Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (08.08.2008)
Wien, am 08.08.2008Gedanken, Gedichte, Geträumtes....
und eine Elterndemo für die Freilassung der Tierrechtsgefangenen
Fast alle Eltern der Tierrechtsgefangen waren da, um am Nachmittag des 6. Augusts vor dem Justizministerium in Wien ihren Unmut über die immer noch anhaltende Untersuchungshaft ihrer Kinder zum Ausdruck zu bringen. Aber auch die Angst, dass die lange Haft bleibende psychische Schäden bei den jungen Leuten bewirken könne und den großen Schmerz über die lange Trennung von ihren Kindern, waren Thema dieser Kundgebung.
Unter regem Presseinteresse wurde ein offener Brief an die Justizmnisterin vorgelesen.
Gerne hätten die Eltern diesen persönlich übergeben und sich die unerklärliche Situation von ihr selbst erklären lassen. Doch weiter als in die Portiersloge konnte die Delegation nicht vordringen, dort war ein Regierungsbeamter zur Stelle, hörte sich die Anliegen der verzweifelten Eltern an und versprach den Brief mit den dringenden Forderungan an die Justizministerin zu übergeben.
Gedanken der Gefangenen:
Die Nacht in der Zelle
Zum Schlafengehen nehmen viele Gefangene Schlafmittel. Um 22 Uhr öffnet sich die Klappe an der Stahltür und die Wachen reichen die Tabletten herein. Man muss sie vor ihren Augen schlucken, sodass man sie nicht aufsparen kann und dann in der Menge benutzen kann, um für immer zu entschlafen. Der Selbstmord ist hier stets gegenwärtig.
Ich nehme keine Tabletten. Um 22 Uhr werde ich müde und schlafe rasch ein. Nicht ohne Angst, weil ich weiß was jetzt passieren wird. Unweigerlich nutzt mein Geist die ersten paar Stunden Schlaf, um sich aus der Zelle zu entfernen. Ich bin frei, und die Gefangenschaft, das vergitterte Fenster, die ewig gleiche Wand neben meinem Bett – alles nur ein Traum. Doch es gibt ein böses Erwachen. Jede Nacht. Unweigerlich.
Um ca. 3 Uhr wache ich auf, jedesmal mit der Erleichterung, dass die ewige Gefangenschaft, das monatelange an-die-Wand-starren, nur ein Traum war. Doch es ist umgekehrt. Jedesmal, wenn ich um 3 Uhr früh die Augen öffne, und sie sich langsam ein Bild machen, realisiere ich, Schritt für Schritt, dass ich immer noch da bin, wirklich da bin. Das schiere Entsetzen befällt mich dann, und füllt mich aus. Der Mund wird trocken und mein Herz zerfällt. Jetzt ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich stehe auf, lege mein Gesicht an das engmaschige Gitter und starre hinaus in diesen unwirklichen Hof. Die Wände sind auf jeder Seite mit 7 Scheinwerfern beleuchtet, die alles in grell- weißes Licht tauchen, das bis in die Zelle reicht. Dazwischen überall Kameras und Wachtürme. Einfach grauenhaft und unmenschlich. Langsam und leicht rinnen mir die Tränen über die Wangen, wie Sommernieselregen, den ich schon seit Monaten nicht mehr spüren durfte. Wenigstens ist mir die Stille und Einsamkeit gegönnt, mitten in einer Zelle voller Häftlinge, für mich allein leise zu weinen.
Wieder ist der Abgrund so deutlich zu spüren, der Tod so nah. Und kein Lebenswillen. In diesen schrecklichen Mauern gibt’s kein Leben.
Ich gehe leise in der Zelle auf und ab, 3 Schritte bis zur Wand und wieder zurück. Ich versuche alle Gedanken abzuschütteln, möchte in der monotonen Bewegung Sicherheit finden, wie jedes verzweifelte Tier im Käfig. Ich leg mich wieder ins Bett und starre an die Decke über mir, wie schon seit Monaten. Die Flutlichter im Hof werfen die ewig gleichen Schatten der Fenstergitter an die Wand. Die ewiggleiche, lebensfeindliche Unbeweglichkeit. Werde ich hier jemals rauskommen? Wieder ein Gedanke, den ich nicht zulassen darf.
Die Stunden verrinnen. Es gibt keinen Horizont für mich anzuschauen, nur Mauern. Aber langsam verändert sich der Himmel. Um 5:30 Uhr erscheint die Sonne hinter meinem Fenstergitter direkt durch die Stacheldrahtverhaue auf den Mauern hindurch. Mir graut vor dem Morgen. Mir graut vor einem weiteren Tag an diesem anus mundi, am Ende der Welt.
Freiheit
Durch mein vergittertes Fenster kann ich in
den Hof hinunterschauen. Das Gitter ist aber
kein normales Fenstergitter, es ist so dicht
und kleinmaschig, dass gerade noch ein Orangenkern
durchpasst. Dadurch ist es nicht nur immer ziemlich
dunkel und düster in meiner Zelle, ich bin auch
vom Leben draußen getrennt. Und da sprech ich
noch gar nicht von Freiheit, die sich irgendwo
hinter diesem hohen Stacheldraht bewährten Mauern
befindet. Nichts von der Freiheit kann ich sehen.
Keinen freien Menschen, keine Autos, keine Häuser,
nur die immergleichen Steinwände. Sie sind seit
Monaten meine Welt. Nicht nur. Ich muss an Rosa
Luxenburg und ihren Bericht aus der Gefängniszelle
denken. Tauben. Die einzigen freien Wesen, zu
denen ich laufend Kontakt habe. Gerade sitzen
sie wieder oben auf meinem Fenstergitter und
gurren. Mein Gitter sei deswegen so engmaschig,
weil die Insassen hier alle mit den Tauben Freundschaft
schließen und sie füttern. Durch das engmaschige
Gitter geht das nicht mehr. Der letzte direkte
Kontakt zu freien Wesen ist dadurch gekappt.
Die Sonne geht auf, streicht über den Himmel,
geht unter. Wie spät ist es? Egal. Es scheint
mich nichts mehr anzugehen. Ich starre an die
gleichen, strukturlosen Wände. Monatelang.
Die totale Verzweiflung über das Getrenntsein von den geliebten Menschen
Ich wollte mich nicht mehr umsehen, als mich die Beamten zum Auto brachten. Aber ich hörte ein Klopfen aus dem Schlafzimmerfenster und drehte mich doch noch einmal um. Ich sah Noah aus dem Fenster schauen und mir winken. Ich winkte traurig zurück, versuchte die Tränen zu unterdrücken…. Auch einer der Polizisten winkte Noah, ich kann nicht ausdrücken, wie sehr mich diese Heuchelei wütend machte und verletzte.
Das war der letzte Tag an dem ich meine Familie, die ich so liebe, festhalten und küssen konnte. Seit 2 Monaten sehen wir uns nur noch alle 2 Wochen. Getrennt durch eine Glasscheibe. Ohne Berührungen, ohne Küsse… es macht mich wahnsinnig, daran zu denken. Vor noch 2 Monaten, dachte wohl noch niemand, dass meine Gefangenschaft so lange dauernd könnte… Wie lange werde ich noch von meiner Familie getrennt sein müssen? Wie lange wird meinen Kindern noch der Vater, meiner Frau der Ehemann weggesperrt? Woher weiß ich, dass dieselben unbegründeten Beschuldigungen und Vermutungen welche jetzt schon seit 2 Monaten eine Untersuchungshaft rechtfertigen, nicht auch eine Verurteilung rechtfertigen?
Die Angst, meine Familie zu verlieren macht mich krank!
Ist dem Staatsanwalt und den RichterInnen die dramatische Tragweite seines Handelns bewusst? Wissen die, was sie vielleicht gerade zerstören? Meine Kinder brauchen ihren Vater. Meine Ehefrau braucht ihren Lebenspartner. Ich brauche meine Familie! Ich habe Angst.
Bitte vergesst mich nicht. Heute, anlässlich meiner 2 monatigen Gefangenschaft, schaute ich mir alle Fotos von Karin und den Kindern an, die ich geschickt bekam. Fotos von den Kindern und bei mir zu Hause, als unser Leben noch ein Leben war. Fotos von meiner wunderschönen Ehefrau, die ich so unsagbar liebe. Fotos von meiner Frau und unseren Kindern auf Solidaritätskundgebungen zu meiner Freilassung. Sie tragen T-Shirts mit der Aufschrift „free chris“. Die Betrachtung der Fotos meiner Lieben endet in einem Tränenbad.
Ich kann nicht mehr, Verzweiflung und Angst fressen mich auf… Die Fotos meiner Familie auf den Solidaritätskundgebungen bestätigen mich: Meine Frau ist eine extrem starke Person. Allein mit 3 Kindern in dieser Situation. Auch meine Kinder sind stark. Wie lange hält die Stärke der versuchten Zerstörung stand? Unsere Familie, unser Leben soll zerstört werden, wie lange halten wir das durch? Niemand konnte meine Familie vor der Willkür des Staates schützen. Niemand weiß, wie lange ich noch gefangen gehalten werde. Ich habe Angst, meine Familie und mein Leben zu verlieren. Noah, Samuel, Talia und Karin, ich liebe euch so sehr! Ich vermisse euch so sehr! Denkt an mich! Vergesst mich nicht! Bleibt stark und haltet durch!
… Den Sommer haben Sie uns bereits fast vollständig gestohlen. Wann werden wir uns wieder sehen können? Ohne Trennscheibe zwischen uns? Ohne Schreibtischtäter der/die unsere Gespräche mitlauscht? Wann kann ich euch wieder in die Arme schließen? Euch küssen? Bei euch sein? Immer!!! Zuhause. In unserem Leben.
Wie geht es den Personen, die so etwas zu verantworten haben dabei? Eine Familie zerrissen! Traumatisiert! 3 kleine Kinder, eine glückliche Beziehung! … das läuft Gefahr, zerstört zu werden! Wie lange noch? Wie lange noch werden täglich tausende Tränen auf die Fotos von meiner Frau und meinen Kindern fallen? Ich liebe euch so sehr! Bitte haltet durch! Ich bemühe mich auch! Ich vermisse euch! ….. 2 Monate ohne Berührung und Küsse.
Bitte vergesst mich nicht. Ich denke an euch. Ich träume von euch! - jeden Tag. Ich liebe Euch! … ich hoffe auf die Vernunft der Verantwortlichen …. Hoffen, glauben tu’ ich nicht mehr daran! Haltet durch, helft zusammen, ich liebe Euch!