Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (01.06.2008)
Juristische Aufarbeitung
- Was den Beschuldigten vorgeworfen wird
- Kriminelle Vereinigung § 278, Gesetzestext
- Kriminelle Organisation § 278a, Gesetzestext und Kommentar
- Sicherheitspolizeigesetz und anonyme Zeugen
- Rechtswidrigkeiten bei den Hausdurchsuchungen mit Gesetzestexten der §§ 5, 117, 119-121 StPO und Kommentar
- Rechtswidrigkeit der Festnahmen und der Untersuchungshaft gemäß §§ 170, 173 StPO und Art. 5 MRK
- Verstöße gegen Grundsätze eines fairen Verfahrens gemäß §§ 49-51 StPO und Art. 6 MRK
- Missachtung der Unschuldsvermutung gem. § 8 StPO und Art. 6 MRK
Vorwürfe gegen die Beschuldigten
Den Beschuldigten können trotz jahrelanger Abhörungs- und Überwachungsmaßnahmen keine konkreten Straftaten zugeordnet werden. Stattdessen wird nun von der Staatsanwaltschaft folgender Tatverdacht über § 278a konstruiert:
Sie hätten „sich an einer auf längere Zeit angelegeten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen als Mitglied beteiligt, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die die Freiheit und das Vermögen bedrohen, nämlich schwerer Sachbeschädigungen, Brandstiftungen, und schwerer Nötigungen, ausgerichtet ist, dadurch erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft anstrebt und Verantwortliche dieser Unternehmen, die mit Tierprodukten handeln (Pelz, Fleisch, Eier usw.), Pharmafirmen, jagdlicher Einrichtungen und landwirtschaftlicher Betriebe mit Nutztierhaltung, einzuschüchtern und sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht.“
Kriminelle Vereinigung (vgl. § 278a)
§ 278. (1) Wer eine kriminelle Vereinigung gründet oder sich an einer solchen als Mitglied beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Eine kriminelle Vereinigung ist ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen, andere erhebliche Gewalttaten gegen Leib und Leben, nicht nur geringfügige Sachbeschädigungen, Diebstähle oder Betrügereien, oder Vergehen nach den §§ 104a, 165, 177b, 233 bis 239, 241a bis 241c, 241e, 241f, 304 oder 307 oder nach den §§ 114 Abs. 2 oder 116 des Fremdenpolizeigesetzes ausgeführt werden.
(3) Als Mitglied beteiligt sich an einer kriminellen Vereinigung, wer im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine strafbare Handlung begeht oder sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten oder auf andere Weise in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert.
(4) Hat die Vereinigung zu keiner strafbaren Handlung der geplanten Art geführt, so ist kein Mitglied zu bestrafen, wenn sich die Vereinigung freiwillig auflöst oder sich sonst aus ihrem Verhalten ergibt, dass sie ihr Vorhaben freiwillig aufgegeben hat. Ferner ist wegen krimineller Vereinigung nicht zu bestrafen, wer freiwillig von der Vereinigung zurücktritt, bevor eine Tat der geplanten Art ausgeführt oder versucht worden ist; wer an der Vereinigung führend teilgenommen hat, jedoch nur dann, wenn er freiwillig durch Mitteilung an die Behörde (§ 151 Abs. 3) oder auf andere Art bewirkt, dass die aus der Vereinigung entstandene Gefahr beseitigt wird.
Kriminelle Organisation
§278a. Wer eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied beteiligt (§ 278 Abs. 3),
- die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist,
- die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang oder erheblichen Einfluß auf Politik oder Wirtschaft anstrebt und
- die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht,
ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. § 278 Abs. 4 gilt entsprechend.
Definition "kriminelle Organisation":
Der - über den Begriff der Verbindung (§§ 246, 279 StGB) hinausgehende - Organisationsbegriff nach § 278a StGB (JA zum Entwurf des Geldwäschereigesetzes, 1160 BlgNr 18.GP) ist gegeben, wenn (1160 Blg Nr 18 GP, 2 f)
- eine größere Anzahl von Personen (im Sinn des § 12 Abs 3 Z 2 (und Abs 4) SGG ist von mindestens 10 Personen auszugehen) sich in einer
- auf Dauer oder zumindest auf längere
Zeit ausgerichteten Verbindung organisieren, die durch
- arbeitsteiliges Vorgehen,
- eine hierarchische Struktur und
- eine gewisse Infrastruktur gekennzeichnet ist
und die, die Ziffern 1-3 erfüllt, bei denen es sich um kumalitve Tatbestände handelt, was bedeutet, dass von jeder Ziffer zumindest eine der aufgezählten Alternativen erfüllt sein muss, vgl. WK 2 StGB § 278a Rz 8; 13Os25/07m):
- Z1: überwiegende Zweck der Organisation muss die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, Vermögen bzw. im Bereich sexuelle Ausbeutung, Schlepperei, Falschgeld und dgl.
- Z2: Ziel dieser Taten muss die Bereicherung in großem Umfang oder ein erheblicher Einfluss auf Politik und Wirtschaft sein. Bei der Definition "erheblicher Einfluss auf die Wirtschaft" wurde an eine mafiöse Unterwanderung der Wirtschaft gedacht. Davon kann im gegenständlichen Fall keine Rede sein. Letztlich liegt es aber an der Anwendung des unbestimmten Begriffes „erheblich“, da die Verhinderung zB des Pelzhandels sicherlich zumindest „irgendeinen“ Einfluss auf die Wirtschaft haben sollte.
- Z3: Zu ihrer Aufrechterhaltung bedient sich die Organisation der Korrumption, der Einschüchterung von Personen oder schirmt sich auf besondere Weise ab. Als Beispiel einiger Kommentare wird hierfür die Gründung mehrerer Scheinfirmen angegeben. Klar ist, dass eine Abschirmung "auf besondere Weise" das Maß gängiger Vorsichtsmaßnahmen überschreitet. Eine klare Definition was unter "besondere Weise" subsumiert wird, gibt es allerdings nicht. Bereits 1997 kritisierte Fuchs die Unbestimmtheit der Formulierung von § 278a in mehreren Punkten. Auch die Kommentare widersprechen sich in ihrere Betrachtung, was unter besondere Weise zu fallen hat. Dass dies auf die im Beschluss erwähnte „aufwändige pgp-Verschlüsselung" zutreffen könnte, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Denn der Zusatz "aufwändig" mutet seltsam an, hält sich doch der Aufwand sich ein PGP-Verschlüsselungsprogramm herunterzuladen sehr in Grenzen. Es stellt sich dabei auch die Frage, woher die StA das wissen will, nachdem bisher die Onlinedurchsuchung nicht gestattet ist und soweit ersichtlich bisher keine Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden...?
Damit stellt das Gesetz auf tatsächliche Merkmale ab, während der Umstand, ob der Organisation eine rechtliche Struktur zugrunde liegt oder sie sich inländischer oder ausländischer juristischer Gestaltungsmöglichkeiten für ihre Verbindung bedient, keine Bedeutung zukommt. (11Os112/94 (11Os114/94); 14Os122/96; 14Os101/97; 11Os62/97; 12Os105/05s)
Definition "Mitglied einer kriminellen Organisation":
Laut OGH (12Os40/02) beteiligt sich als Mitglied einer kriminellen Organisation, wer
- entsprechend seinem ausdrücklich erklärten oder konkludent zum Ausdruck gebrachten Willen sich in einer bestehende Organisation (mit den oben genannten Merkmalen einer kriminellen Zielsetzung, unternehmensartigen Strukturen und mehreren Personen)
- auf längere Zeit oder überhaupt auf Dauer eingliedert und
- in dieser organisations- oder deliktsbezogen tätig wird, wobei eine bloß fallweise Beteiligung an einzelnen Straftaten oder Handlungsweisen, denen das mit dem Begriff der "Mitgliedschaft" verbundene Moment einer gewissen Dauer fehlt, nicht ausreicht. Eine bloß passive Mitgliedschaft z.B. in Form der Zahlung eines Mitgliedbeitrags wird nicht als Beteiligung im Sinne des 278a gesehen. (TE OGH 1998/01/13, 11 Os 62/97). "Da kriminelle Organisationen kaum Mitgliederlisten führen und es meist auch keinen formellen Aufnahmeakt gibt, wie er bei jedem Verein selbstverständlich ist, wird es sehr schwer sein, zwischen Mitgliedern und bloßen Unterstützern zu unterscheiden, die von der Strafbestimmung gezielt nicht erfaßt werden sollen." (Fuchs, 1997)
Mit der Strafbarkeit auch desjenigen, der sich an einer solchen Organisation nur als Mitglied beteiligt, sollte dem bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität bisher wahrgenommenen Mangel eines Tatbestandes abgeholfen werden, der Mitglieder einer kriminellen Organisation schon wegen dieser Mitgliedschaft mit Strafe bedroht (JA zum Entwurf des Geldwäschereigesetzes, 1160 BlgNr 18.GP). Nach den Zielsetzungen des Strafgesetzgebers ist sohin davon auszugehen, daß nicht (iS eines Zustandsdeliktes) allein der Beitritt, sondern die Zugehörigkeit als Mitglied während ihrer gesamten Dauer unter Strafe gestellt werden sollte. (12Os36/94; 11Os165/95 (11Os169/95); 11Os58/02)
Konkurrenz: Die Mitglieder der kriminellen Organisation sind einerseits für die Mitgliedschaft an sich nach § 278a zu bestrafen, andererseits für die einzelnen Straftaten, die sie begangen haben z.B. für Raubüberfall nach § 142 StGB usw.
Zur Begehung des § 278a ist Vorsatz erforderlich. Es muss der Person bewusst sein, dass sie für die kriminelle Organisation handelt. Es genügt also beispielsweise nicht, wenn sie einen Raubüberfall zusammen mit einem Mitglied der Organisation macht ohne zu wissen, dass dieser von und für die Organisation geplant ist.
Das bedeutet, dass Personen nicht nur für die Begehung von Straftaten verfolgt werden können, sondern der Verdacht einer Mitgliedschaft in einer auf solche Taten ausgerichteten Organisation genügt. Ab wann aber nun jemand Mitglied ist, ist kaum zu eruieren. Genau darin, sah schon 1997 Fuchs ein Problem, wenn er schreibt:
"Das Gesetz bedroht denjenigen mit Strafe, der sich “beteiligt”, ohne zu sagen, an welcher Handlung er sich beteiligen muß (wie zB § 12 die Beteiligung an einer strafbaren Handlung nennt). Da aber eine Beteiligung “an einer kriminellen Organisation als Mitglied” verlangt ist, läge es nahe, die Strafbarkeit auf typisch mitgliedschaftliche Handlungen wie zB die “Beschaffung des Finanzbedarfes durch Eintreiben monatlicher Spenden und jährliche Großsammlungen” zu beschränken, auf Handlungen also, die der Aufrechterhaltung der Organisation als solcher dienen. Doch versteht die Rechtsprechung in den wenigen Entscheidungen, die bisher ergangen sind, ist es nicht ausgeschlossen, den Tatbestand dahin, daß er auch die Begehung einzelner Straftaten für die Organisation, aber auch alle Vorbereitungshandlungen zu Straftaten erfaßt: Wer nach Österreich einreist und im Hotel auf den Anruf eines Organisationsmitgliedes wartet, hat sich nach dieser Deutung allein dadurch bereits eines Verbrechens schuldig gemacht. Wiederum steht der Wortlaut des Gesetzes nicht entgegen.
§ 278a Abs 1 StGB dehnt also – für “Mitglieder” einer kriminellen Organisation, ohne genau sagen zu können, was Mitglieder sind – die Strafbarkeit, die üblicherweise erst mit dem Versuch der Straftat beginnt (§ 15 Abs 2), auf den gesamten Bereich der Vorbereitung eines Deliktes aus. Die Gefahr des Ausartens in eine Verdachtsstrafe ist offensichtlich; vor allem dann, wenn man bedenkt, daß schon das Warten im Hotel mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden kann. Die soziale Unwertigkeit erhält das Verhalten allein durch die – unklare – Mitgliedschaft und durch die “Widmung” der Handlung als Beteiligung an der Tätigkeit der Organisation."
Prozessuale Bestimmungen und sicherheitspolizeiliche Eingriffsbefugnisse durch § 278a
Bei allen Strafbestimmungen gilt, dass bei Verdacht einer strafbaren Handlung sicherheitspolizeiliche und strafprozessuale Eingriffe möglich sind. Bei bestehen eines dringenden Tatverdachts sind Eingriffe wie Beschlagnahmung von Gegenstände, Telefonüberwachung und Haft, Kontensperre und Aufhebung des Bankgeheimnisses sowie die geheime Überwachung von Personen (“Lauschangriff”) möglich. Hierzu Fuchs 1997:
"Das Erfordernis eines dringenden Tatverdachtes ist nur dann eine wirksame Beschränkung von prozessualen Eingriffsbefugnissen, wenn sich das Vorliegen eines solchen Verdachtes in der Praxis einigermaßen verläßlich feststellen läßt. Ob dies der Fall ist, hängt aber entscheidend von den Merkmalen des Deliktstatbestandes ab, auf den sich der Verdacht bezieht. Beim Mord oder beim Einbruch ist die Situation, die einen dringenden Tatverdacht begründet, verhältnismäßig eindeutig: eine Leiche, Blut, Diebsgut oder Einbruchswerkzeug, das beim Täter gefunden wird. Denn auf solche Weise und mit diesen Mitteln werden solche handfesten Delikte begangen.
Wie aber ist es bei Delikten mit farblosen, untypischen Tathandlungen (“beteiligen”) und künstlichen, nicht realen Rechtsgütern? Es ist schon gefragt worden: Wie beteiligt man sich an einer Kriminellen Organisation? Indem man telefoniert, eine Wohnung vermietet, im Hotelzimmer wartet und durch jede andere sozial völlig unauffällige Handlung, die allein durch den gedanklichen Bezug zur Organisation und den in ihrem Rahmen beabsichtigten Taten selbst zu einer strafbaren Handlung wird. Da jedes reale Substrat fehlt, sind der Verdacht einer solchen Beteiligung und damit der Tatverdacht nach § 278a StGB fast beliebig annehmbar. Man denke nur an das Beispiel eines Rechtsanwalts, der berufsbedingt häufigen Kontakt mit fragwürdigen Geschäftsleuten und organisierten Kriminellen (genauer: mit Personen, die diesbezüglich in Verdacht stehen) hat: Übt er nur die gesetzlich garantierten Beratungs- und Verteidigungsrechte (zB § 9 RAO, Art 6 Abs 3 lit c MRK) aus oder ist er der Consigliere der Organisation? Wie leicht läßt sich der Verdacht einer Beteiligung an einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) begründen; der Unterschied zum dringenden Verdacht einer konkreten Straftat springt jedenfalls ins Auge.
Läßt man den Tatverdacht eines solchen Vorbereitungs- und Organisationsdeliktes genügen, dann werden die inhaltlichen Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisse so sehr verdünnt, daß sie in nichts zerrinnen und fast keine rechtsstaatliche Garantie mehr bieten können.
2. Doch erschöpfen sich die Möglichkeiten, die unbestimmte Tatbestände bieten, nicht im Strafprozeß. Neue Straftatbestände begründen auch neue Eingriffsbefugnisse der Sicherheitspolizei. Denn das Sicherheitspolizeigesetz definiert die sicherheitspolizeilich relevante Gefahr gerade durch das Strafrecht (sog Strafrechtsakzessorietät des SPG): Eine sicherheitspolizeilich relevante Gefahr in Form des gefährlichen Angriffs liegt immer dann vor, wenn die rechtswidrige Verwirklichung eines Tatbestandes nach dem StGB bevorsteht; eine solche Situation verpflichtet die Sicherheitsbehörden dazu, der Straftat unverzüglich durch Ausübung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ein Ende zu setzen (§§ 21 Abs 2, 33 SPG). Wenn man nun jede bevorstehende Straftat, was der Wortlaut des Gesetzes zuläßt, als einen solchen gefährlichen Angriff ansieht, dann sind die Sicherheitsbehörden berechtigt und verpflichtet, nicht nur gegenwärtige Angriffe auf Leib und Leben, drohenden Entführungen und Raubüberfällen, sondern auch eine bevorstehende Geldwäscherei oder eine mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Kriminellen Organisation (also dem mit entsprechender Absicht vorgenommenen Sitzen im Hotelzimmer) mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt abzustellen."
Politischer Missbrauch des § 278a
Der § 278a wurde eingeführt um Mafia-Verbindungen und organisierte Geldwäscherei zu verhindern. Von mehreren Seiten wurde er bereits vor Jahren als problematisch angesehen.
Die Grünen warnten damals vor einer politischen Kriminalisierung und sind nun auch durch den Paragraphen betroffen. So schreiben diese selbst in ihren Unterlagen zur Pressekonferenz: "Von Anfang an richtete sich die Aktion von Innenminister, BVT und StA neben den Tierschützern auch gegen die Grünen.
- In einem Anfalls-Bericht vom 22. Mai 2008, also
dem Tag nach den Durchsuchungen und Verhaftungen, berichtet
ein Beamter des Landeskriminalamtes in Wien an die Staatsanwaltschaft
Wiener Neustadt, dass bei Internetrecherchen „Missfallenskundgebungen"
festgestellt worden seien, welche „gem. § 100 Abs 2 Z
1 StPO wegen des Verdachtes eines schwerwiegenden Verbrechens"
übermittelt würden.
Darunter findet sich die Presseaussendung der „Rechtshilfe", einer losen Gruppe von Einzelpersonen mit Verbindungen zur Grün Alternativen Jugend, in welcher zur Solidarität aufgerufen wird und eine Pressekonferenz im Presseraum des Grünen Parlamentsklubs angekündigt wird, an welcher insbesondere auch die grüne NR Abgeordnete Mag.a. Brigid Weinzinger teilnahm. (Letztlich fand die PK im Concordia Presseclub statt.)
In der Vorstellungswelt des betreffenden Polizeibeamten stellt somit die Äußerung von politischen „Missfallenskundgebungen" und die Abhaltung von Pressekonferenzen den Verdacht einer schwerwiegenden strafbaren Handlung dar.
Die Grünen Nationalratsabgeordneten Dr. Peter Pilz und Mag.a. Brigid Weinzinger haben daraufhin am 29.5.2008 im Innenausschuss des Nationalrates den Innenminister Günther Platter nicht nur mit dem Vorwurf der unverhältnismäßigen und rechtswidrigen Vorgehensweise konfrontiert, sondern insbesondere auch Aufklärung gefordert, welche weiteren „Anfalls-Berichte" gegen grüne Abgeordnete wegen ihrer politischen Tätigkeit von den ermittelnden Polizeibeamten bisher vorgelegt wurden.
Der Innenminister wollte oder konnte diese Fragen nicht beantworten, er konnte oder wollte aber auch den Vorwurf der unverhältnismäßigen Vorgehensweise nicht bestreiten. Er behauptete lediglich, dass „keine Sondereinheiten" an den Aktionen teilgenommen hätten, was jedoch durch zahlreiche Augenzeugenberichte widerlegt scheint. - Die Zuständigkeit der einschreitenden StA Wiener Neustadt wurde offenbar bewusst dadurch begründet, dass als „Erstbeschuldigter" ein grüner Gemeinderat von Gumpoldskirchen geführt wurde, obwohl dieser nachweislich keinerlei Verbindungen zur Tierrechtsszene hat. Gegen ihn wurden nach einer von ihm organisierten antifaschistischen Demonstration unberechtigte Vorwürfe der Sachbeschädigung erhoben, diese Verfahren sind jedoch mittlerweile eingestellt. Gegen den grünen Gemeinderat wurden auch im Rahmen der Anti-Tierschützer-Aktion keinerlei weitere Handlungen gesetzt, dennoch steht sein Name im Betreff sämtlicher gerichtlicher Anordnungen in dieser Sache."
Die Rechtshilfe (http://antirep2008.lnxnt.org) schreibt hierzu am 22.05.08 in einer Presseaussendung (OTS):
"Die Repression gegen linke Strukturen
hat mit der heutigen Hausdurchsuchungs- und Verhaftungswelle
einen neuen Höhepunkt erreicht. Hausdurchsuchungen mit vermummten
WEGA-Beamten, die Türen eintreten und Schlafende mit gezogenen
Waffen wecken, sind in den letzten Jahren nicht gegen die
radikale Linke eingesetzt worden. Das letzte Mal wurde eine
ähnliche Hausdurchsuchung im EKH nach der Opernballdemo
2001 durchgeführt.
Ein solches Auftreten der Behörden setzt nicht nur
auf Einschüchterung der Betroffenen. Auch Freundinnen und
andere politisch aktive Menschen sollen dadurch verängstigt
werden. Durch überzogene und teilweise brutale Polizeieinsätze
soll vermittelt werden, dass sich Widerstand nicht lohnt.
Wir dürfen uns nicht vereinzeln lassen. Gemeinsam
können wir über unsere Ängste sprechen und Strategien entwickeln,
wie wir damit umgehen können."
SPG Sichereitspolizeigesetz und anonyme Zeugen
Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität brachte auch Veränderungen in der Möglichkeit der anonymen Zeugenaussage. Es war bereits 1993 gemäß § 166a StPO möglich, dass Zeugen als Schutz gegen den/die Beschuldigte(n) diesem gegenüber anonym bleiben konnten. Dies wird allgemein als eine zulässige Einschränkung der Verteidigungsrechte zum Schutz von Zeugen angesehen. Unverständlich ist aber, dass auch weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht die Identität des Zeugen/der Zeugin kennen. Die Personaldaten werden nirgends vermerkt und müssen auch von der Polizei, die sie eventuell weiß, nicht Preis gegeben werden. Damit ist eine Falschaussage für den Zeugen/die Zeugin völlig ohne Folgen, weil seine Personalien nicht bekannt sind. Damit ist die Relevanz und der Wahrheitsgehalt einer solchen Aussage sehr beschränkt.
Erweitet wurden aber auch die Rechte von verdeckten Ermittlern, die seit 1998 bei Standesämter und andere Behörden die Möglichkeit haben sich echte falsche Urkunden herstellen zu lassen. Dadurch kann ein ganzes "falsches" Leben aufgebaut werden. Natürlich ist es dann im Interesse der Polizei diesen Aufwand nicht mit einer Aussage zunichte zu machen. "Praktisch geschieht dies dadurch, daß Polizeibeamte vor Gericht aussagen, die hinsichtlich der Identität des verdeckten Ermittlers vom Amtsgeheimnis nicht entbunden worden sind, so daß sie das Gericht darüber nicht vernehmen kann (§ 151 Z 2 StPO). Bis vor wenigen Jahren hat der OGH eine solche teilweise Entbindung vom Amtsgeheimnis für unzulässig angesehen und für solche Fälle ein Verwertungsverbot vorgesehen. [...] In Kenntnis dieser Rechtsprechung hat es der Gesetzgeber 1993 unterlassen, diesen Fall gesetzlich zu regeln: Die Möglichkeit der anonymen Vernehmung ist ausdrücklich auf den Fall des gefährdeten Zeugen beschränkt. [...] Der Staat muß sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: die Verurteilung in diesem besonderen Fall oder der weitere Einsatz des verdeckten Ermittlers. Ganz anders heute die Rechtsprechung: Seit kurzem sieht der OGH die mangelnde Aussagegenehmigung eines als verdeckter Ermittler arbeitenden Beamten als ein – aus der Sicht des Gerichtes – tatsächliches Hindernis der Zeugenvernehmung an und läßt auch mittelbare Beweise zu. Die Verurteilung kann daher auch auf die Verlesung eines Berichtes des anonym bleibenden verdeckten Ermittlers gestützt werden oder auf die Aussage seines Dienstvorgesetzten, der dem Gericht schildert, was er vom verdeckte Ermittler erfahren hat, soferne diese Mittel nicht die einzigen Beweise sind. Die Änderung ist gegen den Gesetzgeber erfolgt." (Fuchs 1997)
Strafprozessordnung zu Durchsuchungen:
Gesetz- und Verhältnismäßigkeit
§ 5. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen.
(2) Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, die unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet und deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.
(3) Beschuldigte oder andere Personen zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat zu verleiten oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken, ist unzulässig.
Definitionen
§ 117. Im Sinne dieses Gesetzes ist
- "Identitätsfeststellung" die Ermittlung und Feststellung von Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000), die eine bestimmte Person unverwechselbar kennzeichnen,
- "Durchsuchung von Orten und Gegenständen"
das Durchsuchen
- eines nicht allgemein zugänglichen Grundstückes, Raumes, Fahrzeuges oder Behältnisses,
- einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände,
- "Durchsuchung einer Person"
- die Durchsuchung der Bekleidung einer Person und der Gegenstände, die sie bei sich hat,
- die Besichtigung des unbekleideten Körpers einer Person,
- "körperliche Untersuchung" die Durchsuchung von Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und jeder andere Eingriff in die körperliche Integrität von Personen,
- "molekulargenetische Untersuchung" die Ermittlung jener Bereiche in der DNA einer Person, die der Wiedererkennung dienen.
Durchsuchung von Orten und Gegenständen sowie von Personen
§ 119. (1) Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2) ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer Straftat verdächtig ist, oder Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind.
(2) Durchsuchung einer Person (§ 117 Z 3) ist zulässig, wenn diese
- festgenommen oder auf frischer Tat betreten wurde,
- einer Straftat verdächtig ist und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Gegenstände, die der Sicherstellung unterliegen, bei sich oder Spuren an sich habe,
- durch eine Straftat Verletzungen erlitten oder andere Veränderungen am Körper erfahren haben könnte, deren Feststellung für Zwecke eines Strafverfahrens erforderlich ist.
§ 120. (1) Durchsuchungen von Orten und Gegenständen nach § 117 Z 2 lit. b und von Personen nach § 117 Z 3 lit. b sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen; bei Gefahr im Verzug ist die Kriminalpolizei allerdings berechtigt, diese Durchsuchungen vorläufig ohne Anordnung und Bewilligung vorzunehmen. Gleiches gilt in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 1 für die Durchsuchung von Personen nach § 117 Z 3 lit. b. Das Opfer darf jedoch in keinem Fall dazu gezwungen werden, sich gegen seinen Willen durchsuchen zu lassen (§§ 119 Abs. 2 Z 3 und 121 Abs. 1 letzter Satz).
(2) Durchsuchungen nach § 117 Z 2 lit. a und nach § 117 Z 3 lit. a kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen.
§ 121. (1) Vor jeder Durchsuchung ist der Betroffene unter Angabe der hiefür maßgebenden Gründe aufzufordern, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Von dieser Aufforderung darf nur bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des § 119 Abs. 2 Z 1 abgesehen werden. Die Anwendung von Zwang (§ 93) ist im Fall der Durchsuchung einer Person nach § 119 Abs. 2 Z 3 unzulässig.
(2) Der Betroffene hat das Recht, bei einer Durchsuchung nach § 117 Z 2 anwesend zu sein, sowie einer solchen und einer Durchsuchung nach § 117 Z 3 lit. b eine Person seines Vertrauens zuzuziehen; für diese gilt § 160 Abs. 2 sinngemäß. Ist der Inhaber der Wohnung nicht zugegen, so kann ein erwachsener Mitbewohner seine Rechte ausüben. Ist auch das nicht möglich, so sind der Durchsuchung zwei unbeteiligte, vertrauenswürdige Personen beizuziehen. Davon darf nur bei Gefahr im Verzug abgesehen werden. Einer Durchsuchung in ausschließlich der Berufsausübung gewidmeten Räumen einer der in § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 erwähnten Personen ist von Amts wegen ein Vertreter der jeweiligen gesetzlichen Interessenvertretung beziehungsweise der Medieninhaber oder ein von ihm namhaft gemachter Vertreter beizuziehen.
(3) Bei der Durchführung sind Aufsehen, Belästigungen und Störungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte sämtlicher Betroffener sind soweit wie möglich zu wahren. Eine Durchsuchung von Personen nach § 117 Z 3 lit. b ist stets von einer Person desselben Geschlechts oder von einem Arzt unter Achtung der Würde der zu untersuchenden Person vorzunehmen.
Jede bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss nach § 5 StPO, die ein generelles Verhältnismäßigkeitsgebot aufstellt, in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen. Insbesondere der Grad des Verdachts scheint hier sehr schwach ausgeprägt zu sein, da in den Beschlüssen sich der Staatsanwalt in bloß allgemeinen Anschuldigungen ergeht. Aber auch die Formulierung, dass jene Mittel anzuwenden sind, die "die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen" wurde ignoriert.
Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 121 (1) StPO ist bei einer Durchsuchung der Betroffene vorab unter Angabe der maßgebenden Gründe aufzufordern, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Auch nach der Rechtssprechung (LG Klagenfurt, 7Bl8/08g) muss die Suche sich entsprechend § 139 Abs 1 StPO aF (nichts anderes gilt nach § 119 Abs 1 StPO) auf jene Gegenstände beschränken, die unmittelbar zur Aufklärung eines strafbaren Sachverhalts beitragen, während es unzulässig ist, Durchsuchungen erst zur Gewinnung von Verdachtsgründen vorzunehmen (Tipold/Zerbes WK-StPO vor §§ 139 bis 144, 145 Rz 5, 139 Rz 15). Somit setzt auch die Rechtslage den Anfangsverdacht eines strafbaren Verhaltens (Pilnacek/Pleischl aaO § 3 Rz 10) voraus, der auf einer entsprechenden Sachverhaltsgrundlage fußen, sich jedoch nicht unbedingt gegen den Inhaber des Hausrechts richten muss (15 Os 74/87).
Im Durchsuchungsbeschluss erfolgt keine konkrete Verknüpfung zwischen den beschuldigten Personen, und den sehr allgemein gehaltenen Ausführungen zu einer „kriminellen Organisation“. Auch die Auswahl der Durchsuchungsorte scheint willkürlich und wird nicht näher begründet (insb. zB Vereinsbüros). Ein konkreter, begründeter Anfangsverdacht ist nicht erkennbar.
In vielen Fällen wurde den Betroffenen nicht durch Anläuten die Gelegenheit zum freiwillgen Öffnen der Türe gegeben sondern die Türen sofort aufgebrochen und von Spezialeinheiten gestürmt. Maskierte Beamte bedrohten die BewohnerInnen mit Schusswaffen, schrien diese oftmals an, legten einige sogar in Handschellen (vgl. auch die Erlebnisberichte). Ein derartiges Vorgehen war keineswegs erforderlich, zumal gegen keinen einzigen der Betroffenen auch nur irgendein Verdacht bestehen dürfte, dass es sich dabei um gewalttätige oder bewaffnete Personen handelt.
Die Durchsuchungsanordnung erfordert darüber hinaus die präzise Bezeichnung der zu suchenden Objekte, um auf diese Weise dem Hausrechtsberechtigten im Zuge der vor der Zwangsmaßnahme durchzuführenden Vernehmung Gelegenheit zu bieten, die gesuchten Gegenstände freiwillig herauszugeben oder die die Durchsuchung veranlassenden Gründe zu beseitigen (EvBl 2002/104 = JBl 2002, 809). Statt den Personen die Herausgabe des Gesuchten zu ermöglichen wurde sofort, noch bevor das Durchlesen der Durchsuchungsbefehle abgeschlossen war, mit der Durchsuchung begonnen. Es wäre aber aufgrund der unkonkreten Angabe nach was gesucht wird, nämlich „elektronische Speichermedien sowie relevante Unterlagen und Gegenstände", auch nicht möglich gewesen die Gegenstände auszuhändigen. Es handelt sich hiermit um einen gesetzwidrigen Erkundungsbeweis.
Entgegen § 121 (2) StPO wurde einigen Betroffenen verwehrt eine Vertrauensperson zur Durchsuchung hinzuzuziehen. Auch ein Anwalt/eine Anwältin durfte in einigen Fällen nicht unmittelbar informiert werden.
Strafprozessordnung (StPO) und Europäische Menschenrechtskonvention (MRK) zur Zulässigkeit der Festnahmen sowie der U-Haft
Zulässigkeit von Festnahmen
§ 170. StPO (1) Die Festnahme einer Person, die der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, ist zulässig,
- wenn sie auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen,
- wenn sie flüchtig ist oder sich verborgen hält oder, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde flüchten oder sich verborgen halten,
- wenn sie Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde dies versuchen,
- wenn die Person einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.
(2) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muss die Festnahme angeordnet werden, es sei denn, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 1 Z 2 bis 4 angeführten Haftgründe sei auszuschließen.
(3) Festnahme und Anhaltung sind nicht zulässig, soweit sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen (§ 5).
Zulässigkeit der Verhängung der U-Haft
§ 173. StPO (1) Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sind nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nur dann zulässig, wenn der Beschuldigte einer bestimmten Straftat dringend verdächtig, vom Gericht zur Sache und zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft vernommen worden ist und einer der im Abs. 2 angeführten Haftgründe vorliegt. Sie darf nicht angeordnet oder fortgesetzt werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht oder ihr Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel (Abs. 5) erreicht werden kann.
(2) Ein Haftgrund liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß
- wegen Art und Ausmaß der ihm voraussichtlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten,
- Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen,
- ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten
Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen ihn geführten
Strafverfahrens
- eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete Straftat mit schweren Folgen,
- eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen Straftat bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden,
- eine strafbare Handlung mit einer Strafdrohung von mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe begehen, die ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die Straftaten, derentwegen er bereits zweimal verurteilt worden ist, oder
- die ihm angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.
(3) Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn der Beschuldigte einer Straftat verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, er habe bereits Vorbereitungen zur Flucht getroffen. Bei Beurteilung von Tatbegehungsgefahr nach Abs. 2 Z 3 fällt es besonders ins Gewicht, wenn vom Beschuldigten eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen oder die Gefahr der Begehung von Verbrechen in einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung ausgeht. Im Übrigen ist bei Beurteilung dieses Haftgrundes zu berücksichtigen, inwieweit sich die Gefahr dadurch vermindert hat, dass sich die Verhältnisse, unter denen die dem Beschuldigten angelastete Tat begangen worden ist, geändert haben.
(4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt, aufrecht erhalten oder fortgesetzt werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können. Im Fall der Strafhaft hat die Staatsanwaltschaft die Abweichungen vom Vollzug anzuordnen, die für die Zwecke der Untersuchungshaft unentbehrlich sind. Wird die Untersuchungshaft dennoch verhängt, so tritt eine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.
(5) Als gelindere Mittel sind insbesondere anwendbar:
- das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu fliehen noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft von seinem Aufenthaltsort zu entfernen,
- das Gelöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Ermittlungen zu erschweren,
- in Fällen von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) das Gelöbnis, jeden Kontakt mit dem Opfer zu unterlassen, und die Weisung, eine bestimmte Wohnung und deren unmittelbare Umgebung nicht zu betreten oder ein bereits erteiltes Betretungsverbot nach § 38a Abs. 2 SPG oder eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO nicht zu übertreten, samt Abnahme aller Schlüssel zur Wohnung,
- die Weisung, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie zu wohnen, eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder bestimmten Umgang zu meiden, sich alkoholischer Getränke oder anderer Suchtmittel zu enthalten oder einer geregelten Arbeit nachzugehen,
- die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltes anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeitabständen bei der Kriminalpolizei oder einer anderen Stelle zu melden,
- die vorübergehende Abnahme von Identitäts-, Kraftfahrzeugs- oder sonstigen Berechtigungsdokumenten,
- vorläufige Bewährungshilfe nach § 179,
- die Leistung einer Sicherheit nach den §§ 180 und 181,
- mit Zustimmung des Beschuldigten die Weisung, sich einer Entwöhnungsbehandlung, sonst einer medizinischen Behandlung oder einer Psychotherapie (§ 51 Abs. 3 StGB) oder einer gesundheitsbezogenen Maßnahme (§ 11 Abs. 2 SMG) zu unterziehen.
(6) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muss die Untersuchungshaft verhängt werden, es sei denn, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 2 angeführten Haftgründe sei auszuschließen.
Artikel 5, MRK: Recht auf Freiheit und Sicherheit
(1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
- rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
- rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentziehung wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
- rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, daß die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlaß zu der Annahme besteht, daß es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
- rechtmäßige Freiheitsentziehung bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
- rechtmäßige Freiheitsentziehung mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
- rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßige Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
(2) Jeder festgenommenen Person muß unverzüglich in einer ihr verständlichen Sprache mitgeteilt werden, welches die Gründe für ihre Festnahme sind und welche Beschuldigungen gegen sie erhoben werden.
(3) Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, muß unverzüglich einem Richter oder einer anderen gesetzlich zur Wahrnehmung richterlicher Aufgaben ermächtigten Person vorgeführt werden; sie hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung während des Verfahrens. Die Entlassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhängig gemacht werden.
(4) Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, daß ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist.
(5) Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, hat Anspruch auf Schadensersatz.
Hinreichender Tatverdacht (Art 5 MRK, §§ 170 und 173 StPO): Das bedeutet mehr als bloße Vermutungen. Aus konkreten Fakten muss sich die Wahrscheinlichkeit der Täterschaft ergeben. Schon für die Existenz der der behaupteten „kriminellen Organisation“ fehlen Tatsachenbelege! Die ALF (Animal Liberation Front) ist nämlich keine Organisation mit Mitgliedern sondern eine Art Kodex zur Durchführung von Direct Actions. Jede Person, die sich an diesen Kodex hält und Direct Actions für Tierrechtsbelange macht, kann sich unter dem Namen ALF hierzu bekennen. Eine Struktur mit führenden Personen gibt es nicht.
Selbst wenn man zu konstruieren versucht, dass die ALF entgegen den Aussagen bekennender ALF-AktivistInnen und -kennerInnen eine kriminelle Organisation nach § 278a wäre, so fehlen jeglich Beweise dafür, dass auch nur eine(r) der Beschuldigten Mitglied dieser ist. Das einzige was die Behörden als Grund angeben sind persönliche Einstellungen der Beschuldigten sowie flüchtige Bekanntschaften einiger der Beschuldigten untereinander. Dass Tierschützer einander teilweise kennen, ist wohl kaum ein Indiz für eine strafbare Handlung.
Computersicherheit als Tatvorwurf: Besonders bedenklich ist der Fall eines Beschuldigten, der anderen Tierschützern Tipps zur Vermeidung von Sicherheitslücken bei Computern gab. Allein darauf wurde der Verdacht auf Mitgliedschaft bei der angeblichen kriminellen Organisation gestützt.
Weitere Tatbestandselemente, die für die Verwirklichung des Tatbestandes „kriminelle Organisation“ (§ 278a StGB) notwendig sind, werden von der Behörden bloß behauptet, beispielsweise: eine unternehmensähnliche Organisation, die Hierarchie und Arbeitsteilung voraussetzt, oder besondere Abschirmungsmaßnahmen der Organisation gegen Strafverfolgung.
Da den Behörden offenbar keine Hinweise auf bestimmte Täter vorliegen, wurde der Tatbestand „Kriminelle Organisation nach § 278a“ herangezogen, bei der sich die Behörden vordergründig konkrete Tatnachweise ersparen: Für alle ungeklärten Fälle, die mit Tierschutz zusammenhängen könnten wurde eine kriminelle Organisation verantwortlich gemacht. Sodann wurden besonders engagierte Tierschützer einfach zu Mitgliedern dieser Organisation gestempelt. Damit wurden dann Hausdurchsuchungen und Festnahmen gerechtfertigt.
Der Tatbestand § 278a StGB wurde eigentlich für die Bekämpfung mafiaähnlicher Verbindungen geschaffen. Nun wird er zur Kriminalisierung der Tierschutzbewegung missbraucht.
Es ist gegenständlich nicht einmal einfacher Tatverdacht gegeben. Untersuchungshaft setzt aber dringenden Tatverdacht voraus.
Da somit das massive gerichtliche und polizeiliche
Vorgehen gegen die Betroffenen nach den bisher vorliegenden
Informationen von Anfang an rechtlich und aufgrund der Sachlage
nicht gedeckt erscheint, gibt es keine rechtliche
Grundlage dafür, dass weiterhin einige der Betroffenen in
Untersuchungshaft gehalten werden. Da im Zuge der Hausdurchsuchungen
sämtliches Computer- und Datenmaterial (in vielen Fällen
in existenzbedrohendem Umfang) beschlagnahmt wurde, sind
auch die geltend gemachten Haftgründe der Verdunkelungs-
und der Tatbegehungsgefahr nicht nachvollziehbar.
Die Untersuchungshaft gegen die Tierschützer ist
somit gesetzwidrig.
Faires Verfahren nach StPO und MRK
Rechte des Beschuldigten § 49 StPO
§ 49. Der Beschuldigte hat insbesondere das Recht,
- vom Gegenstand des gegen ihn bestehenden Verdachts sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren informiert zu werden (§ 50),
- einen Verteidiger zu wählen (§ 58) und einen Verfahrenshilfeverteidiger zu erhalten (§§ 61 und 62),
- Akteneinsicht zu nehmen (§§ 51 bis 53),
- sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen sowie nach Maßgabe der §§ 58, 59 Abs. 1 und 164 Abs. 1 mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen und sich mit ihm zu besprechen,
- gemäß § 164 Abs. 2 einen Verteidiger seiner Vernehmung beizuziehen,
- die Aufnahme von Beweisen zu beantragen (§ 55),
- Einspruch wegen der Verletzung eines subjektiven Rechts zu erheben (§ 106),
- Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung von Zwangsmitteln zu erheben (§ 87),
- die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu beantragen (§ 108),
- an der Hauptverhandlung, an einer kontradiktorischen Vernehmung von Zeugen und Mitbeschuldigten (§ 165 Abs. 2), an einer Befundaufnahme (§ 127 Abs. 2) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150) teilzunehmen,
- Rechtsmittel und Rechtsbehelfe zu erheben,
- Übersetzungshilfe zu erhalten (§ 56).
Rechtsbelehrung § 50 StPO
§ 50. Jeder Beschuldigte ist durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft sobald wie möglich über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren und den gegen ihn bestehenden Tatverdacht sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren (§§ 49, 164 Abs. 1) zu informieren. Dies darf nur so lange unterbleiben als besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre, insbesondere weil Ermittlungen oder Beweisaufnahmen durchzuführen sind, deren Erfolg voraussetzt, dass der Beschuldigte keine Kenntnis von den gegen ihn geführten Ermittlungen hat.
Akteneinsicht § 51
§ 51. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt, in die der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungs- und des Hauptverfahrens Einsicht zu nehmen. Das Recht auf Akteneinsicht berechtigt auch dazu, Beweisgegenstände in Augenschein zu nehmen, soweit dies ohne Nachteil für die Ermittlungen möglich ist.
(2) Soweit die im § 162 angeführte Gefahr besteht, ist es zulässig, personenbezogene Daten und andere Umstände, die Rückschlüsse auf die Identität oder die höchstpersönlichen Lebensumstände der gefährdeten Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und Kopien auszufolgen, in denen diese Umstände unkenntlich gemacht wurden. Im Übrigen darf Akteneinsicht nur vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens und nur insoweit beschränkt werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre. Befindet sich der Beschuldigte jedoch in Haft, so ist eine Beschränkung der Akteneinsicht hinsichtlich solcher Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, ab Verhängung der Untersuchungshaft unzulässig.
(3) Einfache Auskünfte können auch mündlich erteilt werden. Hiefür gelten die Bestimmungen über Akteneinsicht sinngemäß.
Der Beschuldigte muss über den konkreten Tatvorwurf und die Verdachtsmomente informiert werden, damit er Gelegenheit hat, sich zu verteidigen. Bis heute werden entgegen der Anordnung von § 51 Abs 2 letzter Satz Aktenstücke zurückgehalten und die Untersuchungshaft auf diese „geheimen“ Dokumente gestützt.
Artikel 6, MRK: Recht auf ein faires Verfahren
(1) Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
(2) Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.
(3) Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:
- innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
- ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
- sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
- Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
- unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
Unschuldsvermutung gemäß § 8 StPO und Art 6 MRK
§ 8. Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.
Artikel 6 MRK siehe oben
Verkehrung rechtsstaatlicher Grundsätze durch die Behörden: Zuerst muss ein Tatverdacht gegeben sein, dann erst dürfen Hausdurchsuchungen und Festnahmen durchgeführt werden. Das Vorgehen der Behörden war genau umgekehrt – es wird offenbar – entgegen der Unschuldsvermutung von § 8 StPO bereits von einer Schuld des Täters ausgegangen.
Entgegen ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§123 Abs 4 StPO) wurden zumindest zwei der Inhaftierten gegen ihren Willen unter Anwendung körperlicher Gewalt DNA-Proben entnommen.
Quellen:
- Bertel/Schwaighofer, Strafrecht Besonderer Teil II, 7. Auflage, Springer
- Hinterhofer, Strafrecht Besonderer Teil II, 4. Auflage, WUV
- Theuer, Eberhart: Rechtliche Betrachtung durch den Juristen
- Pilz/Weinzinger, Presseunterlagen zur PK vom 30.5.2008, 9.30 Uhr
- Rechtshilfe, OTS Aussendung vom 22.05.2008, OTS0064
- Fuchs, Helmut: Geldwäscherei, Gewinnabschöpfung, anonyme
Zeugen und Lauschangriff – wie soll es weitergehen?, Vortrag
vom 13. 11.1997, http://www.univie.ac.at/strafrecht-fuchs/publ/geldw97.html