Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (18.05.2011)
Wien, am 18.05.2011"Tierschutzprozess" wird zum universitären Forschungsobjekt!
Pressekonferenz: Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Engagements als Kollateralschaden des § 278a?
In der gestrigen Pressekonferenz im Wiener Café Landtmann wurde das neue interdisziplinäre Forschungsobjekt unter der Leitung von Univ-Prof. Dr. Peter Kampits des Instituts für Ethik und Wissenschaft im Dialog (IEWD) vorgestellt.
Anhand des sogenannten Tierschutzprozesses soll untersucht werden, ob zivilgesellschaftliches Engagement durch § 278 a StGB und andere Organisationsstraftatbestände beeinträchtigt wird. Wie weit kann die Bedrohung durch ausufernde Überwachungsmaßnahmen das Verhalten der Zivilgesellschaft beeinflussen?
Univ.-Prof. Dr. Kampits erwähnte in seinem Redebeitrag die Wichtigkeit einer aktiven Zivilgesellschaft in jeder Demokratie und sieht diese in Österreich eher als ein zartes, unterentwickeltes Pflänzchen. Seine Hoffnung liegt somit im Engagement der NGOs, die sich in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft etabliert haben. Eine Demokratie muss von den BürgerInnen getragen aber auch kritisch beleuchtet werden können. Für ihn ist das zivilgesellschaftliche Engagement von großer Bedeutung und so würde er sich freuen, durch diese Forschungsarbeit einen Teil am Funktionieren dieser beitragen zu können.
Univ.-Prof. Dr. Bernd Christian Funk gehört
dem wissenschaftlichen Beirat dieses Forschungsprojektes
an. Sein Hauptaugenmerk liegt in der Betrachtung
der gesellschaftlichen Anwendung des Rechts
in Österreich. So zeigte er auf, dass der „Tierschutzprozess“
eine Reihe von Schwachstellen unseres Rechts
zum Vorschein gebracht hat und sieht die §§
278 ff als reformbedürftig an. Die Anwendungsmöglichkeiten
lassen eine zu breite Streuung zu und entsprechen
nicht den Standards eines modernen Strafrechts.
Als Todsünde einer Rechtssordnung sieht er die
sogenannte Beweisumkehr, wie sie im Tierschutzprozess
zur Tagesordnung wurde. Es muss auch weiterhin
Sache der Anklage sein, eine Schuld nachzuweisen
und nicht die der Beschuldigten sich frei beweisen
zu müssen!
Dieser Prozess werfe aber auch Fragen nach einem
menschenrechtskonformen Verfahrensausgleich
auf, auch hier wird Prof. Funk kritische Analysen
vornehmen.
Mag. Eberhart Theuer übernimmt als Jurist und Menschenrechtsexperte den rechtswissenschaftlichen Teil der Arbeit. Er war bei allen Verhandlungstagen im „Tierschutzprozess“ in Wr. Neustadt anwesend und wird diesen seriös und detailliert aufarbeiten. Strafrecht müsse zielgerichtet und punktuell gegen von der Gesellschaft nicht toleriertes Verhalten gerichtet sein. Der § 278a stelle eine große Keule dar, die im Tierschutzprozess von den Strafverfolgungsbehörden noch dazu nicht gezielt sondern in einem Rundumschlag geführt wurde. Getroffen habe man ausschließlich die Zivilgesellschaft. Trotz des Freispruchs bleibt eine große Rechtsunsicherheit, die es nun zu beseitigen gilt.
Mag. Erwin Lengauer, Philosoph und Ethiker, steht für die geisteswissenschaftlichen Aspekte des Projektes. In seinem Redebeitrag brachte er ein persönliches Beispiel, wie schnell man bei der derzeitigen Gesetzesinterpretation durch zivilgesellschaftliches Engagement ins Fadenkreuz strafrechtlicher Ermittlungen kommen kann. Er selbst habe vor etlichen Jahren eine Email-Liste gegründet, die sich als Querverbindung zwischen dem akademischen Diskurs und dem praktischen Tierschutz versteht. Über 200 Personen diskutieren auf dieser Liste über sämtliche tierschutzrelevanten Themen. Besagte Email-Liste war im Tierschutzprozess ein zentraler Anklagepunkt, sie solle der Vernetzung der angeblichen kriminellen Organisation gedient haben. Mag. Lengauer selbst, als Gründer dieser Liste, wurde nicht einmal von der Polizei dazu vernommen.
Prof. Kampits schloss diese gelungene Veranstaltung
mit den Worten von Benjamin Franklin:
„Diejenigen, die ihre Freiheit zugunsten der
Sicherheit aufgeben, werden am Ende keines von
beiden haben.“