Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (31.03.2015)
Wien, am 31.03.2015Tier des Monats: Legehenne Luci
Heute erzähle ich euch meine spannende Biografie. In meinem bisherigen Leben kam nichts zu kurz, es gab viel Negatives aber auch Positives. In meiner Lebensgeschichte geht es um Freundschaft und Feindschaft, um Trauer und Freude, um Frust und Glückseligkeit und natürlich um Hass und Liebe.
Über Freundschaft und Feindschaft
Es begann alles in einer Brüterei. Dort gibt es eine Vielzahl an Brutschränken, in denen Unmengen an befruchteten Eiern ausgebrütet werden. In einem solchen Ei wuchs ich heran – 21 Tage lang. Dann als ich dachte, jetzt ist es an der Zeit hier herauszukommen, nahm ich all meine Kraft zusammen und peckte an der Schale. Von draußen konnte ich lautes Piepsen hören. Nach kurzer Zeit sprang die Schale auf und ich war da – auf der Welt – doch da konnte ich nur hektisches Treiben vernehmen. Lauter kleine Küken wie ich waren auf der Suche nach ihrer Mutter. Ich irrte herum und fiepste nach meiner Mama, doch es war keine Glucke weit und breit zu sehen. Ich hatte Angst und klammerte mich an ein Küken neben mir. Die Nähe eines anderen warmen Körpers machte mich ruhiger. Das Küken, eine Art Schwesterchen von mir, an das ich mich presste, hieß übrigens Lena. Gemeinsam waren wir mutiger und weniger furchtsam. Hier begann unsere Freundschaft.
Auf einmal war ein kalter Wind zu spüren. Der Brutschrank wurde geöffnet und grobe Menschenhände schubsten alle geschlüpften Küken in eine Kiste. Eine Kiste nach der anderen wurde gefüllt. Tausende kleine Babyhühner fiepsten aus Angst, Schrecken und Stress, niemand wusste was auf uns zukommen würde. Wir wurden wie irgendwelche Gegenstände hin und her geschüttelt. Die Brutalität und Ignoranz der Menschen war unvorstellbar, sodass ich Menschen ab diesen Zeitpunkt als meine Feinde ansah.
Über Trauer und Freude
Der nächste Kontakt zu einem Menschen kam sehr schnell, meine Flügelchen wurden kurz gespreizt und der Mensch beäugte meine Federchen. Ich wurde auf ein Fließband geschleudert. Schnell wurde mir klar, dass nun mehr nur noch Mädchen um mich herum waren, die Buben waren weg. All unsere Brüder wurden in eine Maschine geschleudert, von der qualvolle Schreie zu uns herüber drangen. Der sogenannte Schredder zerstückelte alle männlichen Hühner, sie waren alle tot. Ich war starr vor Schrecken. Blühte mir dasselbe Schicksal?
Mir kamen die Tränen, Lena versuchte mich zu trösten, doch auch sie zitterte am ganzen Körper. Schon landete ich auf einem Förderband, danach in einer Kiste, die kam auf einen LKW und der fuhr uns ein paar Stunden über holprige Straßen. Wir waren alle so erschöpft, dass viele in einen unruhigen Schlaf fielen. Ich kuschelte mich an Lena und ich schluchzte und trauerte um all meine Brüder, die auf brutale Art und Weise am ersten Tag ihres Lebens getötet wurden, ohne Ausnahme. Später erfuhr ich, dass wir alle als sogenannte Legehühner in eine Bodenhaltung kommen, um dort Eier zu legen. Also hat mich das Eierlegen am Leben gehalten. Lena und ich waren sehr glücklich, dass unser Leben noch nicht zu Ende ist und wir träumten von unsere Zukunft.
Über Frust und Glückseligkeit
In der Bodenhaltung angekommen, lief ich quer durch die Halle um mein neues Zuhause zu begutachten. Auf der einen Seite waren sogenannte Volieren, Gitterkäfige, es gab noch Sitzstangen und Nestboxen. Dann suchte ich nach einem Ausgang, ich wollte auf eine Wiese, ich wollte in der Sonne ein Nickerchen machen, im Sand baden und nach Würmern suchen. Doch es gab keinen Ausgang, es gab keine Fenster, ich war eingesperrt – für immer.
Mit ca. 6 Monaten begann ich Eier zu legen, fast jeden Tag eines. Mit der Zeit war es für meinen Körper sehr anstrengend und ich bemerkte nach ca. einem Jahr des Eierlegens, dass es weniger wurden. Mein Körper war ausgelaugt. In der verdreckten Halle kämpfte jede Henne um ihren Platz. Dadurch, dass wir alle unglücklich waren, gab es immer wieder Auseinandersetzungen. Wir lebten in einer stinkenden, verstaubten Halle, 30.000 Hennen auf engstem Raum.
Ein Mensch ließ sich einmal täglich blicken und entfernte tote Hühner. Der Frust aller Tiere war deutlich spürbar. Wir wussten auch schon, dass es bald zu Ende gehen würde, denn Legehühner werden nach ca. 1,5 Jahren zum Schlachthof gebracht, weil man dann scheinbar mit uns nicht mehr soviel Geld verdienen kann. Jeden Tag dachten wir, dass es soweit seien würde und das grauenvolle Ende im Schlachthof kommen würde. Ich bemerkte, dass ich keine Eier mehr legen konnte und ich hatte furchtbare Schmerzen im Bauch.
Eines Nachts änderte sich mein Leben schlagartig. Ich wurde in eine Kiste gesetzt und davongetragen. Ich wehrte mich kaum, da ich schon sehr schwach war. In der Transportbox schlief ich vor lauter Schwäche ein.
Als ich aufwachte wurde ich auf einen Tisch gesetzt und zwei Menschen im weißen Mantel beäugten mich. Ich wurde operiert, denn ich hatte eine typische Krankheit von Legehühnern, die sogenannte Legehemmung, bei der das Ei nicht mehr von selbst raus kommt. Viele meiner Schwestern haben das selbe Problem, doch sie werden nicht versorgt, sie werden nicht operiert, sie vegetieren vor sich hin, bis sie einfach sterben oder am Schlachthof landen. Nach einer Woche voller Untersuchungen und Medikamenteneinnahme wurde ich auf einen wunderbaren Platz gebracht. Dort gibt es eine Wiese. Dort kann ich in der Sonne liegen, im Sand baden, im Boden scharren, Würmer suchen und essen, herumschlendern, mit andern Hühnern. Zeit vertreiben und einfach ein richtiges Hühnerleben führen, wie es uns eigentlich zusteht. Und zu meiner größten Freude war da auch Lena!
Über Hass und Liebe
Jetzt lebe ich hier schon ein paar Wochen. Ich bin nicht mehr schwach, ich bin jetzt ein wunderschönes und starkes Huhn.
Im Verlauf meines Lebens habe ich Menschen kennengelernt, die uns Hühner auf brutalste Art und Weise behandelt, wie Wegwerfartikel, wie Sachen. Aber ich hatte Glück, ich durfte auch Menschen kennenlernen, die mich als Individuum schätzen und lieben, die nicht Geld mit mir verdienen wollen, sondern die Spaß und Freude daran haben, zu sehen, dass es mir gut geht.