Fische fühlen Schmerz – Teil 2 - vgt

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Fische fühlen Schmerz – Teil 2

Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (27.04.2022)

27.04.2022

Fortsetzung einer wissenschaftlichen Analyse des Schmerzempfindes bei Fischen.

Im Text Fische fühlen Schmerz, Teil 1 – Nozizeptoren geht es um Nervenfasern, die bei einer drohenden oder erfolgten Gewebeschädigung elektrische Signale generieren, die sogenannten Nozizeptoren. Ihr Vorhandensein im Körper von Fischen ist die physiologisch notwendige Voraussetzung dafür, dass Fische Schmerzen überhaupt wahrnehmen können. Der wissenschaftliche Beweis für die Existenz von Nozizeptoren bei Fischen wurde erstmals im Jahr 2002 erbracht. Weitere Beweise folgten. Es besteht kein Zweifel: Fische haben die physiologischen Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Schmerz!

Das alleine reicht allerdings als Beweis für die Fähigkeit des Schmerzempfindens von Fischen nicht aus. Denn Nozizeption und Schmerz hängen zwar direkt zusammen, sind aber zwei unterschiedliche Themenbereiche. Nozizeption ist ohne Schmerz möglich, organischer Schmerz aber niemals ohne Nozizeption.1

Maximilian P. Elder erläutert dies anschaulich: [...] Wenn man sich zum Beispiel die Hand verbrennt, reagiert der Körper unbewusst mit dem sofortigen Zurückziehen der Hand. Für diese sensorische Reaktion auf Schmerz sind Nozizeptoren unter der Haut verantwortlich. Doch erst sehr bald danach wird man sich der Verbrennung bewusst und leidet darunter, indem man sein Verhalten ändert, um weitere Schmerzen und Schäden zu vermeiden. Das bewusste Gefühl des Leidens kommt zu der unbewussten sensorischen Reaktion auf den Schmerz hinzu. Streng genommen ist die Nozizeption kein Schmerz; es wäre ein kategorischer Fehler, die beiden gleichzusetzen. Nozizeption ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für Schmerz und Leiden. Leiden wird nur empfunden, wenn die Nozizeption auf die Ebene des Bewusstseins gehoben wird. 2

Schmerz beim Menschen

Also ist als nächster Schritt bei der Suche nach den naturwissenschaftlichen Beweisen für das Schmerzempfinden von Fischen zu klären, was Schmerz eigentlich bedeutet. Die Internationale Gesellschaft zur Erforschung des Schmerzes definiert Schmerz als eine unangenehme Wahrnehmungs- und Gefühlserfahrung verbunden mit tatsächlicher oder möglicher Gewebeschädigung oder der Vorstellung einer solchen. 3

Dabei handelt es sich um die Definition des Schmerzbegriffes bei Menschen. Sie ist deshalb bedeutsam, weil sie die Grundlage der gesamten Schmerzforschung (auch bei Tieren) ist. Gleichzeitig liegt darin aber auch ein Problem, das auf den Anthropozentrismus der wissenschaftlichen Forschung hinweist. Lynne U. Sneddon: Bei der Betrachtung von Schmerzen bei Tieren wird häufig auf den menschlichen Schmerz Bezug genommen, was jedoch in vielerlei Hinsicht ein Denkfehler ist, da das nozizeptive und das Schmerzsystem bei Tieren, die eine andere ökologische und evolutionäre Entwicklung durchlaufen haben, ganz anders geformt sind. 4

Jeder Mensch kennt Schmerz. Es gibt körperliche Schmerzen und Schmerzen, die emotionale Erfahrungen als Grundlage haben, beispielsweise der Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres. Schmerz ist immer unangenehm. Das Erleben von Schmerz setzt Bewusstsein voraus. Jeder Mensch nimmt Schmerz individuell wahr. Menschen drücken ihr Schmerzempfinden durch Sprache, Laute, Mimik und vor allem Verhaltensveränderungen aus.

Wie zeigen Tiere Schmerzen?

Tiere haben nicht die Möglichkeit, über menschliche Kommunikationsmittel ihr Schmerzempfinden auszudrücken. Einige Tierarten (z. B. Säugetiere oder Vögel) können Schmerzempfinden durch Schreien und andere Lautäußerungen artikulieren oder durch Mimik und Verhaltensveränderungen zeigen. Fische können weder durch Lautäußerungen noch durch Veränderungen in ihren Gesichtern auf mögliches Schmerzempfinden aufmerksam machen. Nicht weil sie es nicht können, sondern weil wir Menschen nicht in der Lage sind, Fische zu hören bzw. Veränderungen in ihren Gesichtern wahrzunehmen. Fische können nur durch ihr Verhalten zeigen, dass sie Schmerzen empfinden.

Lynne U. Sneddon, Robert W. Elwood, Shelley A. Adamo und Matthew C. Leach schreiben in ihrer wissenschaftlichen Arbeit Defining and assessing animal pain aus dem Jahr 2014 dazu: Daher kann die allgemein verwendete Definition des menschlichen Schmerzes nicht direkt auf Tiere angewandt werden, da sie entweder voraussetzt, dass man weiß, wie sich ein Tier fühlt, oder dass es in der Lage ist, uns seine subjektiven Erfahrungen mitzuteilen. 5

Definition von Tierschmerz

Die unter Naturwissenschaftler:innen anerkannte Definition von Tierschmerz spricht von einer aversiven sensorischen Erfahrung, die durch eine tatsächliche oder potenzielle Verletzung verursacht wird, die Schutz- und vegetative Reaktionen auslöst, zu erlerntem Verhalten führt und das artspezifische Verhalten verändern kann.6 Zusätzlich sollen Tiere, die Schmerzen haben, schnell lernen, den schädlichen Reiz zu vermeiden und nachhaltige Verhaltensänderungen zeigen, die eine Schutzfunktion haben, um weitere Verletzungen und Schmerzen zu verringern, das Wiederauftreten der Verletzung zu verhindern und die Heilung und Genesung zu fördern.7

Schmerz ist wichtig für Überleben

Mittlerweile wird außerdem immer deutlicher, dass Schmerz nicht nur eine Empfindung ist, sondern für das Leben und Überleben von Tieren wichtige Funktionen hat. Die mit dem Schmerz verbundene aversive Erfahrung ist wahrscheinlich eine wichtige Triebfeder dafür, dass Tiere in einem gefährlichen Lebensraum überleben können und Verletzungen vermeiden, die andernfalls zu Krankheit und Tod führen könnten. […] Anstatt Schmerz als eine besondere Eigenschaft des Menschen zu betrachten, ist es wahrscheinlich, dass Schmerz und der damit verbundene motivierende Zustand eine adaptive Überlebensfunktion für Tiere hat. Wir glauben daher, dass die aversive affektive Komponente des Schmerzes ein wesentlicher Bestandteil seiner evolutionären Funktion ist, da sich Tiere sonst häufig selbst auf die gleiche Weise schädigen würden und nicht in der Lage wären, ihre Verhaltensentscheidungen zu ändern, um zu lernen, Verletzungen zu vermeiden. 8

Fische fühlen Schmerz, Teil 3 – Verhaltensänderungen bei Fischen durch schädliche Reize

Quellen

  1. doccheck.com/de/Nozizeption
  2. Elder, Maximilian: The Fish Pain Debate: Broadening Humanity`s Moral Horizon, Journal of Animal Ethics 4(2): 16 – 29, 2014
  3. ISAP
  4. Sneddon, Lynne U.: Evolution of nociception and pain: Evidence from fish models, in: Phil. Trans. R. Soc. B374, Sept. 2019
  5. Lynne U. Sneddon, Robert W. Elwood, Shelley A. Adamo, Matthew C. Leach: Defining an assessing animal pain, Animal Behaviour, Volume 97, November 2014, S. 201-212
  6. Manfred Zimmerman: Physiological mechanisms of pain and its treatment. In: Klinische Anaesthesiol Intensivether. 1986, S. 32: 1–19
  7. Sneddon, L.U. (2009). Pain perception in fish:indicators and endpoints. ILAR Journal 50, 338-342
  8. Lynne U. Sneddon, Robert W. Elwood, Shelley A. Adamo, Matthew C. Leach: Defining an assessing animal pain, Animal Behaviour, Volume 97, November 2014, S. 201-212

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