Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (17.02.2011)
Wien, am 17.02.2011Pressekonferenz der SPÖ zum Tierschutzprozess: Wissenschaft im Visier der Justiz
Heute lud der Justizsprecher der SPÖ Dr. Hannes Jarolim zu einer Pressekonferenz ins Parlament, wo er erneut scharfe Kritik an der Unverhältnismäßigkeit des Tierschutzprozesses übte. Ebenso äußerte sich Univ-Prof. Bernd Christian Funk besorgt über so manche Schwachstellen in unserem Justizsystem
Anlass zu dieser heutigen Pressekonferenz war die Anzeige eines führenden Mitglieds der Richtervereinigung gegen Univ-Prof. Petra Velten, die sehr fundiert, bestimmt und sachlich die Richterin des Tierschutzprozesses kritisierte und dieses Verfahren als nicht vereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem darin verankerten Grundrecht auf ein faires Verfahren, nannte.
Die Richterin im Tierschutzprozess gibt Anlass zu Kritik und diese Kritik muss zulässig sein und ist sogar wünschenswert! Das Fragerecht, das eine Selbstverständlichkeit jedes Beschuldigten ist, wird enorm beschnitten, die Richterin prüfe beinahe jede Frage der Verteidigung und läßt sie erst dann nach eigenem Abwägen zu oder nicht. Fragen werden von ihr umformuliert und somit wird eine unmittelbare Befragung durch die Verteidigung verhindert.
Die Verhältnismäßigkeit sieht Dr. Jarolim auch durch den uferlos gewordenen Prozess als nicht mehr gegeben an. Heute ist bereits der 70. Verhandlungstag, jeder Tag koste jedem der 13 Tierschutzangeklagten alleine an Verteidigungskosten € 3.500,-, hinzu komme der Verlust der Arbeitsplätze und der Unmöglichkeit über Jahre einer geregelten Arbeit nachgehen zu können. Vor der Verhandlung von Organisationsdelikten sei im Vorfeld die Schwere der ausgeübten Straftaten zu prüfen. Es könne nicht sein, dass wegen eventuell überzogenen Tierschutzmaßnahmen gleich umfassend und existenzvernichtend für die Beschuldigten vorgegangen wird, wie bei schwer mafiöser Verdachtslage, für die diese Paragraphen ins Leben gerufen wurden.
Univ-Prof. Dr. Funk kritisierte vor allem die Unbestimmtheit der §§ 278. Hier wird ein Tatstrafrecht zu einem Gesinnungs- und Verfahrensstrafrecht und das hat in einem modernen Rechtsstaat nichts verloren. Hier liegt eine faktische Umkehr der Beweislast vor, den Beschuldigten obliegt es nachzuweisen, dass sie unschuldig sind. Die Umkehr dieser Verfahrenslogik ist verheerend. In so einem Prozess kann immer nur hypothetisch verhandelt werden, die RichterInnen werden mit einer Sachlage konfrontiert und müssen dann abwägen, inwieweit das verwerflich sein soll. Dass in so einem Fall mit der schärfsten Waffe die ein Rechtsstaat hat, mit Haft, vorgegangen wurde ist inakzeptabel. Dr. Funk wünscht sich allgemein eine neutralere Position der RichterInnen.
Unterlagen zur Pressekonferenz:
20010217pk.pdf