Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (16.10.2014)
Steiermark, am 16.10.2014Mutterkuh-Haltung in der Milchproduktion?
Pilotprojekt eines Ausnahmebetriebs - der VGT war bei Iris Fritz-Pfeiffer, Gewinnerin des Bundestierschutzpreises, nahe Fürstenfeld in der Steiermark zu Besuch
Ließe man die Kälber bei der Mutter, wird uns immer erklärt, dann trinken sie den Menschen die Milch weg. Abgesehen davon sei der Trennungsschmerz dadurch noch viel größer als wenn es kurz und schmerzlos unmittelbar nach der Geburt passiert. So oder so ähnlich lauten die Gründe, die i.A. genannt werden, warum sich die Kälber aus der Milchindustrie nach ihren Müttern die Seele aus dem Leib schreien müssen. Eine Aktivistin des VGT ist auf einem Tiroler Bergbauernhof aufgewachsen, und diese Schreie der Tierkinder, so erzählt sie, werde sie ihr Leben lang nicht vergessen. Die Biomilchbäuerin Iris Fritz-Pfeiffer gewann Ende September 2014 den Bundestierschutzpreis, weil sie ihren Hof so umgestellt hatte, dass die Kälber nun die ersten Wochen bei ihren Müttern bleiben können. Wir vereinbaren einen Besuch.
Der Bauernhof ist durch die Straßenverhältnisse beengt, auf der einen Seite die Bundesstraße, kaum mehr als 100 m auf der anderen eine Landstraße. Die wenigen Hektar Weide, die dadurch den Kühen direkt zur Verfügung stehen können, lassen keine großen Tierzahlen zu: 14 erwachsene Milchkühe - eine davon bereits 17 Jahre alt, einige erstmals schwangere Jungtiere und 3 Kälber teilen sich den Bereich zusammen mit einigen Hunden und Katzen, sowie 7 Hühnern, einem Hahn und einigen Enten. Die Kühe haben einen mit Elefantengras tief eingestreuten Schlafbereich und einen Essplatz, und sie können wetterabhängig zwischen März und November immer auf ihre Weide. Doch das besondere und möglicherweise Einzigartige in Österreich an diesem Hof ist ein eigener Stallbereich für die Mütter mit ihren Kälbern.
Einmal pro Jahr muss eine Kuh auf Milchbetrieben ein Kind gebären, um den Milchfluss aufrecht zu erhalten. Die Befruchtung geschieht auf diesem Hof hier künstlich, wenn die Kühe ihre Bereitschaft signalisieren. Nach etwas mehr als 9 Monaten ist es dann soweit. Die ersten 5 Tage nach der Geburt bleiben Mutter und Neugeborenes hier in einem Stallabteil zusammen, die Kolostralmilch dieser Zeit ist für den menschlichen Verzehr sowieso nicht geeignet. Dann wird die Mutter sukzessive, abhängig von der Reaktion der Tiere, wieder in die Herde integriert und ihr Kind entwöhnt. In dieser Zeit trinkt das Kalb etwa 12 Liter Milch pro Tag, die restlichen ca. 18 Liter werden abgemolken und verkauft. Wenn die Mutter nach 3-4 Wochen erneut empfängnisbereit ist, sieht sie ihr Kalb nur noch im Vorbeigehen oder vom Melkstand aus. Ab dann muss das Kind alleine zurechtkommen. Ist es männlich, wird es bald verkauft, ist es weiblich, besteht eine gewisse Chance am Hof zu bleiben und später einmal eine der Milchkühe zu ersetzen. Auf der Weide sind die Kühe von den erstmals schwangeren Kalbinnen getrennt, die jungen Kälber leben in einem weiteren extra Bereich in einer Gruppe. Aus Sicherheitsgründen, wird uns erklärt.
Durch das langsame Abnabeln sei der Trennungsschmerz minimal, meint die Bäuerin. Den Milchverlust müsse man eben hinnehmen. Ab Hof zahlt man hier EUR 1 pro Liter. Die Kühe gehören zu keiner der Hochleistungsrassen, ihre Nahrung beziehen sie neben der Weide noch von einem Getreidefeld und einer Silage, die von einigen weiteren Hektar Grünland auf der anderen Seite der Bundesstraße gewonnen wird. Die Tiere werden alle unter Schmerzausschaltung enthornt. Der Grund dafür ist eine Verletzung, die sich die Bäuerin in jungen Jahren an ihrem Auge zuzog, weil eine Kuh ihren Kopf geschüttelt hatte. Keine Absicht, doch heute wolle sie kein Risiko mehr eingehen, meint sie.