Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (04.10.2022)
Wien, am 04.10.2022Wolf-Abschussbescheid aufgehoben: Tiroler Landesregierung außerhalb des Rechtsstaates
Von einer radikalen Minderheit getrieben, bricht die Tiroler Landesregierung bewusst Gesetze und sieht keinen Fehler bei sich, sondern beim Verbandsklagerecht der Zivilgesellschaft
Wer Natur- und Tierschutz für wichtig hält, muss sich bei der EU bedanken. Da ist einerseits die Flora-Fauna-Habitatsrichtlinie, die Österreich zwingt, sich an Vorgaben im Artenschutz zu halten. Das betrifft nicht nur den Schutz des Wolfes, sondern auch z.B. den Schutz des Kammmolches im Jagdgatter Mayr-Melnhof in Salzburg. In beiden Fällen haben Landesregierungen versucht, Tier- und Artenschutz hintan zu stellen und den Profitinteressen einer Minderheit unterzuordnen. Und andererseits zwingt die EU mit der Aarhus-Konvention Österreich dazu, beim Naturschutz ein Verbandsklagerecht zuzulassen. Dieses Recht ermöglicht es Umweltschutzverbänden, die Flora-Fauna-Habitatsrichtlinie gegen vorsätzlich rechtswidrig erlassene Bescheide der sich gezielt außerhalb des Rechtsstaates stellenden Landesregierungen durchzusetzen. So auch jetzt wieder beim Bescheid der Tiroler Landesregierung, einen Wolf abknallen zu lassen. Der Landesregierung ist dabei völlig bewusst, dass sie rechtswidrig handelt. Statt das eigene Fehlverhalten einzusehen und zu korrigieren, überlegt man lediglich, wie man das Verbandsklagerecht unterlaufen kann. Man will also weiter Recht brechen, aber die gerichtliche Kontrolle verhindern. Mit genau dieser Intention blockiert man ein entsprechendes Verbandsklagerecht im Tierschutz. Eine deutliche Absage an den Rechtsstaat.
Dem Wolf, dessen Abschuss man in Tirol per Bescheid erreichen wollte, werden die Risse von 20 Schafen zugeschrieben. Schafe, die in keinster Weise gegen Beutegreifer geschützt waren, obwohl das Tierschutzgesetz dazu verpflichten würde. Die Ausrede, man könne Schafe auf der Alm nicht schützen, gilt nicht. Schafe einfach so im Hochgebirge alleine zu lassen und sie damit einer hohen Todesrate durch Wetterunbill und Krankheiten auszusetzen, ist Tierquälerei und rechtswidrig. Es wäre sehr einfach, die Schafe zu behirten und ihnen einen Nachtpferch zu bieten, wie das bis zum Zweiten Weltkrieg seit tausenden Jahren in Österreich üblich war. Doch statt dieser tierfreundlichen Lösung, bricht man das Gesetz doppelt: nicht nur, dass die Schafe sich selbst überlassen werden und zu tausenden sterben, man will auch den Wolf abknallen. Behauptet wird ein guter Erhaltungsstatus für den Wolf, dabei ist in Österreich die Wolfsdichte am geringsten in der gesamten EU. Wie machen das die anderen Länder, Almen und Wolf zu kombinieren? Die Tiroler Landesregierung argumentiert, Almen würden bei Wolfspräsenz aufgelassen werden müssen, seien aber so wichtig. Erstens gibt es die Lösung der Behirtung und zweitens dienen Almen vorrangig dafür, den Rinderbestand um ein Drittel zu erhöhen, obwohl wir bereits eine Überproduktion von 60 % an Milch in Österreich haben. Untersuchungen zeigen, dass die erholungssuchenden Menschen den Wald einer Alm mit Forststraßen, Zäunen und Almhüttendörfern vorziehen.
VGT-Obmann DDr. Martin Balluch ist begeisterter Wanderer: „Ich war heuer in den rumänischen Südkarpaten mit dem Zelt 9 Tage lang wandern. Dort sind alle Reviere mit Wolfsrudeln besetzt und trotzdem gibt es überall Schafalmen. Die Tiere werden aber nicht durch Zäune geschützt, sondern durch Behirtung, Nachtpferch und Herdenschutzhunde. Letzteren bin ich mit meinen kleinen Kindern öfters begegnet und es gab nie ein Problem. Die angebliche Aggression von Herdenschutzhunden wird ja in Österreich als Ausrede vorgeschoben, die Schafe ungeschützt zu lassen und dafür den Wolf zu töten. Vielleicht sollten sich einmal die Schafhalter:innen in anderen EU-Ländern informieren, in denen Wölfe immer schon gelebt haben und nie ausgerottet worden sind, und in denen es trotzdem überall Schafalmen gibt. Dort hat man sich längst mit dem Wolf arrangiert, nur in Österreich, dem Land mit der geringsten Wolfsdichte, ist man dazu offenbar nicht in der Lage. Da bricht man lieber alle Gesetze, als Natur- und Tierschutz ernst zu nehmen.“