Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (30.04.1999)
Die erfolgreiche Kampagne gegen das Widderstoßen in Tirol
Bis zum Jahr 1996 hatte niemand etwas gegen das Widderstoßen im Zillertal in Tirol unternommen. In früherer Zeit wurden auch Hahnenkämpfe und ein Kuhstechen im Rahmen der Widderstoßen veranstaltet, aber das hatte sich durch das geänderte Bewußtsein von selbst gegeben. Nur das Widderstoßen blieb weiterhin bestehen.
Am 30. März 1997, einem Ostersonntag, kommt es zur ersten – unangemeldeten – Demonstration gegen das Widderstoßen in Fügen und zwar direkt vor dem Kampfplatz. Dabei wird mit einem Lautsprecher jedesmal, wenn die Widder mit Gewalt zum Kampf gezwungen werden, in den Kampfplatz gebrüllt und der Tierarzt zum Eingreifen aufgefordert. Der Platzsprecher wird dadurch auch bei seinen Lügenmärchen empfindlich gestört. Die beiden Schiedsrichter und andere rufen nach einem neuen Hitler und wünschen den TierrechtlerInnen das Vergasen.
Schließlich kommt es zu Tumulten wegen des Megaphons der TierrechtlerInnen, sowie wegen des Verteilens von Flugzetteln und der umgehängten Plakate. Eine Tierrechtlerin wird von vier Männern tätlich angegriffen. Der Tierrechtler mit dem Lautsprecher wird bedrängt, es werden ihm brennende Zigaretten von hinten in den Kragen gesteckt, das Kabel des Lautsprechers wird durchschnitten. Nach Fortsetzung der Kämpfe stirbt ein schon verletzt in den Kampf gezwungener Widder an einem Genickbruch. Der Tierarzt untersucht den Widder nicht, sondern er wird im Laufschritt den Augen der ZuseherInnen entzogen und in einen Anhänger geworfen. Aus der Zeitung ist dann zu entnehmen, daß er euthanasiert worden ist.
Die TierrechtlerInnen begeben sich zur Gendarmerie und erstatten Anzeige wegen Tierquälerei und gegen den Tierarzt wegen unterlassener Hilfeleistung. Ob eine Bestrafung erfolgt ist, wird trotz Nachfrage nicht bekannt.
Demgegenüber werden die TierrechtlerInnen von der Bezirkshauptmannschaft mit ATS 4.000.- bestraft, um das Doppelte zu hoch, wie der Unabhängige Verwaltungssenat später feststellt.
Am 4. Mai 1997, es ist jeweils der erste Sonntag im Mai, findet in Zell am Ziller im Rahmen des Gauderfestes das große Widderstoßen statt. TierrechtlerInnen demonstrieren dagegen und der Kampfplatz wird gestürmt. Transparente werden gezeigt, von einem Paragleiter werden Flugzetteln abgeworfen, und es kommt zum Tumult und schließlich zur Fortsetzung der Tierquälerei.
Das damalige Tierschutzgesetz in Tirol erlaubte immer noch alle Arten von Tierkämpfen. Im Herbst 1997 wird es geändert: es gibt ein neues Tiroler Tierschutzgesetz. Es verbietet alle Tierkämpfe, erlaubt allerdings immer noch das Widderstoßen als Ausnahme.
Im darauffolgenden Jahr kommt es am 12. April 1998 zum Widderstoßen in Fügen. Wieder gibt es eine Gegenkundgebung der TierrechtlerInnen. Trotz Anmeldung bei der Behörde, und trotz Zusage von Polizeischutz ist keine Polizei da. Es kommt daher zu aggressiven Attacken von Seiten der TierquälerInnen. Erst nach Betätigung des Notrufes erscheint die Gendarmerie und die Situation beruhigt sich.
Am 3. Mai 1998 kommt es zum Widderstoßen in Zell am Ziller im Rahmen des Gauderfestes.
Die TierrechtlerInnen hatten erreicht, daß der ORF Help-TV Aufnahmen von denKämpfen und den Vorbereitungen macht.
Die TierrechtlerInnen halten natürlich eine Gegenkundgebung
ab. Eine weitere Gruppe von TierrechtlerInnen stürmen den
Kampfplatz und stören die TierquälerInnen. Bereits am Vormittag
wurde wieder ein Widder zu Tode gequält, ohne tierärztliche
Hilfe (3 Tierärzte sind anwesend) im Laufschritt vom Feld
getragen und in einen Anhänger geworfen. Wieder erstatten
die TierrechtlerInnen Anzeigen, über deren Behandlung nichts
bekannt wird.
Am 13. Mai 1998 wird die Help-TV-Sendung ausgestrahlt.
Anfang 1999, in der Woche vor den Landtagswahlen in Tirol, werden in Tierrechtszeitschriften alle TierrechtlerInnen aufgefordert, sich unter die Zuschauer zu mischen, mit Sprechchören die Veranstaltung zu stören und einen Sitzstreik auf dem Kampfplatz zu machen. TierrechtlerInnen werden landesweit mobilisiert.
Am 5. März 1999 veranstalten TierrechtlerInnen in der Innsbrucker Altstadt eine Informationsversammlung, verteilen Flugblätter, in denen auf die unrühmliche Rolle der Tiroler ÖVP hingewiesen wird und zeigen auf Großleinwand noch einmal die Help-TV Sendung, in der Landeshauptmann Weingartner als Befürworter des Widderstoßens auftritt. Die ÖVP verliert am 7. März die absolute Mehrheit mit 30 Stimmen.
Am 17. März liest man eine erste Reaktion im Bezirksblatt Schwaz, dessen Bezirkshauptmannschaft für die Zulassung des Widderstoßens zuständig ist: Widderstoßen beim Gauderfest steht auf wackligen Beinen. Auch der Bürgermeister von Zell am Ziller, Herr Amor, kommt zu Wort: „Der Zillertaler wird sich künftig sicher – wenn auch mit in der Hosentasche geballten Fäusten – damit abfinden müssen, daß über kurz oder lang das Widderstoßen nicht mehr Bestandteil dieses im westlichen Alpenraum einzigartigen Frühlingsfestes sein wird.“
Zwischen 19. bis 24. März geht es dann Schlag auf Schlag. Alle Tiroler Medien berichten, daß die Bezirkshauptmannschaft Schwaz dieses Jahr das Widderstoßen auf Grund eines Gutachtens des Amtstierarztes Dr. Pinsker nicht bewilligt. Er hat endlich die Tierquälerei als solche bezeichnet. Und dabei zeigt sich ein plötzlicher Gesinnungswandel der Printmedien: bisher hatte das Widderstoßen immer breiten wohlwollenden Raum in den Zeitungen gefunden, zusammen mit den BefürworterInnen. Die Seefelder-Plateau Rundschau hatte sich sogar sadistisch darüber gefreut, daß TierrechtlerInnen im Zillertal verprügelt worden waren. Mit dem Verbot für das Widderstoßen sind die Medien mit einem Schlag von der Tierquälerei abgestossen. Ein ganz deutlicher Beweis, daß die Rechtslage, was legal ist und was nicht, für das Moralverständnis der Bevölkerung eine riesengroße Bedeutung hat. Entsprechend sollten die TierrechtlerInnen unbedingt in allen Kampagnen als oberstes Ziel gesetzliche Verbote fordern, und letztendlich nur zufrieden sein, wenn die Tierrechte auch wirklich gesetzlich verankert sind!
Erst im April 1999, nach dem ausgesprochenen Verbot gegen das Widderstoßen in Zell am Ziller, kommen weitere Mißhandlungen der Widder ans Tageslicht
Insider trauen sich erst jetzt etwas zu sagen, wenn auch ohne Namensnennung wegen ausgesprochener gefährlicher Drohungen. So wurde bekannt, daß nach jedem Widderstoßen mindestens ein Widder gestorben ist, daß die Tiere ganzjährig im Stall gehalten und mit Kraftfutter und Anabolika – und kurz vor dem Kampf sogar mit Schnaps und Wein – gedopt worden sind. Sogar der Amtstierarzt berichtet erst jetzt, daß durch das Widderstoßen Erkrankungen der Harnwege mit tödlichem Ausgang nach Wochen aufgetreten sind. Von schweren Kopfverletzungen wird berichtet, in die Fliegen ihre Eier legen und von schmerzhaften Prellungen, nach denen sich die Hörner lösen.
Das Bezirksblatt Schwaz berichtet: „Beim Zeller Gauder-Fest wird heuer erstmals auf das traditionelle Widderstossen verzichtet, um Demonstrationen von Tierschutzaktivisten aus dem Weg zu gehen.“
Wie fast zu erwarten war, ließen sich aber die Fügener Widderstoßen-OrganisatorInnen durch ein Verbot nicht abbringen. Ohne jedes Einschreiten der Behörde haben sie dann die Widder und Schafe im Rahmen eines „Auftriebs auf die Frühjahrswiese“ gegeneinander gehetzt. Die Folge waren viele verletzte und ein toter Widder. Von jenen, die seinerzeit das Widderstoßen verniedlicht und verharmlost hatten, wurde dann Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Zeitungen berichten: „Bei besagter Veranstaltung in Fügen gab es besonders viele verletzte Tiere, weil nicht einmal die vom Gesetz vorgeschriebenen Regeln eingehalten worden sind – das bedeutet, daß Kampfwidder völlig unterschiedlicher Gewichte zusammentrafen. [...] Die Widderbesitzer haben wohl eine Kollektivstrafe einkalkuliert.“
Es war zu befürchten, daß die Zeller den gleichen Trick bei ihrem Widderstoßen anwenden würden, weil sie im Rahmen des diesjährigen Gauderfestes am 2. Mai eine „Widderschau“ angekündigt hatten. Eine Tierrechtlerin war vor Ort, wurde auch erkannt und vom Platzsprecher begrüßt. Einige der anwesenden OrganisatorInnen des Widderstoßens behandelten sie auch unsanft, aber sonst blieb alles friedlich. Sie berichtete, daß zahlreiche Widder dort waren, die noch vom illegalen Widderstoßen in Fügen einen Monat davor noch schwere Kopfwunden hatten.
Nächstes Jahr werden die TierrechtlerInnen auf jeden Fall in größerer Zahl vor Ort sein müssen, speziell in Fügen, um im Falle des Falles ein weiteres illegales Widderstoßen verhindern zu können. Abgesehen davon wurde das Widderstoßen ja nicht gesetzlich untersagt. Jedes Jahr könnte es einfach wieder bewilligt werden. Daher muß das nächste Ziel sein: Verbot aller Tierkämpfe in Österreich in einem einheitlichen Bundestierschutzgesetz!