Die Aussage des Staatsanwalts war zwar dahingehend richtig, dass am 21.07.2010 ein Abschlussbericht (ON 1645) zu diesem Sachverhalt (Brandstiftung zum Nachteil des Zirkus Knie) eingebracht worden war, was der Staatsanwalt allerdings verschwieg, ist, dass er einen Monat später, nämlich am 25.8.2010 einen neuerlichen Ermittlungsauftrag (ON 1650) in dieser Sache (und derselben Aktenzahl) an die Kriminalpolizei erteilt hatte. Das Gericht wurde durch das Verschweigen dieses neuerlichen Ermittlungsauftrags in dem Glauben belassen, dass die Ermittlungen bei der Kriminalpolizei abgeschlossen gewesen wären.
2. Es hat Methode seitens der Kriminalpolizei bereits Abschlussberichte zu legen, während die Ermittlungen voll weitergehen. Das hat den Effekt, dass das Recht der Beschuldigten auf Akteneinsicht bei der Kriminalpolizei unterlaufen wird, und geschieht unter böswilliger Ausnutzung des § 53 StPO, in dem es heißt, dass bei der Kriminalpolizei nur solange Akteneinsicht beantragt werden kann, bis der Abschlussbericht gelegt worden ist.
Einige wenige Beispiele dazu:
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- ON 1382 vom 20.4.2009, Anlassbericht der KP, betreffend die Auswertung des aktiven Datenbestandes einer Festplatte des VGT-Servers: „Die Auswertung konnte aufgrund der enormen Datenmenge noch nicht abgeschlossen werden.“ Nächster Auswertungsbericht (ON 1418) folgte dann am 10.5.2009, der nächste dann am 25.6.2009, der nächste am 23.7.2009 (ON 1494), der nächste am 29.7.2009 (ON 1495), der nächste am 23.6.2010 (ON 1959, 41 HV 68/09d) das ist bis zu 16 Monate nach den Abschlussberichten über die von diesen Ermittlungen betroffenen VGT-MitarbeiterInnen.
- ON 1184, Abschlussbericht DDr. Martin Balluch vom 19.2.2009, AS 62 zu Bigowers „Escom“ u. „PCG“, Laptops „Siemens Nixdorf“ u. „HP Pavillion“. USB-Stick: „Hier liegen dzt. etwa 54.000 Treffer mit von der SOKO übermittelten Suchbegriffen vor, die aus Zeitmangel noch nicht weiter gefiltert werden konnten. [...] die weitere Auswertung dieser Treffer [...] ist mit großem Zeitaufwand verbunden“ und zu PC Power Mac G4, USB-Festplatten, ZIP-Disks, CDs und Disketten: „Dieser PC und diese Datenträger wurden noch keiner eingehenderen Auswertung unterzogen.“ Mehr als ein Jahr nach dem Legen des Abschlussberichts wurden also noch - sogar aktenkundige - Ermittlungsmaßnahmen getroffen und erst 2010 – also ein Jahr nach Legen des Abschlussberichts - endgültige Ermittlungsergebnisse in dieser Sache vorgelegt.
- Der Abschlussbericht von Harald Balluch (ON 1366) wurde am 9.4.2009 gelegt. Die Auswertungen über von ihm benutzte Datenträger ging erst am 30.6.2009 (ON 1458) in den Ermittlungsakt der StA ein.
- ON 1356, Abschlussbericht David Richter, Beilage 43: „Emailkonten und Mailverkehr wurden noch nicht ausgewertet. Sollte bei der Sichtung tatbestandsrelevantes Material aufgefunden werden wird darüber nachträglich berichtet.“ Explizit wird auf Ermittlungen nach Legen des Abschlussberichtes hingewiesen.
- ON 1356, Abschlussbericht David Richter, AS 83: „Eine Niederschrift der XXX wird durch das LVT Vbg aufgenommen werden und wird nachgereicht.“: Nach Legen des Abschlussberichtes wird weiter ermittelt.
Zur Verhinderung der Akteinsicht wurden also von der Polizei Berichte mit dem Titel „Abschlussbericht“ verfasst, obwohl diese in keinster Weise den Abschluss des Ermittlungsverfahrens darstellten. Diese Praxis Beschuldigtenrechte zu unterlaufen wurde, wenn nicht sogar vorsätzlich beauftragt, vom Staatsanwalt zumindest billigend in Kauf genommen.
Verschiedene Sachverhalte belegen Staatsanwalt „Übereifer“
Dass das Vorgehen des Staatsanwalts die nach § 3 StPO notwendige Objektivität vermissen lässt und auf eine Befangenheit iSd § 47 (1) Z 3 hinweist, geht auch aus verschiedenen anderen Sachverhalten hervor:
Staatsanwalt erfindet belastendes Ermittlungsergebnis
In ON 294 AS 5 schreibt der Staatsanwalt im Zusammenhang mit dem auf dem Fahrzeug des DDr. Martin Balluch montierten Peilsenders: „Offensichtlich fahren die Täter, darunter auch DDr. Martin BALLUCH, mögliche Anschlagziele ab, um Erkenntnisse über die gegenständlichen Objekte zu gewinnen.“
Weder die Sokoleiterin (Einvernahme am 8.4.2010) noch Sokoleiter (Einvernahme am 28.7.2010) konnten sich an derartige Ermittlungsergebnisse erinnern. Sokoleiter gab am 28.7.2010 vor Gericht dazu an: „DDr. Balluch ist weder zu einem Tatort in dieser Zeit noch zu sonst etwas gefahren.“
Das Ermittlungsergebnis, dass DDr. Martin Balluch offensichtlich Anschlagsziele abfahre, entspringt also nur dem Wunschdenken des Staatsanwalts.
Staatsanwalt beharrt trotz Widerlegung auf Gutachter
Auch im Umgang mit dem linguistischen Gutachter bewies der Staatsanwalt seine Voreingenommenheit: Zuallererst wurde der Linguist offenbar eine Zielvorgabe gegeben und erklärt, an welchem Ergebnis des Gutachtens Interesse bestünde. Er schreibt nämlich am 2.9.2008 an die Staatsanwaltschaft: „ich habe bereits 3 sehr „heiße“ Spuren – welche die Vermutungen der Frau Chef-Inspektor zu bestätigen scheinen, sodass weitere Folgeaufträge vermutlich nicht nötig sein werden“ (ON 823).
Er kündigt gleichzeitig aber auch an, dass seine Honorarforderungen hoch ausfallen werden. Tatsächlich gesteht der Staatsanwalt dem Gutachter letztendlich 34.528 Euro zu (ON 1170 und ON 1256). Das ist für ein derartiges Gutachten (ON 1169 und ON 1255) eine geradezu astronomische, wohl um mehr als das 10-fache zu hohe Summe, wie andere gerichtliche Gutachter bestätigt haben.
Für diesen Preis bekommt der Staatsanwalt allerdings auch ein Gutachten, dass den schwersten Vorwurf und das Kernindiz in Hinblick auf das Vorliegen einer kriminellen Organisation darstellt: Da DDr. Martin Balluch, dem kolportierten Chef der kriminellen Organisation, durch dieses Gutachten die Autorenschaft von 3 Bekennerschreiben nachgesagt wird, schafft dieses Gutachten als einziges Beweismittel im Verfahren den Bogen von DDr. Martin Balluch zum Organisieren von Straftaten zu spannen. Es ist also von entscheidender Bedeutung für die Anklage.
Eine wissenschaftliche Qualität des Gutachtens ist allerdings nicht vorhanden
So haben sowohl Univ. Prof. Dr. Manfred Kienpointner, Universitätsprofessor für Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Innsbruck, nunmehr Vorstand des Instituts für Sprachen und Literaturen (Beilage 111 zur Hauptverhandlung), als auch Univ.-Prof. DDr. Raimund Drommel, emeritierter Professor der Uni Köln, Begründer der forensischen Linguistik und 10 Jahre für den deutschen Staatsschutz tätig, in Gegengutachten die unglaublichen Mängel des Gutachtens vernichtend dargelegt. Sowohl die angewandten statistischen Methoden als auch die sprachlichen Analysen halten einen Vergleich mit wissenschaftlichen Standards nicht aus. Kienpointner sprach trocken von „zahlreichen Fehlern“ und „methodischen Inkonsistenzen“, die das Gutachten „unhaltbar“ machen. Da er in seinem Gutachten wie wild Textsorten gemischt untersuchte, nicht einmal in Betracht zog, dass redaktionelle Beiträge und zitierte Textpassagen eventuell von verschiedenen Autoren stammen könnten und nicht in der Lage war Textarten zu erkennen und richtig zuzuordnen, meinte DDr. Raimund Drommel: „Er weiß nicht einmal was ein Text ist. Das ist wie wenn ein Blinder über Farbenlehre spricht.“ Und weiter: „Wäre das eine Seminararbeit, dann würde ich sagen: Setzen, Ungenügend.“
Zu allem Überfluss konnten aber auch die wahren Autoren von Texten, welche er „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ fälschlicherweise DDr. Martin Balluch zugeordnet hatte, ausfindig gemacht werden. Einer dieser Autoren, nämlich XXX, gab in der Hauptverhandlung am 19.7.2010 an, dass 90% der Textabschnitte eines der kolportierten Bekennerschreiben von ihm – XXX – stammten.
Zuvor hatte allerdings der Gutachter am 14.4.2010, als er in der Hauptverhandlung sein Gutachten erstattete, etwas ganz anderes behauptet (Protokoll der HV vom 14.4.2010 Seite 28 f):
„ER: Zusammengefasst: Ihr Schluss als Gutachter ist aus der von Ihnen angeführten Befundung, dass dieses Schreiben, 'Tierbefreiungsfront (ALF)', in Ihrem Ergänzungsgutachten jetzt wem zuzuordnen ist? Von wem stammt, der Gutachtensschluss, wer der Autor davon ist?
SV: Das habe ich in das Gutachten hineingeschrieben, für meinen Begriff kann das nur DDr. Martin Balluch gewesen sein.“
Neben somit vollkommen unhaltbaren statistischen Argumenten, u.a. Satz- und Wortlängen betreffend, berief sich der Gutachter auf von ihm so bezeichnete „linguistische Fingerabdrücke“, die einen Text eindeutig einem Autor zuordenbar machen sollen:
SV (Protokoll zur HV vom 14.4.2010 Nachmittag Seite 27): „Auf S. 4 vom kleinen Gutachten hier ist der ärgste linguistische Fingerabdruck, den ich in meinem Leben jemals irgendwo gefunden habe, „Der Futterbrei wird den Tieren auf das Käfigdach gespritzt, es enthält Frostschutzmittel, damit es nicht festfriert“. Das ist die Rückübersetzung aus dem Englischen, „so that it does not freeze“. Im Englischen ist das 'it', 'es', korrekt, natürlich. Der Futterbrei wird auf das Käfigdach gespritzt, „es enthält Frostschutzmittel, damit es nicht festfriert“, das hat typisch jemand geschrieben, der englisch denkt und das Englische ins Deutsch zurück übersetzt.“ Und noch einmal auf Seite 36 direkt an DDr. Balluch gewandt: „Ich schließe z.B. daraus aus dem Satz, „Futterbrei auf das Dach gespritzt, es enthält Frostschutz, damit es nicht festfriert“, dass Sie den Satz geschrieben haben, als Sie in England waren. Als Sie von good morning bis zum good night den ganzen Tag nur Englisch hörten, selber nur Englisch sprachen und Englisch dachten. Dann ist man in dem 'es', 'it' ist 'es', drinnen [...].“
Nun ist es aber nicht nur so, dass XXXXX seine Autorenschaft dieses Textes bestätigt hatte, es konnte am 19.7.2010 auch eine Kopie des Originals dieses Textes aus dem Jahr 1994 aus der Nationalbibliothek beigeschafft, dem Gericht vorgelegt und von diesem zum Akt genommen werden. Auch aus diesem Originaldokument geht zweifelsfrei hervor, dass der „linguistischer Fingerabdruck“, also die fehlerhafte Verwendung des „es“ statt des hier richtigen „er“, schon 1994 im Originaltext von XXX grammatikalisch falsch formuliert worden war.
Unter solchen Bedingungen – unter anderem auch die unglaublichen selbstgefälligen Eskapaden des Gutachters bei seiner Gutachtenserstattung miteinbeziehend – sollte man meinen, dass der Staatsanwalt sich sofort an das BMJ wendet, um dringendst anzuregen diesen gemeingefährlichen Scharlatan aus der Liste der gerichtlich beeideten Sachverständigen entfernen zu lassen, damit nicht noch mehr Schaden angerichtet wird. Weit gefehlt: Als die Verteidigung am 21.7.2010 den Antrag auf Enthebung des Gutachters bzw. Beiziehung eines zweiten Gutachters stellte, sprach sich der Staatsanwalt gegen einen zweiten Gutachter aus. Er begründete das vollkommen unbelehrbar damit, dass der Gutachter ja den „linguistischen Fingerabdruck“ des DDr. Balluch im Bekennerschreiben festgestellt hätte, auch wenn sich nun ergeben hätte, dass andere Autoren die Urheber der Texte gewesen seien.
Das zeigt nachdrücklich, dass dem Staatsanwalt - in der Sorge um sein wesentlichstes Beweisstück - die Fähigkeit zur unvoreingenommenen und unparteilichen Beurteilung der Sachverhalte abhanden gekommen ist. Es bestehen begründete Zweifel an seiner Objektivität.
Rechtswidrig nicht bearbeitete Beweisanträge
Beweisanträge, die im Ermittlungsverfahren vom Beschuldigten eingebracht worden sind, müssen, sofern die Kriminalpolizei diese nicht aufnimmt, von dieser mit Anlassbericht der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden. Die Staatsanwaltschaft hat nun „ihrerseits die Beweisaufnahme zu veranlassen oder den Beschuldigten zu verständigen, aus welchen Gründen sie unterbleibt“. (§ 55 Abs. 4 StPO).
Im gegenständlichen Verfahren wurden folgende Beweisanträge von Beschuldigten nach Inkrafttreten der „neuen“ StPO mit 1.1.2008 im Ermittlungsverfahren eingebracht:
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- ON 1083, 15.12.2008, 1 Beweisantrag von Mag. Felix Hnat
- ON 1192, 18.02.2009, 16 Beweisanträge von DDr. Martin Balluch
- ON 1339, 03.04.2009, 2 Beweisanträge von Harald Balluch
- ON 1344, 08.04.2009, 12 Beweisanträge von Mag. Felix Hnat
- ON 1377, 08.04.2009, 3 Beweisanträge von DDr. Martin Balluch
- 27.04.2009, 1 Beweisantrag von Harald Balluch
Am 11.5.2009 berichtete die Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft in einem Anlassbericht vom Vorliegen dieser Beweisanträge und gibt bekannt, dass sie selbst diese nicht aufnehmen werde, sondern ersucht „um Prüfung der Vorbringen und Erteilung allfälliger Ermittlungsaufträge“ (ON 1424).
Entgegen § 55 Abs. 4 StPO hat Staatsanwalt weder die Aufnahme der Beweise veranlasst noch die Beschuldigten darüber verständigt, aus welchen Gründen eine Aufnahme der Beweise unterbleibt. Dadurch, dass er die Beschuldigten nicht über die Gründe informierte, nahm er ihnen die Gelegenheit argumentativ darauf einzugehen und die Beweisanträge dementsprechend detaillierter zu begründen.
Darüber hinaus ist das Vorbehalten der Aufnahme der Beweise für die Hauptverhandlung (§ 55 Abs. 3 StPO) nicht zulässig gewesen, da das Ergebnis der Beweisaufnahme geeignet gewesen wäre, den Tatverdacht unmittelbar zu beseitigen.
Dazu mehrere Beispiele:
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- In dem Beweisantrag von Harald Balluch vom 27. April 2009 (AS 3 bis 9 in ON 1242) wird detailliert erklärt, warum die Kenntnis der Ergebnisse der Ermittlungen der Kriminalpolizei für die Beschuldigten ganz essentiell wäre, da diese geeignet sein würden, den Tatverdacht in entlastender Hinsicht zu klären. In diesem Zusammenhang wurde auch schon explizit darauf hingewiesen, dass den Behörden, wie sich aus mehreren Indizien schließen ließ, Ermittlungsergebnisse aus verdeckten Ermittlungen vorliegen müssen, die zweifellos größte Verfahrensrelevanz aufweisen müssen.
Die Berichte der ursprünglich vertuschten und nur durch einen glücklichen Zufall von einem Privatdetektiv enttarnten verdeckten Ermittlerin mit der Legende „Danielle Durand“ haben die Relevanz dieses Beweisantrags vom April 2009 – im Dezember 2010 freilich viel zu spät – unter Beweis gestellt.
Unter Berücksichtigung der erst jetzt bekanntgewordenen Ermittlungsergebnisse der VE „Danielle Durand“ wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit weder zu fortschreitenden Ermittlungen, noch zur U-Haft, geschweige denn einem Strafantrag oder gar einer Hauptverhandlung gekommen! - Ein weiteres Beispiel ist der Beweisantrag von Felix Hnat vom 15.12.2008 (AS 61 in ON 1424): Auch dieser Beweisantrag, der darauf abzielt, dass die Kriminalpolizei die Inhalte der Kontakte zwischen Felix Hnat und Mitgliedern der BAT offen legen möge, ist definitiv geeignet den Tatverdacht zu beseitigen, da ja der behauptete auf eine angeblich kriminelle Ausrichtung bezogenen Kontakt von Hnat zur BAT so etwas wie das Rückgrat der Konstruktion der behaupteten kriminellen Organisation bildet. Ohne einen Kontakt in der behaupteten Qualität kann es keine kriminelle Organisation geben.
Erst in ON 1920 hat das Gericht dann am 13.7.2010 diese Daten von der Kriminalpolizei in sogar noch erweiterter Form angefordert und den Beweis dann am 7.9.2010 in der Hauptverhandlung aufgenommen. Der Bericht (41 HV 68/09d, ON unbekannt, wahrscheinlich zwischen 1948 und 1957) belegte, dass von keinerlei krimineller Ausrichtung der Kontakte die Rede sein konnte und dass es vielmehr schwerwiegende Differenzen zwischen den Gruppen gab. Knapp zwei Jahre nach der erstmaligen Stellung dieses Beweisantrags! - Die ebenso ignorierten Anträge in den ersten zwei Absätzen des Beweisantrags von Mag. Felix Hnat (AS 67 in ON 1424) vom 8.4.2009 betreffen im Grunde Anträge nach § 139 Abs. 1 StPO auf Einsehen und Anhören von Ermittlungsergebnissen nach § 134 Z 5 StPO, denen schon allein aufgrund dieser expliziten Regelungen (der Beschuldigte hat ein Recht darauf diese Ermittlungsergebnisse einzusehen und anzuhören) hätte stattgegeben werden müssen.
Dass diese Anträge darüber hinaus auch geeignet waren den Tatverdacht zu beseitigen, zeigt die letztendlich durchgeführte Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung. So waren die Standortdaten das zentrale Indiz für den behaupteten Beitrag zu einer Sachbeschädigung des Mag. Felix Hnat (Strafantrag ON 1483 Punkt V A 3), weil von der Kriminalpolizei behauptet worden war, dass Mag. Hnat zwei Monate vor der Sachbeschädigung an einem Fahrzeug in einer Funkzelle in der Nähe dieses Fahrzeugs eingeloggt gewesen sein soll.
Abgesehen davon, dass ein derartiger Zusammenhang für sich schon an den Haaren herbeigezogen erscheint und nicht nachvollziehbar ist, wie man aufgrund solcher Umstände angeklagt werden kann, hätte aber nicht nur Einsicht in diese Ermittlungsergebnisse gewährt werden müssen (§ 139 Abs. 1 StPO), sondern es hätte der Staatsanwalt diese Polizeiangaben natürlich auch selbst zu prüfen gehabt (§ 138 Abs. 4 StPO), was er aber offenbar unterließ. Letztendlich stellte sich in der Hauptverhandlung am 15.09.2010 im Rahmen der Einvernahme des auswertenden Polizeibeamten RI Helmut Riepl heraus, dass die Daten erhebliche Inkonsistenzen aufwiesen: So hätte gemäß dieser Daten Mag. Hnat innerhalb von 2 Minuten die Wegstrecke vom 4. Wiener Gemeindebezirk nach Guntramsdorf in Niederösterreich zurück gelegt. Eine physische Unmöglichkeit. Eine Stunde und zwei Telefongespräche später sprang sein Standort laut den Daten dann wieder von Guntramsdorf in den 4. Bezirk.
Selbstverständlich hätte auch die Kriminalpolizei von sich aus auf diesen erheblichen Mangel der Datenkonsistenz hinzuweisen gehabt. Selbst während der Einvernahme des betreffenden Beamten gab dieser diese wesentliche Information nicht von sich aus an. Vielmehr wurde der Beamte schon einmal am 6.5.2010 ausführlich einvernommen ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Er wurde dann für den 15.9.2010 noch einmal geladen. Auch beim zweiten Termin kam diese Information erst nach mehr als einer Stunde Befragung ans Tageslicht und zwar weil der Angeklagte selbst mit seinen Fragen nicht locker ließ. Der Beamte gab letztendlich zu, dass ihm das bereits aufgefallen sei und er keine Erklärung für diese Datenunstimmigkeit habe.
- In dem Beweisantrag von Harald Balluch vom 27. April 2009 (AS 3 bis 9 in ON 1242) wird detailliert erklärt, warum die Kenntnis der Ergebnisse der Ermittlungen der Kriminalpolizei für die Beschuldigten ganz essentiell wäre, da diese geeignet sein würden, den Tatverdacht in entlastender Hinsicht zu klären. In diesem Zusammenhang wurde auch schon explizit darauf hingewiesen, dass den Behörden, wie sich aus mehreren Indizien schließen ließ, Ermittlungsergebnisse aus verdeckten Ermittlungen vorliegen müssen, die zweifellos größte Verfahrensrelevanz aufweisen müssen.
Es waren aber nicht nur einzelne Beweisanträge geeignet den Tatverdacht zu beseitigen, sondern jedenfalls alle Beweisanträge in ihrer Gesamtheit.
Zum Teil bestand und besteht auch der Verlust eines Beweises zu einer erheblichen Tatsache (§ 55 Abs. 3 StPO). Das trifft beispielsweise auf die Erhebung der historischen Rufdaten der Mobilfunktelefone des sogenannten „Handy-Pools“ zu: Mit jedem Tag der Nichterledigung des Beweisantrags steigt die Wahrscheinlichkeit des provider-bedingten Löschens dieser intern gespeicherten Verbindungsdaten, somit die Wahrscheinlichkeit des Verlustes dieses Beweises (was auch tatsächlich eingetreten ist). (AS 89 in ON 1424).
Und auch bei den beantragten Zeugen besteht die Gefahr, des Verblassens der Erinnerung, des Ablebens oder dass diese nicht mehr erreichbar sind, etwa weil sie ins Ausland verziehen (z.B. AS 97 und AS 75 in ON 1424).
Darüber hinaus handelt es sich weder um unzulässige, unverwertbare noch unmögliche Beweise (1. Satz § 55 Abs. 2). Zusätzlich sind die Beweisthemen weder offenkundig noch für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung, die beantragten Beweismittel sind geeignet erhebliche Tatsachen zu beweisen und die Beweisthemen können nicht als erwiesen gelten.
Die Verweigerung der Beweisaufnahme war daher unzulässig. Die Beweisaufnahme hätte nicht unterbleiben dürfen.
Dieses mehrfach rechtswidrige Verhalten des Staatsanwalts, nämlich sowohl die Verweigerung der Beweisaufnahme als auch das Unterlassen der Verständigung der Beschuldigten über die Gründe, schädigte diese massiv in ihren Verteidigungsrechten und belegt die Parteilichkeit und Voreingenommenheit des Staatsanwaltes iSd §47 (1) Z3.
Meine Anliegen an das BMJ
Angesichts all dieser Umstände habe ich folgende Anliegen an das BMJ:
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- Vollständige Akteineinsicht gewähren
Bitte weisen Sie die Staatsanwaltschaft an, sich an die Gesetze zu halten und dafür zu sorgen, dass endlich Einsicht in sämtliche der Kriminalpolizei vorliegenden Ermittlungsergebnisse ermöglicht wird. - Hören Sie sich bitte auch einen Bericht der Angeklagten an
Im Mittagsjournal auf Ö1 vom 18.12.2010 sagten Sie, Herr Sektionschef Mag. Pilnacek, dass Sie bestrebt wären, sich nun ein objektives Bild von der Sache zu machen. In diesem Zusammenhang war auch die Rede davon, dass nunmehr von der Staatsanwaltschaft „zur Verbreiterung der Informationsgrundlage“ (OTS des BMJ vom 17.10.2010) ein Bericht zum bisherigen Fortgang des Verfahrens angefordert werde. Aus unserer Sicht hat die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zur genüge bewiesen, dass sie entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, objektiv zu berichten. In diesem Sinne bitten wir Sie eindringlich sich nicht nur auf die Berichte der Staatsanwaltschaft zu stützen, sondern sich auch die andere Seite, nämlich jene der Angeklagten anzuhören. - Bitte übertragen Sie das Verfahren an eine andere Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat, wie Sie den obigen Ausführungen entnehmen können, mehrfach das Gesetz massiv zum Nachteil der Angeklagten gebrochen. Das betrifft sowohl die Führung des Ermittlungsverfahrens, indem sie etwa verdeckte Ermittlungen, die sich ganz offensichtlich zielgerichtet gegen Angeklagte zu Klärung von Straftaten richtete, als „Gefahrenabwehr“ durchgehen ließ und somit offenbar anstrebte, dass die Beschuldigten in weiterer Folge keine Kenntnis von diesen Ermittlungen bekommen sollten. Das betrifft aber auch die Aktenführung die explizit gegen die StPO verstieß und zum Nachteil der Angeklagten gereichte, indem etwa das Einsehen und Anhören der Ermittlungsergebnisse verweigert wurde. Es betrifft die Prüfung der Relevanz von Ermittlungsergebnissen, weil diese Kompetenz gesetzwidrig rigoros an die Kriminalpolizei abgetreten wurde und somit das Unterdrücken von Beweismitteln begünstigt wurde. Es betrifft die falsche Berichterstattung an die Oberstaatsanwaltschaft und somit das Ministerium. Es betrifft das Unterlassen der Aufnahme von Beweisen, obwohl der Verlust der Beweise drohte und diese geeignet waren, den Tatverdacht unmittelbar zu beseitigen. Es betrifft die Nichtbearbeitung von Einsprüchen und Beweisanträgen, die zu Verzögerungen und einer Schlechterstellung der Angeklagten führte, weil diese Fristen versäumten. Es betrifft die Falschinformation einer Richterin und Angeklagter um zu verhindern, dass Einsicht in die der Kriminalpolizei vorliegenden Ermittlungsergebnisse erlangt werden kann.
Diese Staatsanwaltschaft hat demnach nachdrücklich gezeigt, dass sie nicht in der Lage ist ein faires Verfahren im Sinne der Verfassung und der EMRK zu führen und sie hat gezeigt, dass es ihr an der nach § 3 StPO erforderlichen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit mangelt. Sie macht nicht den Eindruck die Wahrheit zu erforschen und Tatsachen aufzuklären zu wollen, sondern vielmehr die Wahrheit zu verschleiern und Tatsachen vertuschen zu wollen. Ich bitte Sie daher eindringlich der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt das Verfahren zu entziehen und an eine andere Staatsanwaltschaft, etwa die Staatsanwaltschaft Wien, zu übertragen. - Zurückziehung des Strafantrags
Die Staatsanwaltschaft Wien und die Staatsanwaltschaft Linz hat Selbstanzeigen von Personen, die Punkt für Punkt dieselben Handlungen gesetzt hatten, wie zwei der Angeklagten, sofort niedergelegt. Für diese beiden Staatsanwaltschaften konnten dieselben Handlungsweisen für die Angeklagte nunmehr bald 1 Jahr vor Gericht sitzen, nicht einmal einen Anfangsverdacht begründen. Ich bitte Sie nun auch die Sicht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt jener der Staatsanwaltschaften Linz und Wien anzupassen und nach eingehender Prüfung der tatsächlich vorliegenden Fakten die Zurückziehung des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation zu veranlassen.
Die Angeklagten, die keiner geregelten Arbeit nachgehen können, werden durch das Verfahren finanziell zugrunde gerichtet und durch den andauernden Stress psychisch schwersten belastet. Selbst wenn das Gericht jetzt nur noch das Programm der Staatsanwaltschaft zum Abschluss bringen würde, um anschließend auf korrektem Wege zu einem Freispruch zu gelangen, ist ein Ende des Verfahrens derzeit nicht abzusehen. Jeder weitere Verfahrensmonat vergrößert das an den Angeklagten begangene Unrecht und kostet den Steuerzahler Unmengen an Geld. Aus meiner Sicht ist eine Weiterführung des Verfahrens unter den gegebenen Umständen nicht vertretbar. Ich bitte Sie eindringlich die Sache noch einmal genau zu prüfen und anschließend den Vorwurf der „Kriminellen Organisation“ fallen zu lassen.
- Vollständige Akteineinsicht gewähren
Hochachtungsvoll,
Harald Balluch
• Beilage 1: Antrag auf Akteneinsicht vom 30.11.2010 mit der Liste der bisher bekannt gewordenen unterdrückten Ermittlungsergebnisse
• Beilage 2: Antrag auf Anhörung und Einsehung der Ermittlungsergebnisse, sowie Herstellung des gesetzmäßigen Zustands
• Beilage 3: Interner Polizeibericht vom 18.12.2007 („Information für den HGD“)
• Beilage 4: Ansuchen um Genehmigung des Einsatzes einer verdeckten Ermittlerin in Holland (19.7.2007)