Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (26.05.2011)
Wien, am 26.05.2011Uni Graz: Podiumsdiskussion "Auf der Suche nach dem verlorenen Vertrauen in die Justiz"
Am 23. Mai organisierte „Die Presse“ eine hochkarätige Podiumsdiskussion am Grazer RESOWI, mit dabei die Justizministerin Beatrix Karl
Thema war der zunehmende Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Justiz und was dagegen unternommen werden könne. Unvermeidbar wurde als mahnendes Beispiel von allen DiskutantInnen der „Tierschutzprozess“ erwähnt.
Thomas Mühlbacher (Leiter der Staatsanwaltschaft Graz) führte aus, dass es gute Kontrollmechanismen für Polizei und Staatsanwalt gebe. Eine Diskussionsteilnehmerin kommentiert dazu: „Hätte sich Herr Staatsanwalt Mühlbacher nur kurz mit den Vorgängen der letzten Jahre in der Tierschutzcausa auseinandergesetzt, wäre ihm diese Bemerkung wohl nicht so leicht von den Lippen gegangen.In Anbetracht der Ermittlungsmaßnahmen und des Vorgehens der ermittelnden Behörde wirkt seine Bemerkung geradezu zynisch.“
Werner Zinkl (Präsident der Richtervereinigung) sprach als zweiter Diskutant die fehlende Transparenz bei Strafprozessen an und beendete seine Ausführung mit der Aufforderung „Es muss was passieren!“.
Eine sehr detaillierte und kritische Analyse der Missstände lieferte Gabriele Krenn (Präsidentin der steirischen Rechtsanwaltskammer). Der Tierschutzprozess sei eine neue Dimension und habe selbst bei ihr, die einiges gewohnt sei, Unbehagen ausgelöst. Schockiert sei sie vor allem über die Umstände, dass kein belastendes Material gefunden wurde und trotzdem mit dieser „unangemessenen Härte“ gegen StaatsbürgerInnen vorgegangen wurde. Ebenfalls, dass es trotz einem Freispruch im Nachhinein keinen vollen Kostenersatz geben werde. Weiters sprach sie sich sehr kritisch gegen die Rolle des Gutachters als Gutachter des Staatsanwaltes aus. Das Beispiel Tierschutzprozess habe gezeigt, mit was für Problemen die Angeklagten dadurch konfrontiert wurden, die sich trotz offensichtlicher Inkompetenz des linguistischen Gutachters kaum gegen diesen verteidigen konnten. Schließlich ging sie noch auf die so oft getätigte Ausrede der ehemaligen Justizministerin ein, das Justizministerium habe sich nicht zu laufenden Verfahren zu äußern. Kritik des Justizministerium sei sogar sehr wohl möglich, vor allem bei so offensichtlichen Mängeln wie sie beim Tierschutzprozess zu tage traten.
Peter Bydlinski von der Universität Graz drückte seine Hoffnung aus, dass so etwas nur Ausnahmefälle seien. „Angesichts der Inszenierung des Tierschutzprozesses und des Verfahrens gegen StudentInnen nach dem Terrorparagraphen, mag man das nicht so recht glauben“, meinte eine Zuhörerin dazu.
Die Justizministerin selbst nahm zur Enttäuschung des Auditoriums nicht Stellung zum Tierschutzprozess.
Zum Schluss meldete sich noch einmal Werner Zinkl zu Wort und forderte vollen Kostenersatz für freigesprochene Angeklagte.
Abgeschlossen wurde der Abend mit einer Diskussionsrunde. Unter anderem wurde die Frage gestellt, ob die Justizministerin den geringen Kostenersatz im Tierschutzprozess für gerechtfertigt halte. Sie beschränkte ihre Antwort auf die Aussage, dass der Kostenersatz im Rahmen des Budgets liegen müsse. Ein Zuhörer dazu: „Das kann nur als schlechter Witz gewertet werden, bedenkt man die unverhältnismäßigen Kosten für die Ermittlungen, die anscheinend ohne Bedenken auf sich genommen wurden. Ohne ausreichenden Kostenersatz kann schon die Anklage ohne Verurteilung zur Bestrafung werden, was eines Rechtsstaates unwürdig ist. Einen angemessenen Kostenersatz müsse uns die Vermeidung von politischen Prozessen und die Erhaltung des Rechtsstaates schon wert sein.“
Es meldete sich auch eine Mutter zu Wort und sprach ihre verschleppten Fürsorgeprozesse an und die dramatischen Folgen die für sie und ihr Kind damit verbunden seien. Sie gab zu bedenken, dass sie nicht die Möglichkeiten und Kenntnisse für den Umgang mit den Medien habe, wie sie zum Beispiel die angeklagten TierschützerInnen hatten.
„Wer weiß wie der Tierschutzprozess ausgegangen wäre, wenn die Angeklagten dem Rechtsstaat einfach nur vertraut, selbst keine Initiative gesetzt, keine Nachforschungen angestellt und nicht durch intensive Medienarbeit die Öffentlichkeit über das Verfahren aufgeklärt hätten? Der Gedanke, dass vielleicht viele Menschen wehrlos einer von Missständen durchsetzten Justiz ausgeliefert sind, ist beängstigend?“, meinte eine Teilnehmerin dazu.
Um das „verlorene Vertrauen“ wieder herzustellen, wird in Zukunft jedenfalls noch einiges an Arbeit nötig sein.