Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (31.07.2015)
Wien, am 31.07.2015Tier des Monats: Fiakerpferd Fritz
Fritz erzählt uns wie es ist ein Fiakerpferd zu sein. Er berichtet uns über seine Wünsche und über die Qualen, die täglich ertragen muss.
Heute war wieder einmal ein Tag wie jeder andere. In der Früh wurde ich aus der Box geholt, gestriegelt und dann in die Kutsche gespannt. Direkt neben Franz, meinen Gespannpartner. Und von Anfang an macht er mich wahnsinnig. Sobald er eingespannt wird, beginnt er zu mir hin zu schnappen. Das war schon immer so. Ich glaube, dass Franz sehr frustriert ist, er arbeitet schon länger als ich als Fiakerpferd. Er ist stur und mürrisch. Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich ihn auch, denn es ist tagein tagaus das Gleiche. Dadurch, dass er nicht nur versucht mich zu beißen, sondern das auch schon einmal bei einem vorbeigehenden Menschen gemacht hat, bekommt er jetzt immer einen Maulkorb. Das macht ihn aber noch grantiger. Er hasst dieses Ding!
Wir fahren mitten zur Stoßzeit zum Standplatz. Hunderte Autos rasen an uns vorbei, einige überholen uns in einem irrsinnigen Tempo, andere schneiden kurz vor unsere Kutsche wieder auf unsere Fahrbahn. Es stinkt von den Abgasen und es ist laut. Fast jeden Tag arbeiten wir und da gehört die Hin- und Retourfahrt vom bzw. zum Stall dazu.
Dann stehen wir meistens am Stephansplatz, manchmal auch am Michaelerplatz. Den Michaelerplatz finde ich gerade im Sommer noch angenehmer, da der Standplatz mehr im Schatten liegt. Am Vormittag am Stephansplatz ist es beinahe unerträglich. Die Hitze brennt erbarmungslos auf uns herab und die Abstrahlung von den Gebäuden und dem Asphalt verschlimmert die Situation noch. Wir stehen dann dort, versuchen etwas zu dösen. Immer wieder bewegen wir uns ein paar Meter voran, bis wir an der Spitze der Schlange angekommen sind. Dort warten wir auf sogenannte Gäste. Die steigen dann auf die Kutsche und wir – Franz und ich - müssen sie dann durch Wien ziehen. Am Ring ist immer was los. Viele Geräusche kenne ich schon, aber immer wieder gibt es Dinge, die mir Angst machen: eine Baustelle, ein im Wind wehendes Plakat, laute Knaller, es gibt vieles was mich erschreckt. Ich würde gerne weglaufen, einfach abhauen, aber die Schmerzen im Mund durch die Trense halten mich davon ab. Franz hat mir einmal erzählt, dass er seinen früheren Gespannpartner verloren hat, da dieser sich so erschreckt hat, dass er durchgegangen ist. Er ist auf einer Eisplatte ausgerutscht und es ist zu einem furchtbaren Unfall gekommen. Es waren damals einige Autos beschädigt, Franz war leicht verletzt, aber sein Kumpel hat sich so stark verletzt, dass er nicht mehr zum Ziehen einer Kutsche verwendet werden konnte. Wo der alte Kumpel jetzt lebt, weiß niemand. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum Franz so mürrisch ist, er hat seinen besten Freund verloren. Franz beklagt sich auch, dass ihm die Gelenke schmerzen. Auch das kann ich nachvollziehen, ich bin zwar etwas jünger, aber auch ich spüre meine Gelenke jeden Abend. Das kommt sicher vom harten Asphalt und auch von diesem unangenehmen Kopfsteinpflaster, über das wir gehen müssen.
Umso später der Tag um so unleidlicher wird Franz und auch ich merke, dass ich immer angefressener werde. Die Menschen gehen mir alle auf die Nerven, ich möchte nicht mehr auf sie hören, ich möchte nicht mehr in Wien Runden drehen müssen, ich möchte spielen! Ja ich möchte spielen mit anderen Pferden, auf einer Wiese möchte ich herumlaufen, ich möchte Gras in mich hineinstopfen, ich möchte mich wälzen, ich möchte mich von einem lieben anderen Pferd kraulen lassen. „Mach weiter!“ prustet Franz, „die Nächsten sind eingestiegen.“ Und so werde ich aus meinen schönen Tagträumen gerissen und muss weiter funktionieren, das alles ist echt kein pferdegerechtes Leben!