Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (29.04.2022)
Pöchlarn, am 29.04.2022Möwe durch Angelhaken schwer verletzt
Gefährliche Kollateralschäden durch Angelfischerei
Der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN (VGT) erhielt von einem privaten Fotografen ein Foto zugeschickt, auf dem eine Möwe zu sehen ist, in deren Schnabel sich ein Angelhaken mit einem Plastikköder daran verhängt hat. Das Foto wurde Anfang April an der Donau bei Pöchlarn gemacht. Bei dem Vogel handelt es sich um eine Steppenmöwe. Wenn es der Möwe nicht gelungen ist, den Angelhaken loszuwerden, ist sie vermutlich mittlerweile an den Folgen verstorben. Dem Fotografen ist es leider nicht gelungen, sie zu sichern.
Wie die Möwe zu dem Haken gekommen ist, kann nur vermutet werden. Möwen essen Fische, deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Möwe den Gummifisch mit einem echten Fisch verwechselt hat. Aber wie kommt der Gummifisch ins Wasser? Erich Schacherl, Fischereiexperte beim VGT: Der Gummifisch ist ein Köder, der bei der Angelfischerei verwendet wird. Wenn Angler:innen beispielsweise Jagd auf Hechte machen, werden solche Köder verwendet. Das gilt auch für den Drillingshaken, der sich in den Schnabel und Schnabelansatz der Möwe gebohrt hat, wie auf dem Foto zu sehen ist. Das heißt, irgendein Fischer oder eine Fischerin hat mit dem Köder und dem Drillingshaken gefischt. Vielleicht wurde der Köder samt Haken aus Unachtsamkeit oder Bequemlichkeit im Wasser oder an einem Angelplatz zurückgelassen oder ist verloren gegangen. Möglich ist auch, dass während des Fischfangs der Gummiköder an der Wasseroberfläche geführt wurde, wo ihn die Möwe gesehen und sich darauf gestürzt hat. Es kann auch sein, dass ein Hecht auf den Köder angebissen hat, beim Einholen ist die Angelschnur gerissen, der Hecht konnte mit dem Haken im Maul flüchten, ist daran aber Tage später verstorben, der Fischkadaver wurde ans Ufer gespült und die Möwe hat den Kadaver gegessen und ist dabei dem Angelhaken zu nahe gekommen.
Die Verwendung solcher Köder und Drillingshaken ist nach den Bestimmungen des NÖ Fischereigesetzes erlaubt. Obwohl die Haken eindeutig tierquälerisch sind. Wie das traurige Beispiel der Möwe verdeutlicht. Erich Schacherl, VGT Fischereiexperte: Vermutlich jeder Mensch, der das Bild der Möwe mit dem Angelhaken im Schnabel und Schnabelansatz sieht, denkt sofort, das dass erstens dem Vogel Schmerzen zufügt und das das gesetzlich nicht erlaubt ist. Stimmt. Allerdings ist das bei Fischen im Gegensatz zu Vögeln oder Säugetieren gesetzlich erlaubt.
Laut Österreichischem Bundestierschutzgesetz ist es verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen. Ein Angelhaken im Mund eines Fisches fügt dem Tier ohne Zweifel Schmerzen und Schäden zu. Ist aber erlaubt, weil das Bundestierschutzgesetz nicht für die Ausübung der Fischerei gilt. Erich Schacherl: Das ist eine unhaltbare gesetzliche Situation, deren Änderung der VGT fordert. Fische müssen ebenso wie alle anderen Wirbeltiere durch das Tierschutzgesetz geschützt werden.
Abgesehen von den gesetzlichen Bestimmungen gibt es noch den Ehrenkodex des weidgerechten Verhaltens bei der Fischerei, an den sich alle Fischer:innen zu halten haben. Demzufolge dürfte es nicht sein, das sich eine Möwe mit einem Drillingshaken und Gummifischköder so verletzen kann. Denn es ist nicht weidgerecht, Angelutensilien wie Angelhaken oder Weichplastikköder am Angelplatz, im Gewässer oder sonstwo zurück zu lassen. Erich Schacherl: Fischer:innen und Vertreter:innen der Fischereiorganisationen betonen ja sehr gerne in der Öffentlichkeit, wie wichtig das weidgerechte Verhalten beim Fischfang ist. Ich glaube das nicht. Mal ehrlich, diese durch einen Angelhaken verletzte und vermutlich dem Tode geweihte Möwe veranschaulicht eindeutig, das es Fischer:innen gibt, die das weidgerechte Verhalten nicht so ernst nehmen. Außerdem ist das ein Beispiel dafür, dass Angelhaken und Köder gefährlich bis tödlich für andere Tiere sein können.
Ein weiteres Problem, das durch die verletzte Möwe aktuell wurde, bisher allerdings in der Öffentlichkeit kaum Beachtung fand, ist die Verschmutzung und Vergiftung der österreichischen Gewässer durch die Angelfischerei. Utensilien wie Angelhaken, Angelschnüre, Plastikköder und vor allem auch Blei (Birnenblei für Schwimmer, Futterkorb mit Blei, Olivenblei, etc. ) werden nach wie vor verwendet. Erich Schacherl: Es gibt keine Zahlen darüber, aber ich gehe davon aus, dass Jahr für Jahr österreichweit mehrere Hundert Kilo Abfall in Form von Angelschnüren, Plastikködern, Metallködern, Karabinern, Angelhaken und giftiges Blei durch Fischer.innen, die die Angelfischerei ausüben, in österreichische Gewässer gelangen. Ein weitgehend unbemerkter Verschmutzungs- und Vergiftungsskandal läuft da seit Jahrzehnten.
Laut einer aktuellen Information des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus üben 410.000 Fischer:innen in Österreich die Angelfischerei aus.1
In Niederösterreich waren im Jahr 2020 45.414 Personen im Besitz einer NÖ Fischerkarte, 2.100 davon hatten eine Fischergastkarte.
(1) Quelle: Mail vom Nachhaltig besser Team vom 22.4.2022