Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (15.12.2017)
Böheimkirchen, am 15.12.2017Schweine mit riesigen Abszessen – unglaubliches Leid
Fotos aus dem Skandal-Stall zeigen Tiere übersät mit Eiterbeulen
Aktuelle Aufnahmen aus einem Schweinemastbetrieb in Niederösterreich erschüttern nicht nur TierschützerInnen, sondern auch die Behörden und die Bevölkerung. Schweine mit teils massiven, entzündeten Beulen – kaum mehr in der Lage sich zu bewegen – stehen offenbar mehr oder weniger unbehandelt in den Ställen.
TierschützerInnen kennen die typischen Krankheiten und Verletzungen, unter denen Schweine in der Fleischproduktion zu leiden haben: abgebissene und blutige Schwänze und Ohren aufgrund von Aggression und Langeweile, ständiger Husten und Augeninfekte wegen Dämpfen der Fäkalien unter den Spaltenböden oder Eingeweidebrüche durch schnelles Wachstum und unsachgemäße Eingriffe bei Ferkeln. Doch die aktuellen Bilder eröffnen völlig neue Abgründe des Schreckens.
Monster-Schweine
In den Stallungen des Betriebs finden sich in fast jedem Raum mindestens ein Schwein mit ungewöhnlichen Beulen. Bei manchen findet sich nur eine kleinere, Kinderfaust große Erhebung, vor allem an den Köpfen; bei anderen nehmen die Abszesse derartige Ausmaße an, dass die Tiere kaum noch an Schweine erinnern – ihr Leid ist unvorstellbar.
Infekte durch Verletzungen
Die plausibelste Erklärung für die Bildung derartiger, fester Beulen sind bakteriologische Infekte des Gewebes, die durch kleinere oder größere Verletzungen der Haut entstehen können. Die Schweinehaltung kann als einziger „Misthaufen“ bezeichnet werden: Ihr Leben lang stehen die Schweine in ihrem eigenen Dreck, Kot und Urin – die idealen Brutstätten für gefährliche Bakterienstämme. Mögliche Eintrittsstellen für diese Bakterien werden schon bei Ferkeln durch Menschenhand geschaffen: unsachgemäße Kastration und Impfungen. Andere Verletzungen entstehen durch die Umgebung, z.B. durch scharfkantige Metallteile in den Buchten oder an den Futterrinnen. Eine Behandlung dieser oft nicht besonders großen Hautverletzungen findet in der Nutztier
-Industrie in der Regel nicht statt.
Aggression unter Schweinen
Neben stümperhaften Eingriffen von Menschen sind vor allem Aggressionen und Kämpfe zwischen den Tieren die Ursachen für Verletzungen, die Abszesse bilden. Weitverbreitet ist das Beißen in die Schwänze, bzw. aufgrund der kupierten Schwänze in die Schwanzstummel anderer Schweine. Das Tierschutzgesetz untersagt pauschales Schwanzkupieren; es ist nur bei ausdrücklicher Notwendigkeit zum Schutz der Tiere erlaubt (s. 1. Tierhaltungsverordnung). Dennoch ist es allgemeine Praxis in so gut wie allen Betrieben. Das Kupieren soll das Schwanzbeißen minimieren – die eigentlichen Ursachen Langeweile und Frustration werden hingegen ignoriert (s. Sonoda et al: Tail Biting in pigs – Causes and management intervention strategies to reduce the behavioural disorder). Durch die offenen Wunden dringen Keime und Bakterien in den Körper ein und lösen massive Entzündungen aus.
Nicht artgerechte Umgebung
Schweine in Österreich leiden in der gesetzlich gedeckten Mindeststandard-Haltung
sehr. Die allermeisten von ihnen leben auf harten Beton-Spaltenboden. Für jedes Schwein werden max. 0,7 m² Platz vorgeschrieben. Bequemes Liegen ist dabei quasi unmöglich. Druckstellen und offene Wunden vor allem an den Schultern und Beinen werden dadurch stark begünstigt. Hätten sie die Möglichkeit, würden sich Schweine weiche Nester aus Stroh bauen – doch Stroh sucht man in mehr als 90 % der Betriebe vergeblich.
Behandlung offenbar nicht rentabel
Im aktuellen Fall ist aufgrund des Ausmaßes der Abszesse bei mehreren Tieren und der schieren Zahl an betroffenen Tieren zu vermuten, dass medizinische Behandlungen nicht oder nicht ausreichend durchgeführt wurden. In Fachzeitschriften und -Foren gehen die Meinungen auseinander: Die einen behaupten, Abszesse seien nicht behandelbar, da sie meist unentdeckt bleiben bzw. zu massiv sind (vgl. Abszesse kosten Kilos auf landwirt.com). Von unentdeckt
kann im aktuellen Fall keine Rede sein. Andere weisen auf unterschiedliche Behandlungsmethoden hin, teils operativ, teils medikamentös – vgl. ThePigSite.com. Jedenfalls scheint es hinsichtlich der grundsätzlichen Grausamkeit der Kulturschande Schweinehaltung
fragwürdig zu sein, ob Betriebe die Mühe und die Finanzen aufwenden, um die Tiere behandeln zu lassen.
Tierleid nicht länger ignorieren
Wir alle, ob einfache/r KosumentIn
oder TierschützerIn, ob LandwirtIn oder Tierarzt/Tierärztin, dürfen nicht länger wegsehen. Schweine in österreichischen Betrieben leiden. Sie leiden unter Langeweile und darunter, ihre natürlichen Bedürfnisse nicht ausleben zu können. Sie leiden unter haltungsbedingten Krankheiten und Verletzungen. Sie leiden durch Menschenhand und durch unterlassene Hilfe. Sie leiden, wenn wir wegsehen.