Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer spricht über Wildtiere und die Jagd
Wie kam es eigentlich zur Initiative des Volksbegehrens Für ein Bundes-Jagdgesetz? Repräsentiert die Jagdlobby die Interessen der ländlichen Bevölkerung? Und wie kann eine zeitgemäße Jagd aussehen?
Diese und weitere spannende Fragen hat uns Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer, Proponent und Hauptinitiator unseres Volksbegehrens beantwortet. Der pensionierte Amtstierarzt, Lebensmittelwissenschaftler, Vordenker und Querdenker in Sachen Tierschutz, Tierethik, Jagdethik und Wildbrethygiene gibt Einblicke in das Leben von Wildtieren in der Stadt und berichtet von einer topaktuellen EU- weiten Untersuchung zur Regulierung der Jagd.
Sie sind in einem Jägerhaushalt aufgewachsen und jagdlich
sozialisiert worden. Welche Umstände und Situationen haben Ihren Bewusstseinswandel hin zum Tierschutz bedingt?
Ja, mein Vater, den ich sehr geliebt habe, war Hobbyjäger, allerdings war damals die Jagd in erster Linie noch Nahrungsbeschaffung, also nahe an der Subsistenzjagd.
Zu einem Bewusstseinswandel kam es dann bei mir, als ich beruflich viel mit dem Tod konfrontiert wurde, und zwar einerseits als Amtstierarzt bei der Kontrolle von Schlachthöfen, andererseits durch die Euthanasie von Lieblingstieren in meiner Kleintierordination. Dazu kam dann das Töten von Tieren bei der Jagd. Obwohl das alles legal war und von den allermeisten Menschen als selbstverständlich angesehen wurde, begann ich irgendwann darüber nachzudenken, wie viel Tod
gerechtfertigt sein kann. Dann ging es nur mehr darum, die Empathie zuzulassen und der Weg hin zunächst zur vegetarischen Lebensweise und zur Aufgabe der Jagd war unausweichlich. Heute lebe ich so vegan wie möglich
und bin sehr glücklich damit.
Wie kam es zur Initiative Volksbegehren Für ein Bundes-Jagdgesetz?
Im Vorfeld zur Initiative gab es eine Reihe von Gesprächen mit Expert:innen von VGT, Tierschutz Austria, AG Wildtiere und Ökologischem Jagdverband über die aktuelle Jagdpraxis in Österreich, da diese in sehr vielen Punkten völlig unbefriedigend ist. Es werden nämlich wichtige Aspekte des Tierschutzes und der Ökologie viel zu wenig beachtet, wie man wie man z.B. an der Trophäenjagd sieht, der vielerorts fast alles geopfert wird. Weiters gibt es z.B. verschiedene Schonzeiten für dieselben Tierarten, verschiedene Vorschriften zum Aussetzen von Tieren für die Jagd und verschiedene Regelungen der Gatterjagd. Wir sind zur Auffassung gekommen, dass die Jagd den gesamtgesellschaftlichen Interessen dienen und ökologisch-tierschutzgerecht erfolgen muss. Dem wird die in neun Landesgesetzen unterschiedlich geregelte Jagd nicht gerecht. Die Landesgesetze erlauben z.B. tierquälerische Jagdmethoden, die Bejagung seltener Arten, den Abschuss von Elterntieren mit Jungen oder die Tötung von Hunden und Katzen. So dürfen z.B. weibliche Füchse in NÖ, dem Burgenland, der Steiermark, OÖ, Kärnten und Tirol zu jeder Zeit geschossen werden, in Wien, Salzburg und Vorarlberg werden sie zur Fortpflanzungszeit geschont. Den Steinmarder darf man in der Steiermark und in Tirol immer bejagen, in NÖ, Kärnten und Salzburg nur von November bis Jänner.
Gibt es Forderungen, die Ihnen besonders wichtig sind?
Sachlich betrachtet muss wohl jeder zugeben, dass alle unsere 14 Forderungen grundvernünftig oder zumindest diskussionswürdig sind. Mir persönlich liegen folgende Punkte besonders am Herzen:
- Schonzeiten für alle jagdbaren Tierarten
- Verbot von grausamen Fang- und Jagdmethoden
- Aussetzungsverbot gezüchteter Tiere für die Jagd
- Verbot der Tötung von Haustieren
- Schonung gefährdeter Tierarten
- Verbot von Bleimunition
Weshalb ist die Jagd in Österreich nicht tierschutzgerecht?
Sie ist deshalb nicht tierschutzgerecht, weil sie, wie bereits erwähnt, den Abschuss von Elterntieren mit Jungen oder das Töten von Haustieren nicht grundsätzlich verbietet. Weiters weil sie grausame Fangmethoden, das Aussetzen von Abschusswild
wie etwa Fasane oder Enten in gewissen Bundesländern erlaubt, weil sie nicht endlich Jagdgatter oder ähnliche Einrichtungen gänzlich verbietet und die Problematik der Niederwildjagd nicht erkennen will, bei der, ohne ökologische Notwendigkeit, einerseits viele Prädatoren gnadenlos verfolgt und getötet werden und andererseits viele Hasen, Enten und Fasane durch den oft nicht sofort tödlichen Schrotschuss schwer leiden müssen.
Wie kann eine zeitgemäße Jagd aussehen?
Eine zeitgemäße Jagd hat die neuen Erkenntnisse der Evolutions-, Kognitions- und Verhaltensbiologie sowie der Tierethik zu berücksichtigen, wonach alle in Österreich jagdbaren Säugetier- und Vogelarten unzweifelhaft zu den empfindungsfähigen Tieren zählen, deren Interessen moralisch zu berücksichtigen sind. Und es ist endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Tiere einen Eigenwert besitzen. Der vernünftige Grund, der für das Töten von empfindungsfähigen Tieren nach zeitgemäßem Tierschutzverständnis gegeben sein muss, ist viel strikter als bisher auszulegen. Eine zeitgemäße Jagd reguliert daher nur diejenigen Tierarten, deren Regulierung im Interessensausgleich in der Kulturlandschaft unbedingt erforderlich ist.
Welchen Umgang empfehlen Sie Katzenhalter:innen hinsichtlich des Fangs von Vögeln und anderen Wildtieren?
Katzen, so sehr wir sie alle mögen, haben aus tierethischer Sicht durchaus ihre Schattenseiten, nämlich dann, wenn sie andere Tiere, etwa Vögel, töten. Bei reinen Wohnungskatzen tritt diese Problematik nicht auf, aber diese Lebensweise wollen wir nicht allen Katzen aufzwingen. Es gibt daher für Tierhalter:innen von Freigängerkatzen eine Reihe von vernünftigen Ratschlägen, wie sie die Schäden, die ihre Katzen verursachen könnten, bestmöglich hintanhalten können. Die Details dazu führen hier zu weit (Empfehlungen können leicht im Internet gefunden werden), aber kurz gesagt ist folgendes wichtig: Freigängerkatzen sollten jedenfalls kastriert und gechippt sein, nicht in der Morgen- und Abenddämmerung ins Freie gelassen werden und vor dem Freigang ausreichend gefüttert werden. Zur Brutzeit der Hauptbeutearten wäre es günstig, den Freigang deutlich einzuschränken.
Weshalb steigt die Zahl von Wildtieren in der Stadt?
Dafür gibt es eine Reihe guter Gründe. Wildtiere, insbesondere Vögel, finden zahlreiche günstige Strukturen an Gebäuden, in Grünanlagen und Parks und neuerdings zusätzlich auch an Fassadenbegrünungen und auf Dachgärten. Weiters herrscht in der Stadt insbesondere im Winter ein milderes Klima. Es kann dort um 4-5° C wärmer sein als in der Umgebung. Zusätzlich ist das Nahrungsangebot für viele Tierarten, inklusive Fütterung durch Menschen, im urbanen Bereich durchaus gut. Und dann gibt es noch einen ganz wesentlichen Grund: In der Stadt werden die Wildtiere so gut wie nicht verfolgt. Sie haben keinen Jagddruck, was sie offensichtlich sehr zu schätzen wissen.
Im Kanton Genf herrscht seit vier Jahrzehnten ein Jagdverbot. Wie stellt sich professionelles Wildtiermanagement dar und was können wir von der dortigen Entwicklung von Fauna und Flora lernen?
Am Beispiel Genf sehen wir ganz deutlich, dass es für die meisten Wildtierarten keinerlei Regulierungsbedarf gibt, die Populationen regulieren sich praktisch von selbst. Eine Ausnahme stellen nur die Wildschweine dar, die in relativ geringer Zahl streng geregelt nach einem wissenschaftlichen Konzept von der so genannten Wildhut professionell bejagt werden. Mit allen anderen Wildtieren gibt es eine friedliche Koexistenz und die Bewohner können sich über einen artenreichen, sehr vertrauten und damit gut beobachtbaren Wildbestand freuen.
Welche Alternativen zur jagdlichen Leidenschaft können Sie empfehlen?
Da gibt's viele Alternativen. Wenn's ums Schießen geht, was durchaus faszinierend sein kann, gibt es angefangen vom Wurfscheibensport übers Zimmergewehrschießen bis hin zum Pistolen- oder Bogenschießen viele Möglichkeiten. Wenn's um Tiere und Tierbeobachtungen geht, bietet sich die Tierfotografie an, die oft viel mehr Geschicklichkeit und Können erfordert als die Jagd. Aber auch bloße Spaziergänge in der Natur sind eine Alternative, da sie oft intensive Naturerlebnisse bieten und zudem als gesund angesehen werden.
Welchen Prozess wünschen Sie sich vom Volksbegehen Bundes-Jagdgesetz?
Ausgehend von unserer Initiative des Volksbegehrens Für ein Bundes-Jagdgesetz wünsche ich mir eine breite, sachliche und konstruktive Diskussion breiter Bevölkerungsschichten über das Thema Jagd im Allgemeinen und den Umgang mit Wildtieren im Besonderen. Tieretöten als Freizeitbeschäftigung geht heutzutage nicht mehr. Dazu gibt es übrigens eine topaktuelle EU-weite Untersuchung, bei der 10.000 Menschen befragt wurden. Das Ergebnis: Die ländliche Bevölkerung verlangt strengere Regulierung der Jagd! Die Details:
- Die Bewohner ländlicher Gebiete sind entschieden gegen grausame und ungerechtfertigte Jagdmethoden; nur 12 % fühlen sich von Jagdinteressensgruppen gut repräsentiert.
- Für 67 % sind der Schutz der Biodiversität und der Tierschutz wichtiger als die Beibehaltung von Jagdtraditionen.
- 7 von 10 Befragten glauben, dass jedes Wildtier ein empfindungsfähiges Wesen ist, das geschützt gehört, und sie wollen, dass effektive nicht-tödliche und humane Wildtiermanagementmethoden erforscht und eingeführt werden.
- 75 % wollen, dass Jagdmethoden, die vermeidbares Tierleid hervorrufen, verboten werden.
- 64 % der Befragten wollen eine Einschränkung der Jagd auf diejenigen Fälle, bei denen unabhängige wissenschaftliche Gutachten zum Schluss kommen, dass die Tierart ein Risiko für die Umwelt (den Lebensraum) oder für die öffentliche Gesundheit (Public Health) darstellt.
Diese Untersuchung hebt die Notwendigkeit für die EU hervor, humane Praktiken beim Wildtiermanagement zu fördern und die Jagd effizient zu regeln. Sie zeigt auch ganz klar, dass die Jagdlobby nicht die Interessen der ländlichen Bevölkerung repräsentiert. Damit wird wieder einmal untermauert, wie richtig wir mit den Forderungen unseres Volksbegehrens Für ein Bundes-Jagdgesetz liegen und wie die Politik am Willen der Bevölkerung vorbeiregiert!
Vielen Dank für das Interview.