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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (15.12.2023)

Radstadt, am 15.12.2023

Interview mit Juliane und Josef vom „Projekt Lebenslänglich“

Juliane und Josef haben ihren Tiernutzbetrieb zu einem Lebenshof für Rinder umgewandelt

Juliane und Josef Habersatter haben den Hof von Josefs Eltern in Radstadt (Land Salzburg) im Jahr 2015 übernommen. Damals wurde dort noch Mutterkuhhaltung praktiziert. Im Jahr 2020 haben sich Juliane und Josef von der sogenannten „Nutztier“haltung abgewandt und führen seither den Hof als Lebenshof „Projekt Lebenslänglich“. Da sie seit Jahren und Jahrzehnten mit Rindern zusammenleben, hat der VGT nachgefragt, was die beiden als Rinder-Expert:innen vom Vollspaltenboden halten und ob sie das Wesen und die Bedürfnisse von Rindern näher erläutern könnten.

Liebe Juliane, lieber Josef, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview nehmt.

VGT: 70% aller Rinder, die in Österreich gemästet werden, müssen leider ihr ganzes Leben auf einem Vollspaltenboden verbringen. Was haltet ihr als Rinder-Expert:innen vom Vollspaltenboden und was wären aus eurer Sicht bessere Alternativen?

Juliane & Josef: Wir finden es erschreckend, was für ein tristes Leben Mastrinder erdulden müssen. Wir sehen an unseren Ochsen, wie sehr sie es lieben, auf der Weide Gras zu essen, die Sonne am Rücken zu spüren und mit ihrer Herde unterwegs sein zu können. Auch liegen sie unglaublich gerne auf weichem Untergrund wie Gras oder Stroh – es muss eine Qual für sie sein, ständig nur auf dem Spaltenboden stehen und liegen zu müssen. Es bräuchte weniger Rinder auf mehr Flächen und Ställe, die getrennt Liegebereiche mit Stroh und separaten Fressplätzen anbieten. Alternativen gibt es ja, doch die Umsetzung ist halt für den Landwirt weniger lukrativ, wenn er mehr Platz für weniger Rinder anbieten muss. Da wird wohl immer Widerstand sein, leider.

VGT: Was bedeutet Mutterkuhhaltung und was ist das Schicksal der Kälber in diesem System?

Juliane & Josef: Mutterkuhhaltung ist im Prinzip nichts anderes als eine Fleischproduktion. Rassen, die gut Fleisch und Masse ansetzen, werden gehalten, um Kälber zu „produzieren“, die später als Kalbfleisch oder als Mastrind verkauft bzw. aufgezogen werden. Die Kälber kommen zur Welt, dürfen ca. 3-5 Monate bei den Kühen bleiben und trinken – wobei sie da eine sehr starke Bindung aufbauen – und werden dann weggenommen. Entweder kommen sie direkt in den Schlachthof, werden in die Mast verkauft oder bleiben am Hof als zukünftige Kuh und Mastrind, allerdings getrennt von der Mutter (die ja bereits mit dem nächsten Kalb wieder schwanger ist). Übrigens: Nach der Trennung von ihren Kälbern rufen Kühe bis zu drei Tage lang nach ihrem Kalb. Manche mehr, manche weniger. Es ist herzzerreißend :/

VGT: Habt ihr Tipps für Betriebe, die auf eine tierfreundlichere Haltung umstellen möchten?

Juliane & Josef: Einfach machen und die Leute rundherum ignorieren. Sehr viele wissen und spüren, dass das System falsch läuft. Auf Kosten der Tiere wird immer mehr Druck gemacht, Preise sinken, Erhaltungskosten steigen. Man sollte nach Lösungen für sich suchen, schauen, welche Einnahmen von wo kommen und wie man Einnahmen von den Tieren anders ausgleichen kann. Milch- oder Fleischproduktion rechnet sich oft doch eh schon nicht – ohne EU-Förderungen und zum Teil externe Jobs können viele Landwirt:innen eh schon nicht überleben. Wir haben dazu auf der Webseite www.landvirte.at einen Leitfaden und Infos zur Hofumstellung.

VGT: Was sind Rinder für Lebewesen? Was machen sie gerne? Was essen sie gerne?

Juliane & Josef: Rinder sind sehr sozial, sie lieben die Natur, die Sonne, den Regen. Unsere sind auch im Winter meistens draußen und am liebsten gönnen sie sich täglich Zeit an der elektrischen Rinderbürste. Sie lieben es, gekrault und gekratzt zu werden (von Menschen oder von der Bürste) und haben gerne ihre liebsten Freunde um sich. Aber Rinder halten sich auch an strikte Rangordnungen, sie mögen nicht jedes Tier und zeigen dies auch gerne mal. Im Grunde ist es wie in einer Gruppe von Menschen – es gibt unterschiedliche Charaktere, stärkere, schwächere, zurückgezogenere, sozialere. Und dann stelle man sich vor, so eine Gruppe steht in eine Box gepfercht und niemand hat die Möglichkeit, seine Bedürfnisse und Vorlieben auszuleben. Das muss für die Psyche sehr belastend sein!

VGT: Wie sind die Rinder untereinander organisiert?

Juliane & Josef: Es gibt eine strikte Rangordnung: über allen steht bei uns zum Beispiel Herdenchefin Lisa – vor ihr weicht jede:r und keine:r wagt es, sie zB. am Fressplatz zu bedrängen. Dicht gefolgt von Stella als Vizechefin. In dieser Konstellation gesellt sich auch Willy dazu, Lisas Sohn, der ein dreineinhalb-jähriger Ochse ist und quasi schon „höher geboren“ wurde. Dann folgen die älteren Kühe der Herde und es geht bis runter zu den „Niederen“. Das sind die, die oftmals weichen und einstecken müssen. Ihre Augen müssen überall sein, damit sie nicht „im Weg“ sind, wenn eine ranghöheres Rind kommt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Rinder genug Platz haben, um weichen oder auch mal in Ruhe liegen oder fressen zu können. Je weniger Platz, desto gestresster leben solch rangniedere Rinder.

Übrigens: Macht man eine Gruppe mit rangniederen Rindern, wird sich auch dort eine Rangordnung bilden und ein Rind, das vorher einstecken musste von großen Kühen, wird dort wahrscheinlich genauso nach unten austeilen. Sie schenken sich in der Hinsicht leider nichts ;)

VGT: Kann man mit Rindern kuscheln?

Juliane & Josef: Nur mit denen, die man kennt und die das wollen. Wir haben ein paar dabei, wo wir wissen, dass sie körperlichen Kontakt mit Menschen genießen. Zu denen kann man sich dann hinsetzen, wenn sie liegen, und sie kraulen und streicheln. Allerdings mögen das nicht alle Rinder und sie können dies auch entsprechend zeigen – z. B.: den Kopf schütteln oder mit den Hörnern die Hand wegschlagen.

Man sollte aus Außenstehende:r NIEMALS in eine Rinderherde hineingehen oder einfach ein Rind anfassen. Wir sehen, ob die Herde gerade entspannt ist und wer sich anfassen lässt, ein:e Außenstehende:r kann dies nicht beurteilen und so kann es schnell zu brenzligen Situationen kommen. Umgestoßen kann man von so einer 800-Kilo-Kuh leider schnell einmal werden.

DESHALB: Kuhkuscheln NUR mit dem:der Landwirt:in/ Halter:in! Ansonsten GROßEN BOGEN um Rinder machen, vor allem, wenn ein Hund dabei ist.

VGT: Eure Rinder hatten das große Glück, dass ihr 2020 aus der Nutztierhaltung ausgestiegen seid und auf einen Lebenshof umgestellt habt. Wie viele Rinder leben bei euch, wie sind sie untergebracht und wie habt ihr die Rinder früher gehalten, als ihr noch Teil des Systems "Nutztierhaltung" wart?

Juliane & Josef: Bis April 2020 kamen jedes Jahr im Frühling Kälber zur Welt. Wir hatten eine Mutterkuhhaltung und die Kälber waren im Sommer mit ihren Müttern auf der Alm und im Herbst, nach der Rückkehr, wurden sie zum Schlachthof oder in die Mast verkauft. Im Sommer war ein Stier auf der Alm dabei, der die Kühe für den darauffolgenden Frühling begattete. So lief das Rad Jahr für Jahr, war eine Kuh nicht mehr gebärfähig genug, wurde sie im Herbst mit den Kälbern mit zum Schlachthof verkauft. Wir wollten dann raus aus diesem Rad und beschlossen relativ spontan, mitten in der Kälbersaison, dass wir auf einen Lebenshof umstellen wollen – wir stoppten die Vermehrung, unsere Rinder wurden zu Landschaftserhalter:innen und sorgen mit uns dafür, dass die Flächen weiterhin bewirtschaftet werden. 23 Rinder haben wir aktuell – davon sind zwei Ochsen. Während der Umstellung hatten wir noch Anbindehaltung, nach einem Jahr konnten wir den Stall umbauen, und seitdem leben die Rinder im Winter in einem offenen Stall mit Strohliegebereichen, Essplätzen mit Essgittern, Auslauf und einer Außenheuraufe. Dies war für uns die beste Lösung und war am wenigsten kostenintensiv. Die Rinder genießen es augenscheinlich sehr, sich auch im Winter so frei bewegen zu können, und sind auch bei Schnee und Minusgraden gerne draußen im Auslauf. Wenn die Wintersonne scheint, stehen meist alle draußen und lassen sich sonnen.

VGT: Wie haben die Rinder auf diese Umstellung reagiert? Sind sie seither aufgeblüht und fühlen sich wohler?

Juliane & Josef: Da könnten wir als Mensch jetzt alles mögliche rein interpretieren ;) Manche sagen, man sieht es ihnen an, dass sie glücklich sind, andere sagen, es wirkt so friedlich und harmonisch am Hof… Aus unserer Sicht fühlen sie sich auf jeden Fall wohler und ein paar haben ein ganz inniges Verhältnis zu ihrem letzten Kalb, die alle nun schon über 3,5 Jahre alt sind. Es gibt keine Trennung mehr, und das macht, denke ich, schon was mit den Tieren. So viel Stress und Druck fiel durch die Umstellung weg.

VGT: Wie geht es euch selbst, seit ihr euch von der Nutztierhaltung abgewandt habt? Habt ihr die Rinder auf eine neue Art und Weise kennengelernt? Wie habt ihr euch damals gefühlt, als ihr Kälber zur Mast und zur Schlachtung verkauft habt?

Juliane & Josef: Ja, wir sehen die Rinder mit ganz anderen Augen. Wir sehen die Charaktere und Eigenheiten viel mehr, ihre Innigkeit zu ihren Kindern. Wir sehen die besonderen Familienbanden und die Freundschaften. Und wir denken oft an bestimmte Kälber zurück, die in den vergangenen Jahren zur Welt gekommen sind und bestimmte herausragende Eigenschaften hatten. All die Stiere mit krummen Beinen, die wir dehnten – wir nannten sie „Cowboys“. Ein Kalb, das einen missgeformten, schiefen Schädel hatte und somit wertlos war und im Schlachthof landete – Mogli. All die ungleichgeschlechtlichen Zwillinge, die höchstens zur Mast taugten. So viele, die wir in den Tod schickten. Doch wir wussten es nicht besser. Zum Glück kam die Erkenntnis und der Blick über den Tellerrand. Uns geht es nun so viel besser – unser Genuss steht nicht mehr über dem Leben eines Tieres. Wir sind gesünder, brauchen weniger Ressourcen, sind weniger gestresst und belastet durch das landwirtschaftliche System. Es gibt einfach so viele Vorteile durch die Umstellung auf einen Lebenshof.

VGT: Was ist eure schönste Erinnerung mit den Rindern oder einem eurer Rinder?

Juliane & Josef: Es gibt seit der Umstellung so viele schöne Erinnerungsmomente – zu sehen, wie glücklich Mutter und Kind auch nach über drei Jahren sind, wie sehr sie einander lieben, sich gegenseitig belecken und beieinander liegen. Es ist schön zu hören, wenn Menschen berichten, dass wir ihnen die Augen geöffnet haben. Dass sie nun erkannt haben, wie besonders Rinder sein können. Oder wenn Kinder sagen, sie wollen keine „Cookies“ mehr essen – Cookie ist unser jüngstes Rind, gerettet aus einem Milchbetrieb, weil sie unfruchtbar ist und deshalb sterben sollte. Wir erleben täglich schöne Momente. So viel Druck und Last fiel ab. So viele schlimme Erfahrungen und Erlebnisse müssen nun nicht mehr gemacht werden. Das ist eigentlich das Schönste daran.

Vielen Dank für diese spannenden Einblicke in das Wesen dieser wunderschönen Tiere und euer inspirierendes "Projekt Lebenslänglich"!

3 der glücklichen Rinder, die ihr Leben auf dem Lebenshof „Lebenslänglich“ genießen dürfen

Cowboy – hat den Namen, weil er mit verkürzten Sehnen an den Vorderbeinen zur Welt kam und dadurch in der ersten Zeit sehr „o-haxat“ lief, eben wie ein Cowboy. Solche Stierkälber nannten wir immer „Cowboy“. Dieser Cowboy war der erste, der nicht zum Schlachthof bzw. in die Mast kam, sondern hierbleiben durfte. 3,5 Jahre alt und Ochse – in dem Alter leben Ochsen eigentlich nicht mehr. Cowboy ist total lieb und umgänglich, er liebt Streicheleinheiten, ist ein absolutes „Mamaburli“ und vergöttert seine Mama Linda sehr. Er ist meist in ihrer Nähe zu finden, und nach wie vor trinkt er noch bei ihr am Euter. Neben Cowboy hat Linda auch noch ihre große Tochter Vanilli an ihrer Seite. Die drei sind eine tolle Familie mit ganz besonderer Verbindung. Lieblingsessen: Kraftfutter-Leckerlis, Äpfel und Mamas „Milchbar“

Cookie – 3 Jahre alt – ist in einem Milchbetrieb als Zwilling zur Welt gekommen. Ihr Bruder starb bei der Geburt. Cookie kam gleich darauf separat in eine kleine Box und wurde mit dem Eimer gefüttert. Kuhkälber mit Zwillingsbrüdern gelten als unfruchtbar wegen Zwittrigkeit und werden deshalb in der Landwirtschaft prinzipiell aussortiert. Cookie wäre mit wenigen Wochen zum Metzger gekommen, doch sie landete im Zuge der Umstellung bei uns und kam zu unseren Kälbern. Cookie war gleich sehr kontaktfreudig, hat sich Freundinnen gesucht und sehnte sich nach einer Mama, bei der sie trinken konnte. Sie suchte sich Kalbin Blacky aus, die noch nie ein Kalb hatte und demnach keine Milch, und begann, bei ihr zu nuckeln. Es kam dann sogar etwas Milchähnliches raus, Cookie war glücklich und Blacky nahm sie an, als wäre es ihr eigenes Kalb. Heute ist Cookie drei Jahre alt, wäre als Mastrind spätestens jetzt bereits tot – stattdessen hat sie eine tolle Familie um sich und hat sich richtig gut entwickelt. Cookie liebt es, gekuschelt zu werden. Lieblingsessen: Kraftfutter-Leckerlis und Obst

Stella – Vizechefin der Herde, 12 Jahre alt. Stella ist die älteste Kuh der Herde und hat jahrelang als Mutterkuh dem Menschen gedient. Viele Kälber hat sie bereits bekommen, die ihr genommen wurden. Die letzte Geburt während der Umstellung hat ihr schwer zugesetzt und sie wurde sehr krank. Ein Jahr dauerte es, bis sie sich komplett erholt hatte. Ohne dem Urteil „Lebenslänglich“ wäre Stella gleich im Herbst zum Schlachthof gekommen, weil wir wussten, dass sie keine weiteren Kälber bekommen würde. Zu groß wäre das Risiko, dass sie nicht mehr trächtig wird, und falls doch, dass sie und/oder das Kalb dann bei der Geburt verstirbt. Doch mit „Lebenslänglich“ bekam Stella Zeit zum Genesen und ist heute eine fitte Kuh im besten Alter. Kuschelkuh ist Stella keine, doch das ist absolut ok. Lieblingsessen: Kraftfutter-Leckerlis

Mehr Informationen zum „Projekt Lebenslänglich“ finden Sie unter lebenslaenglich.at

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