Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (01.06.2008)
Hungerstreik
Warum Hungerstreik?
Der Hungerstreik ist ein Protest gegen die unfassbare Behördenwillkür, die in der Verhängung der Untersuchungshaft über 10 TierschützerInnen gipfelt.
- Akteneinsicht wird verweigert.
Die Staatsanwaltschaft ist nicht in der Lage oder nicht dazu bereit, ihre Anschuldigungen durch entsprechende Beweismittel zu belegen bzw. zu begründen. Den Beschuldigten wird nur eine beschränkte Akteneinsicht gewährt. In den zur Verfügung gestellten Akten sind keine Indizien vorhanden, die einen dringenden Tatverdacht für einzelne Straftaten oder gar für die Bildung einer kriminellen Organisation begründen könnten.
Eigentlich sieht die Menschenrechtskonvention aber vor, dass jeder Festgenommene unverzüglich über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen unterrichtet wird. - Keine angemessene Stellungnahme und damit Verteidigung
möglich.
Die Gefangenen werden bisher nicht einvernommen und befragt. Also selbst zu den bisher vorgebrachten sehr unkonkreten Vorwürfen wird ihre Stellungnahme nicht eingeholt. Auch im Rahmen der am Haftprüfung am 6. Juni lehnte die Richtern eine Befragung der Bechuldigten ab.
Eigentlich sollte man aber von einem Rechtsstaat erwarten können, dass er wenn er schon so extreme Maßnahmen wie den Freiheitsentzug setzt, den Betroffenen die Möglichkeit gibt, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. - Dringender Tatverdacht ist nicht gegeben
Aus den freigegebenen Akten ergibt sich kein dringender Tatverdacht. Vorgeworfen wird den Beschuldigten die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Die Staatsanwaltschaft bleibt aber konkrete Angaben schuldig. Woraus ergibt sich, dass diese Organisation überhaupt existiert haben soll? Warum soll diese Organisation für alle von der Staatsanwaltschaft angeführten Sachbeschädigungen verantwortlich zeichnen? Welche Befehlshierarchien soll es in dieser Organisation gegeben haben? Warum sollen gerade die etwa 24 Beschuldigten Mitglieder dieser Organisation gewesen sein? Etc.
Angesichts all dieser rein spekulativen Behauptungen der Staatsanwaltschaft kann von einem dringenden Tatverdacht keine Rede sein. - Verdunkelungsgefahr ist nicht nachvollziehbar
Als Grund für die Untersuchungshaft wird "Verdunkelungsgefahr" angegeben. Diese Begründung ist nicht nachvollziehbar, da die Beschuldigten und ihr Umfeld ohnehin flächendeckenden Hausdurchsuchungen und umfassenden Beschlagnahmungen unterzogen wurden. Da die Beschuldigten also ohnehin auf alle relvanten Gegenstände die in ihrem Eigentum waren, keinen Zugriff mehr haben, erscheint eine "Verdunkelungsgefahr" ausgeschlossen. - Tatbegehungsgefahr ist nicht nachvollziehbar
Als zweiter Haftgrund wird "Tatbegehungsgefahr" angegeben. Die "Tatbegehungsgefahr" erscheint mindestens ebenso unnachvollziehbar wie die Verdunkelungsgefahr. Ist wirklich anzunehmen, dass Personen die wissen, dass sie intensivst von der Polizei verdächtigt und überwacht werden, Straftaten begehen würden?
DDr. Martin Balluch nimmt seit 21. Mai 2008 keine Nahrung mehr zu sich. Er verwendet sein letztes bisschen Autonomie, nämlich die Möglichkeit die Essensaufnahme zu verweigern, um gegen diese willkürliche, einem Rechtsstaat unwürdige, Behandlung zu protestieren.
DDr. Balluch fordert die Bekanntgabe konkreter Vorwürfe und die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen.
Der Hungerstreik aus medizinisch-physiologischer Sicht
Der in Hungerstreik getretene verweigert die Zufuhr von Nahrung. Diese liefert dem Organismus aber die Nährstoffe, die zur Aufrechterhaltung des Lebens notwendig sind.
Bei den Nährstoffen unterscheiden wir einerseits Träger von biologischer Energie (Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate), die der Organismus als Treibstoff benötigt, andererseits Vitamine und Mineralstoffe, die Stoffwechselfunktionen aufrecht erhalten, den Flüssigkeitshaushalt regulieren und für die Funktion der Muskeln und Nerven von essentieller Bedeutung sind. Aminosäuren brauchen wir auch zur Eiweißsynthese.
Selbst wenn der Energie-Verbrauch durch absolute Inaktivität weitgehend heruntergefahren wird, verbleibt ein Rest-Bedarf, den innere Organe, Muskeln, Herz und vor allem das Nervensystem für ihren Grundumsatz beanspruchen. Speziell letzteres ist von einer Versorgung mit dem raschest verfügbaren Energieträger, dem Traubenzucker (Glucose), über das Blut kritisch abhängig um seine bioelektrische Aktivität zu erhalten.
Geht die Zufuhr von Energieträgern gegen null, greift der Organismus auf seine Reserven zurück: zunächst werden gespeicherte Zucker (Glykogen) verbraucht, dann die Fettreserven angezapft. Durch den Abbau von Fett kann sich der Organismus auch Traubenzucker (Glucose) selbst herstellen. Schließlich ist es auch möglich als Energiequelle Eiweiß zu verbrennen – ein Vorgang der dem Körper in letzter Konsequenz an die Substanz geht: man spricht von Katabolismus.
Gleichzeitig benötigt man reichlich Flüssigkeit um den (Blut)Kreislauf aufrecht zu erhalten. Wasser allein ist da zu wenig, da im Körperwasser Salze (Elektrolyte) gelöst sein müssen. Diese gehen aber laufend über Schweiß und Urin verloren; selbst wenn die Niere auf absoluter Sparflamme arbeitet und die Ausscheidung maximal drosselt, muss ein minimaler Harnfluss und damit auch ein geringer Mineralstoffverlust in Kauf genommen werden: diese Bilanz im Plus zu halten ist für das kurzfristige Überleben essentiell! Stehen dem Hungernden also keine mineralstoffhaltigen, am besten isotone, also ähnlich wie die Körperflüssigkeit zusammengesetzte, Getränke (zB Mineralwasser) zur Verfügung, kommt es durch die Kreislaufschwäche rasch zu Mattigkeit, Schwindel und Kraftlosigkeit, schließlich zu einem Schockzustand, der ein allgemeines Organversagen bedingen kann.
Erst in weiterer Konsequenz macht sich dann der Energiemangel durch Substanzverlust bemerkbar, der nach dem Fett- auch den Proteinabbau einschließt und schließlich zu einem sukzessiven Schwund an Muskelmasse führt. Dieser Prozess bedingt einen anfangs raschen, dann immer langsamer fortschreitenden Gewichtsverlust. Der Bedarf an Kalzium (vor allem für Muskelarbeit) wird aus dem Skelett gedeckt, was zu progredientem Knochenschwund führt. Wenn das Energiedefizit dann sehr weit gediehen ist, können durch Zelluntergang auch lebenswichtige Organe versagen.
In letzter Konsequenz kommt auch noch der Mangel an Mikronährstoffen zum Tragen: damit sind vor allem Vitamine, gewisse Aminosäuren und Spurenelemente gemeint, die zur Enzymsynthese zwecks Aufrechterhaltung bestimmter Stoffwechselschritte benötigt werden. Nervenimpulse werden schwächer, Es kann zu Immunschwäche und Hautausschlägen kommen, ja unter gewissen Umständen können für den Betreffenden bleibende körperliche Schäden enstehen.
Lebensgefahr besteht bei inadäquater Flüssigkeits- und Salzversorgung schon nach wenigen Tagen. Wird die Kreislauffunktion andererseits durch deren ausreichende Zufuhr zunächst noch erhalten oder nimmt der Betreffende über die Flüssigkeit auch ein gewisses Maß an Energieträgern zu sich, entsteht der kritische Zustand erst nach mehreren Wochen. Zusätzliche Vitaminzufuhr kann auch ein viele Monate langes Durchhalten erwirken, wie schon einige Beispiele gezeigt haben. Entscheidend dürfte dabei der Bedarf an Thiamin (Vitamin B1) sein, das für die energetische Versorgung speziell des zentralen Nervensystems eine tragende Rolle spielt. Gehen dem Organismus seine diesbezüglichen Reserven aus, tritt ein Zustand ein, ähnlich wie bei chronischen Alkoholikern, der zu Gedächtnisverlust, Verwirrtheit, Apathie, Desorientiertheit, Gangunsicherheit, Störungen der Bewegungskoordination, Augenmuskellähmungen, Sprech- und Schluckproblemen sowie psychischer Beeinträchtigung führen kann. Dieses Krankheitsbild spiegelt eine permanente Nervenzellschädigung wieder und kann auch nach Beendigung des Fastens ein bleibendes sein.
Speziell bei fehlender oder ungenügender Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr drohen schon frühzeitig Gehirnschwellung mit möglichen fatalen Konsequenzen oder auch – mitbedingt durch den Muskelzerfall – ein akutes Nierenversagen, das dann einer raschen Behandlung bedarf. Die meisten Todesfälle unter Hungerstreikenden sind bei Menschen aufgetreten, deren Vitamin (Thiamin-) zufuhr unzureichend war.
Dr. med. Bernd Balluch
Arzt für Allgemeinmedizin
Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde
Spitalsarzt am SMZ Süd/Preyersches Kinderspital
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