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Vortrag "Zum Tier im Recht"

Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (08.11.2006)

08.11.2006

Dr. Goetschel, Geschäftsleiter der schweizerischen Stiftung für das Tier im Recht, hielt am 7.11.2006 einen Vortrag auf der veterinärmedizinischen Universität Wien

Für Dr. Goetschel ist das Gesetz die Schnittstelle zwischen den TiernutzerInnen und der Gesellschaft, die will, dass es Tieren besser gehen soll. Ethik hat für Goetschel eine „Leuchtturmfunktion“ indem sie vorgibt in welche Richtung sich das Recht weiterentwickeln soll. Im 19. Jahrhundert war ursprünglich die Tierquälerei nur zum Schutz des Menschen verboten worden. Dementsprechend war nur das Quälen eines Tieres in der Öffentlichkeit untersagt, um ein Verrohen und Schockieren von Unbeteiligten zu vermeiden, während es im Verborgenen weiterhin erlaubt blieb Tiere zu misshandeln. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde dieser Ansatz später überwunden und das Tier wird nun um seiner selbst Willen geschützt.

Würde der Kreatur

Als letzter neuer Meilenstein in dieser Entwicklung wurde von Dr. Goetschel der kürzlich in die schweizerische Bundesverfassung aufgenommene Schutz der „Würde der Kreatur“ gesehen. Hier wird die aus einem pathozentrischen Ansatz kommende Einschränkung des Schutzes von Tieren vor Leiden auf den Schutz der Würde des Tieres ausgedehnt. Dadurch wäre ein Einschreiten im Sinne von Tieren auch dann ermöglicht, wenn mit einem Tier manipuliert wird, auch ohne dass damit physische oder psychische Schäden für das Tier verbunden sind. Als Beispiele wurden von Dr. Goetschel die Veränderung des genetischen Materials von Tieren, der Schutz vor sexuellen Übergriffen durch Menschen (Sodomie) und der Schutz von Tieren, die über kein Schmerzempfinden verfügen würden (lt. Goetschel beispielsweise Fliegen), angeführt. In all diesen Fällen wäre es denkbar dass kein Leid entsteht, die Eingriffe in die Würde der Tiere also mit dem herkömmlichen Ansätzen nicht kritisiert oder verboten werden könnten.

Mag. Erwin Lengauer kritisierte in der darauf folgenden Diskussion scharf die Verwendung des Würde-Begriffs in Ethik und Recht, da dieser Begriff sich einer Evaluierung entziehe. Es handle sich um einen behaupteten intrinsischen Wert der nicht durch empirische Fakten begründet werde. Auf diese Weise ermöglicht der Begriff vollkommen willkürliche Abgrenzungen zwischen Lebewesen, die sich jeglicher faktischer Argumentation entziehen.

Ein weiterer Schwachpunkt des Schutzes der „Würde der Kreatur“ in der schweizerischen Verfassung wäre, dass der Schutz nicht nur Tiere, sondern in gleichem Ausmaß auch Pflanzen oder überhaupt jegliche Lebewesen umfasst. Der Begriff "Kreatur" ist also sehr weit zu verstehen und droht dadurch zu einer Verwässerung zu führen.

Anwalt für Tiere

Da Tiere in den derzeitigen Rechtssystemen in Deutschland, der Schweiz und Österreich keine Rechte haben, also nicht einmal einen Anspruch auf die Durchsetzung des Gesetzes das sie schützen soll, spricht Goetschel von „Als-ob-Rechten“. Tiere hätten nämlich ein Interesse an ihrem eigenen Schutz und in diesem Sinne ist seit 1992 in Zürich die Institution eines Rechtsanwalts für Tiere in Strafsachen eingerichtet worden, der diese Interessen der Tiere vertreten soll. Neben dem Staatsanwalt tritt dort also zusätzlich ein Tierschutz-Rechtsanwalt in strafrechtlich relevanten Tierquälereien als Kläger auf.

Die Erfahrungen mit diesem System seien sehr positiv.

Vollzugsdefizit

Ebenso wie in Österreich ist offenbar auch in der Schweiz der Vollzug der Tierschutzgesetze mangelhaft. Goetschel führt das vor allem auch auf eine Überforderung der Amtsveterinäre zurück, wobei sich die Situation in der neuen Generation der Veterinäre verbessert habe. Neben zu geringer personeller Ressourcen führt er die Mängel vor allem auf die zu geringe Qualifikation in Rechtsfragen zurück. Bei Fragen wie „Wie schreibe ich ein Gutachten mit dem ein Gericht etwas anfangen kann?“, „Wie fechte ich Entscheidungen an?“ oder „Welche Rekursfristen gilt es einzuhalten?“ herrsche Unsicherheit. Um diesem Problem zu begegnen werden in der Schweiz nun genauso wie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Dokumentationsstelle für Tierschutz- und Veterinärrecht), juristische Betrachtungen verstärkt in die Ausbildung einbezogen.

Rechtsfall Datenbank

Die Stiftung „Tier im Recht“ bekam alle Tierstraffälle in der Schweiz seit 1982 zur Aufarbeitung und Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Auf der Website www.tierimrecht.org sind alle Fälle nun anonymisiert und kurz zusammengefasst einsehbar. Zusätzlich wurden die Fälle statistisch ausgewertet.

Diese zentrale Erfassung und Veröffentlichung macht verschiedene Missstände deutlich. So ist beispielsweise die Anzahl der in den verschiedenen Kantonen abgehandelten Straffälle extrem verschieden. In manchen Kantonen wurde beispielsweise seit 1982 noch kein einziger Straffall verhandelt, was letztendlich zeigt, dass Tierschutz dort offenbar einen derartig niedrigen Stellenwert besitzt, dass Tierschutzwidrigkeiten nicht einmal zur Anzeige gelangen.

Auch der Umstand, dass bei einer bedeutenden Anzahl der Fälle aus den öffentlichen Aufzeichnungen nicht zu entnehmen ist, um welche Tierart es sich handelt, spricht für eine mangelnde Qualität der Bearbeitung.

Verteilung der Fälle nach Tiernutzung

 
1982-2004
2005
Nutztiere
48%
41%
Heimtiere
34%
42%
Wildtiere
7%
9%
Versuchstiere
1%
1%
Sporttiere
3%
3%
Keine Angabe
7%
4%

Die niedrige Anzahl von Fällen im Versuchstierbereich sind nach Goetschel ein Hinweis darauf, dass in diesem Bereich vielfach versucht wird, aufgetretene Probleme (wie beispielsweise das Verdursten von unbetreuten Mäusen am Wochenende) von den zuständigen Kommissionen durch interne Gespräche zu lösen und nicht den offiziellen Weg der Anzeige zu gehen.

Auch im Nutztierbereich zeige sich immer wieder, dass die amtlichen Organe obwohl sie die Pflicht hätten Tierschutzwidrgkeiten anzuzeigen, dazu neigen die Probleme durch Verweise und persönliche Gespräche in den Griff zu bekommen zu versuchen. Erst kürzlich sei wieder ein Fall aufgetaucht wo es erst nach 6-maliger Kontrolle mit Beanstandungen zum ersten mal zu einer Anzeige kam.

Kritisiert wurden auch die generell sehr niedrig angesetzten Bußgelder, die in dieser Höhe sicherlich keine generalpräventive Wirkung entwickeln können.

Bußgeldhöhe

 
2003
2005
Vergehen
550 SF
593 SF
Vorsätzliche Übertretungen
588 SF
423 SF
Fahrlässige Übertretungen
555 SF
424 SF
Übertretungen gesamt
583 SF
424 SF
Widerhandlungen gesamt
576 SF
487 SF

Hier zeigt sich, dass die durchschnittliche Bußgeld-Höhe in den letzten Jahren sogar in vielen Bereichen gesunken ist. Besonders fragwürdig mutet an, dass im Jahr 2005 vorsätzlich durchgeführte Tierquälereien im Durchschnitt weniger streng bestraft wurden als fahrlässige.

Virtuelle Bibliothek zum Tierschutz

Die ebenfalls auf www.tierimrecht.org erreichbare virtuelle Bibliothek wird gerade entscheidend erweitert. Die von dem renommierten Tierethiker Prof. Teutsch zur Verfügung gestellte Sammlung wird gerade in den bereits bestehenden Bestand eingearbeitet.

Die Powerpointpräsentation zum Vortrag

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