Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (29.06.2020)
Muscheln
Muscheln zählen zu den Weichtieren und erfüllen eine wichtige ökologische Funktion als Wasserfiltrierer. Sie leben sowohl im Salz- als auch im Süßwasser und sind großteils ortsfest.
Muscheln sind Tiere, die ihr ganzes Leben im Wasser verbringen. Bei der Nahrungsaufnahme und Atmung filtrieren sie das Wasser und reinigen es dabei. Trotz ihrer wichtigen Aufgabe im Ökosystem werden die Tiere durch vielfältige Faktoren bedroht. Sie werden vom Menschen wegen ihres Fleisches getötet und auch die Muschelschale wird für verschiedenste Zwecke von Menschen genutzt. Außerdem stellen Wasserverschmutzung und der Klimawandel große Bedrohungen für Muscheln dar.
Physiologie
Muscheln sind Weichtiere, die eine zweiklappige Schale haben, in der sich meist das gesamte Tier befindet. Die Schale können die Tiere mit einem Schließmuskel öffnen und schließen. Muscheln filtrieren das Wasser, um Nahrung und Sauerstoff aufzunehmen und tragen dabei auch zur Klärung des Wassers bei. Es gibt sowohl Salzwasser- als auch Süßwasserarten. Muscheln sind im erwachsenen Stadium meist ortsfest, dennoch können sie sich auf unterschiedliche Arten fortbewegen und kurze Entfernungen überwinden. Manche Arten besitzen sogar einen echten Kriechfuß, ähnlich wie Schnecken, oder können sich gar schwimmend fortbewegen. Während die meisten Muscheln getrennt geschlechtlich sind, gibt es auch zwittrige Arten und manche Muscheln können einen Geschlechterwechsel vollziehen, wenn nicht genügend männliche Artgenossen vorhanden sind. Die Befruchtung und Entwicklung der Larven findet bei den meereslebenden und einigen süßwasserlebenden Muscheln im freien Wasser statt, dafür geben die weiblichen Muscheln Eizellen ins Wasser ab und die männlichen Tiere Samenzellen, die dann durch die Strömung aufeinandertreffen. Bei den meisten Süßwasser-Flussmuscheln findet die Befruchtung und anfängliche Larvenentwicklung im Mantelraum des Muttertiers statt. Die Gruppe der Flussmuschelverwandten entwickelt sich über ein parasitisches Larvenstadium, während dem sie sich an einem Wirtsfisch festsetzen, die meisten anderen Muschelarten entwickeln sich als sogenannte planktonische Larven. Nach der Metamorphose zur Jungmuschel suchen sich die Tiere während dem Heranwachsen einen passenden Ort, an dem sie das Erwachsenenleben verbringen können. Koloniebildende Arten bleiben meist in der Nähe ihrer Elterntiere und befestigen sich dort am Untergrund oder an anderen Muscheln.1
Schmerzempfinden
Studien haben bei den meisten Weichtieren das Vorhandensein von Nozizeptoren nachgewiesen. Diese sensorischen Nervenenden sind unter anderem für die Auslösung von Schmerz- und Schutzreflexen verantwortlich2. Außerdem besitzen Weichtiere Opiatrezeptoren und Opiatpeptide, die notwendig sind, um Schmerzen zu erleben und zu unterdrücken3. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass auch Muscheln sehr wohl Schmerzen empfinden. So lange nicht letztgültig geklärt ist, ob die Tiere leidensfähig sind, muss zu ihrer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie Schmerzen empfinden und geschützt werden müssen.
Ökosystem
Muscheln machen etwa 90 Prozent der Biomasse am Boden eines Gewässers aus und und jede einzelne filtriert dort bis zu 40 Liter Wasser täglich. Damit halten die Tiere das Wasser sauber und erfüllen eine wichtige Aufgabe im Ökosystem. Aber besonders Staudämme, Wehre und Talsperren stellen eine Gefahr für Muscheln dar, außerdem werden sie durch Gewässerverschmutzung, Überdüngung, Wasserentnahme, den Klimawandel und nicht zuletzt Überfischung bedroht4. Die in Österreich heimischen Süßwassermuscheln sind bereits selten geworden und viele Arten sind vom Aussterben bedroht5.
Haltung von Muscheln
Muscheln werden für den menschlichen Verzehr direkt aus dem Meer gefischt oder in Aquakulturen ähnlich einer Massentierhaltung gezüchtet. Insbesondere Austern wurden traditionell mit Schürfnetzen von Austernbänken abgefischt oder in manchen Regionen bei Ebbe eingesammelt. Das führte allerdings zu Überfischung, weshalb Austern heute hauptsächlich in Aquakulturen gezüchtet werden. Miesmuscheln werden beispielsweise direkt im Meer auf flachen Bänken, an Pfählen in der Gezeitenzone oder an Seilen als Hängekulturen gezüchtet6. Einheitliche Haltungsbedingungen für Muscheln gibt es nicht, da jede Art andere Ansprüche hat.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Laut der österreichischen Tierschutz-Schlachtverordnung dürfen Schalentiere nicht auf Eis aufbewahrt werden, eine Ausnahme gilt allerdings für Austern. Die Tiere dürfen nur in stark siedendem Wasser getötet werden, welches sie vollständig bedecken und danach weitersieden muss. Außerdem dürfen Schalentiere in über 100 Grad Celsius heißem Dampf getötet werden. Eine Betäubung ist nicht vorgeschrieben7.
Laut der europäischen Textilkennzeichnungsverordnung müssen Textilerzeugnisse mit dem Hinweis „enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs“ gekennzeichnet werden, wenn zum Beispiel Knöpfe aus echtem Perlmutt verwendet wurden8.
Verwendungsformen von Muscheln
Essen: Es gibt Belege dafür, dass Muscheln schon seit hunderttausenden Jahren von Menschen als Nahrungsquelle verwendet werden1. Auch heute werden noch verschiedene Muschelarten gegessen. Die Muschelproduktion der EU betrug im Jahr 2016 ca. 602.000 Tonnen aus Aquakultur sowie ca. 225.000 Tonnen aus der Fischerei. Verbraucht wurden in diesem Jahr über 1,2 Mio. Tonnen in der EU9.
Perlen: Wenn ein Fremdkörper zwischen Schale und Mantel einer sogenannten Perlmuschel gerät, umhüllt das Tier diesen mit einer Schicht aus glänzenden Aragonitkristallen, wodurch eine Perle entsteht. Um die hohe Nachfrage an Perlen zu befriedigen, werden Perlmuscheln heute auch gezielt künstlich Fremdkörper eingepflanzt. Dafür werden ganze Aquakulturen an Muscheln angelegt und die Tiere extra dafür gezüchtet1.
Muschelschalen: Muscheln sowie Perlen und Perlmutt sind sehr beliebte Accessoires, man findet sie zum Beispiel als Schmuck, Knöpfe oder Anhänger. Sie werden außerdem als Dekor oder zum Basteln verwendet. Muschelschalen werden auch bei der Vogel- und Reptilienfütterung eingesetzt, weil sie eine gute Kalziumquelle darstellen. Fossile Muschelschalen sind zudem ein Anteil des als Baumaterial genutzten Muschelkalks11. Rund um den Globus wurden Muscheln außerdem seit Jahrtausenden als Währung verwendet, teilweise kommt dieses Muschelgeld auch heute noch zum Einsatz, zum Beispiel beim Tolai-Volk auf Papua-Neuginuea12.
Muschelseide: Bereits die Pharaonen trugen Gewänder aus sogenannter Muschelseide, einem golden schimmernden Stoff, der sehr stabil und dauerhaft, allerdings auch äußerst wertvoll und teuer war. Muschelseide besteht aus einem Sekret aus den Fußdrüsen verschiedener Muschelarten und wird auch Byssus genannt. Für nur ein Kilogramm Muschelseide mussten 3000 Muscheln von Tauchern aus dem Meer geholt werden10. Heute wird die Muschelseide kaum mehr hergestellt.
Alternativen zur Verwendung von Muscheln
Essen: Im Gegensatz zu vielen anderen tierischen Produkten gibt es keine vegane Alternative zu Muscheln, die in einem Supermarkt erhältlich wäre. Allerdings gibt es viele Möglichkeiten,den „Geschmack des Meeres“ mit pflanzlichen Lebensmitteln zu ersetzen. So lässt sich etwa ein fischiger Geschmack in vielen Gerichten durch die Zugabe von Algen erzielen.
Accessoires und Dekor: Die Optik von Perlen und Muschelschalen lässt sich durch viele alternative Materialien ersetzen. So sind auch Muscheln aus Holz, Kunststoff oder Porzellan ein Hingucker. Auch Perlen können durch Alternativen aus Glas, Kunststoff oder Holz ersetzt werden und auch der schimmernde Perlmutteffekt lässt sich durch Farben und Metalle ersetzen.
Quellen
4 Erster Muschelkatalog zeigt Artensterben in Europa
7 Tierschutz-Schlachtverordnung
9 European Market Observatory for Fisheries and Aquaculture Products: Der EU-Fischmarkt. Ausgabe 2018
10 Muschelseide
12 Muschelgeld